Der Münchner Kardinal Reinhard Marx weist Berichte über tiefrote Zahlen im Vatikan zurück. "Das kann ich so nicht bestätigen. Die Lage ist auch nicht so katastrophal, wie manche tun", sagte er im Interview der "Süddeutschen Zeitung", das in der Ausgabe vom Wochenende erschienen ist. Zu Wochenbeginn hatte die italienische Zeitung "Corriere della Sera" berichtet, der verstorbene Papst Franziskus habe seinem Nachfolger Leo XIV. ein Finanzloch von rund zwei Milliarden Euro hinterlassen.
Zugleich betonte Marx aber, dass es Handlungsbedarf gebe. Insgesamt müssten die Kosten reduziert werden. Das habe er als Koordinator des Wirtschaftsrats, der die Finanzen des Heiligen Stuhls im Bericht an die Kardinäle im Vorkonklave gesagt. "Man muss unterscheiden: Das eine ist der Vatikan-Staat. Da gibt es Überschüsse. Das andere ist der Heilige Stuhl, nur für dessen Finanzlage bin ich zuständig. Die ist schwierig, weil die Verwaltung, also alle Dikasterien bis hin zu den Nuntiaturen, viel Geld kostet - und vor allem wegen der Pensionslasten, die sich aus der Demografie ergeben, das kennt man ja auch von vielen Staaten".
"Vorsichtig zuversichtlich" in Finanzfrage
Auf die Frage, ob Grundstücke und Immobilien verkauft werden könnten, sagte der Kardinal, dies wäre "keine nachhaltige, sondern kurzfristige Sanierung des Haushalts". Er sei jedoch kein Immobilienexperte und habe auch Papst Franziskus gesagt, dass dies nicht Aufgabe des Heiligen Vaters sei. Jedoch laufe vieles heute besser als früher. "Entscheidend ist, dass der Vatikanstaat und die Vatikanbank (IOR) verlässlich die Gewinne an den Heiligen Stuhl abführen", mahnte Marx. "Alle Akteure haben dem Papst und seiner Sendung zu dienen, und das geschieht durch den Heiligen Stuhl. Dann bin ich vorsichtig zuversichtlich über die weitere Entwicklung."
Papst Franziskus hatte in seinem letzten Pontifikatsjahr wiederholt auf das dramatische Defizit des Vatikans hingewiesen. Seit mehr als zwei Jahren hat der Vatikan keinen ordentlichen Haushalt mehr veröffentlicht. Die Vatikanbank IOR hat in den vergangenen Jahren stets eine niedrige zweistellige Millionensumme als Dividende an den Heiligen Stuhl abgeführt. Das Institut gilt derzeit als solide, erwirtschaftet aber nicht genug, um die hohen Gehaltskosten und die Pensionskassen für die knapp 5.000 Vatikanangestellten zu decken.
Papst Leo gegen Trump?
Zu den weiteren Themen des Interviews gehörte die Politik. Eine Polarisierung zwischen Leo und Trump sieht der Marx mit Skepsis. "Ich weiß nicht, ob das hilfreich ist", sagte er in dem Interview. "Die Amtszeit von Trump wird einmal vorübergehen und dann wird Leo XIV. wohl immer noch da sein. Aber ich verstehe, dass man sich diese Gedanken macht und überlegt, wie es sein wird, wenn er einmal in die USA reist."
Er sehe in der Wahl des US-Amerikaners Robert Francis Prevost zum Papst eine Chance für amerikanische Katholiken. "Dort sind die Bischöfe wohl in manchen Fragen unterschiedlicher Meinung, und es kann eine große Hilfe sein, einen Papst zu haben, der Brücken bauen kann", erklärte der Erzbischof von München und Freising.
Hoffnung auf Fortschritt in der "Frauenfrage"
Künftig müsse die Kirche schauen, wie sich partizipative Elemente etablieren ließen, ohne eine parlamentarische Demokratie zu werden, sagte Marx, der zu den Initiatoren des deutschen Reformprozesses Synodaler Weg gehört. Weltkirchlich sei "noch nicht annähernd geklärt, was 'synodal' eigentlich bedeutet".
Der am Ostermontag verstorbene Papst Franziskus sei wegen des Synodalen Wegs in Deutschland "tatsächlich gelegentlich voller Sorge deswegen, und ich habe versucht, ihn zu beruhigen". Der Prozess "war und ist weiter notwendig" - und der jetzige Papst habe als Bischof in seinem Bistum in Peru ebenfalls "synodale Elemente vorangebracht".
Große Herausforderung
Zum Diakonat der Frau sagte der frühere Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz: "Ich hoffe sehr, dass wir da weiterkommen. Das ist unbestritten eine der ganz zentralen Fragen der Zukunft." Indes habe die Weltkirche unterschiedliche Geschwindigkeiten. Daher sei es wichtig gewesen, "jemanden als Papst zu finden, der diese Türen offenhält und nicht zurückgeht".
Den Umgang mit Künstlicher Intelligenz (KI), die Papst Leo XIV. in einer sehr ersten Ansprachen erwähnt hatte, bezeichnete Marx als große Herausforderung. Der Papst hatte dies konkret auf "die Verteidigung der Menschenwürde, der Gerechtigkeit und der Arbeit mit sich" bezogen. Marx erklärte, auch Errungenschaften der Vergangenheit, etwa Mitbestimmung und den Sozialstaat, habe es nicht kampflos gegeben: "Und das gilt auch in diesem Fall."