Schon der Anruf eines Kollegen am Flughafen machte klar, was auf uns Journalisten jetzt zukommt. "Das Pressezentrum am Vatikan hat für Akkreditierungen zwei Stunden am Tag geöffnet. Wir stehen jetzt schon drei Stunden in der Schlange."
Sowohl für die Journalisten als auch für den Vatikan war die Zeit der Sedisvakanz eine Mammutleistung. Ist man rund um den Petersdom Großveranstaltungen gewohnt, so ist das Konklave noch mal eine ganz andere Nummer. Wenn mehr als 6.000 (!) Journalisten angemeldet sind, ist die Zeit für viele wie Bundestagswahl, Olympia und Fußball-WM zusammen.
Knapp drei Wochen war ich für unsere Redaktion im Dauereinsatz, mit Unterstützung unseres Teams in der Redaktion am Kölner Dom. Es ging los am Tag vor der Beerdigung von Franziskus, wo ich noch die Möglichkeit hatte, am offenen Sarg von dem Mann Abschied zu nehmen, über den wir nicht nur täglich seit zwölf Jahren berichtet hatten, sondern dem ich auch selbst mehrmals begegnet war. Nur fünf Tage vorher haben wir in der Redaktion noch mit Sorge sein letztes "Urbi et Orbi" am Großbildschirm verfolgt, jetzt lag er mit seinen schwarzen Schuhen bereit für Trauer und Abschied.
Am Tag darauf dann die Beerdigung mit 400.000 Menschen auf den Straßen Roms. Verhältnisse, die nur der Abschied von Johannes Paul II. übertroffen hat. Hunderttausende haben die römische Infrastruktur auf die Probe gestellt. An Handyempfang war am Tag der Beerdigung nicht zu denken. Und die römische Kanalisation schien auch an ihre Grenzen zu kommen, zumindest nach den Geruchseindrücken in den Gebäuden rund um den Petersplatz.
Nach der Beerdigung dann die große Ungewissheit: Wie geht es mit der Kirche weiter? Wer wird auf den Stuhle Petri steigen? Das Spekulationskarussell am Vatikan hat sich in dieser Zeit so schnell gedreht, dass einem schwindelig werden konnte. Bis hin zu einem angeblichen Schwächeanfall des "Favoriten" Pietro Parolin, der selbst vom Vatikan per Pressekonferenz dementiert werden musste.
Am vergangenen Mittwoch dann der Moment, den alle Journalisten mit Spannung erwartet haben: "Extra omnes". Bis auf die Kardinäle werden alle aus der Sixtinischen Kapelle herauskomplimentiert. Auf dem Petersplatz ging dann das große Warten los. 19 Uhr wurde uns als Richtwert gesagt, wann der erste Rauch zu erwarten sei. 19 Uhr…19:30… 20 Uhr… 20:30 Uhr. Das Rauchzeichen zog sich so lange nach hinten, dass selbst von Experten spekuliert wurde, was denn da los sei. Haben die überhaupt abgestimmt? Kann es sein, dass es überhaupt keinen Rauch geben wird heute? Wie finden wir das raus, wenn die Kardinäle komplett isoliert sind? Als dann um kurz nach 21 Uhr der schwarze Rauch mit zwei Stunden "Verspätung" aus dem Schornstein kam, herrschte mehr Erleichterung als Enttäuschung in der Masse. Erleichterung, dass man endlich zum Abendessen oder ins Bett gehen kann.
Ab Donnerstag gingen dann die Zeitspekulationen los. Wann ist es so weit mit dem weißen Rauch? Die Geschichte sagt uns, dass es in den letzten hundert Jahren nie länger als ein paar Wahlgänge gedauert hat. Wird es diesmal länger, weil so viele neue Kardinäle dabei sind? "Ich bin heute Abend mit meiner Frau in der Tanzschule, soll ich absagen?" rief ein Kollege aus der Redaktion auf meinem Handy an. "Naja, ich halte es für wahrscheinlicher, dass es heute Abend so weit ist als morgen."
Großer Jubel brandete dann am Petersplatz auf – als es sich eine Möwenfamilie am Schornstein gemütlich machte. In den Tagen des Konklaves ein Running Gag in der Masse. Als dann aber kurz danach der weiße Rauch tatsächlich kam – am Donnerstag um 18:08 Uhr – waren die Menschen doch fast schon mehr überrumpelt als alles andere. Jetzt haben wir einen neuen Papst. Nur wen? Auf die Antwort mussten wir noch mal eine Stunde warten, während innerhalb von Minuten die Glocken des Petersdoms läuteten, die Schweizergarde und eine Blaskapelle aufmarschierte. Hätte man nicht Abertausende von Handys in der Luft gesehen, hätte die Szene haargenau aus dem 19. Jahrhundert stammen können.
Dass am Ende der US-Amerikaner Robert Prevost zum neuen Papst wird, hätte ich auch nicht für wahrscheinlich gehalten, aus zwei Gründen: Ich hielt es für ausgeschlossen, dass es ein Kurienmitarbeiter wird, genauso dass es ein US-Amerikaner wird. Als ich am Tag nach der Wahl einer Kollegin von Radio Vatikan auf dem Petersplatz begegnete, wunderten wir uns beide, dass wir nicht an diese Option gedacht haben. Im Nachhinein ergibt das auf allen Ebenen sehr viel Sinn.
Bei seinen ersten Auftritten macht der neue Papst einen guten Eindruck. Offen, locker, wenn auch noch ein wenig unsicher. Im Moment ist der Hype in den Medien groß, die Frage ist, wie lang das anhalten wird.
Seine erste Audienz hielt Leo XIV. am Montagmittag vor rund 3.000 Journalisten. Ein netter Dank für die, die sich die letzten Wochen so intensiv mit der Wahl befasst haben und wahrscheinlich genauso schlecht geschlafen haben, wie die Kardinäle im Gästehaus Santa Marta. Großer Jubel brandet auf, als Papst Leo die Audienzhalle betritt. Seine ersten Worte spricht er auf Englisch: "Jubel am Anfang ist einfach, warten wir mal ab, ob Sie noch wach sind, wenn ich mit meiner Rede durch bin."
Als der neue Papst durch die Reihen geht, wird allerdings schlagartig klar, worauf sich dieser Mann nun für den Rest seines Lebens einstellen muss: hunderte Hände greifen nach ihm, Menschen versuchen übereinander zu klettern, dutzende Handys werden in die Luft gereckt. Es macht durchaus Sinn, dass man vom Raum, in dem der neue Papst seine Gewänder anlegt, als "Kammer der Tränen" spricht. Von einem normalen Leben, entspannten Begegnungen oder einem spontanen Restaurantbesuch kann sich Robert Prevost nun für immer verabschieden.
Und das, obwohl er angeblich eine Stammpizzeria außerhalb der Vatikanmauern hat. Dahin führt mich mein allerletzter Weg nach knapp drei Wochen Rom. Stimmt es, dass hier der Papst immer hinging? "Oh ja" sagt der Kellner stolz, am Tag vor dem Konklave sei er das letzte Mal hier gewesen. Und was war seine Lieblingspizza? Nervöses Schweigen. "Darüber darf ich nicht reden."