Die Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg war geprägt vom Aufbruch und der Hoffnung für die Menschen in Amerika und Europa. Die Wirtschaftskraft nahm zu, Menschen arbeiteten hart und versuchten, ein gutes Leben für sich und ihre Familien aufzubauen. Die Geburtenrate stieg in den 1950er- und 1960er-Jahren auf ein Allzeithoch – ein Babyboom. Danach benannte man eine ganze Generation: die Boomer.
Mit der Wahl von Papst Leo XIV. – geboren 1955 – besteigt nun erstmals ein Babyboomer den Stuhle Petri. Robert Prevost ist knapp 20 Jahre jünger als sein Vorgänger Jorge Mario Bergoglio. Von Franziskus wissen wir, dass er auf E-Mails gerne handschriftlich geantwortet hat. Kardinal Prevost hatte bis vor Kurzem einen aktiven Twitter-Account. Genau wie Politiker sich vor einem Amtsantritt Gedanken über ihren digitalen Fußabdruck machen müssen, so wird dieses Thema auch für Leo und die Päpste nach ihm eine große Rolle spielen.
Kritik an Trump und Vance
Über die sozialen Medien hat sich Kardinal Prevost zum Beispiel mehrmals deutlich kritisch gegenüber der US-Regierung unter Donald Trump geäußert. In diesem Fall kam das gut an, aber es widerspricht seiner neuen Rolle als Papst, der sich aus der Tagespolitik heraushalten sollte.
Wurde bei Franziskus sein Verhalten als Jesuit während der argentinischen Militärdiktatur hinterfragt, so öffnet Leos digitaler Fußabdruck einen ungeschönten Einblick in die Vergangenheit des neuen Kirchenoberhauptes. Mit dem Moment der Papstwahl hat er zwar einen neuen Namen erhalten, seine Vergangenheit als Robert Prevost ist aber keinesfalls ausgelöscht – mit allen Stolperfallen, die das noch mit sich bringen kann.
Ein Selfie mit dem Papst
Gleichzeitig steht ein Boomer-Papst aber auch für einen unkomplizierteren Umgang mit Menschen als die Generationen zuvor. Franziskus ging gerne auf Menschen zu; das hatte aber sicher mehr mit dem Naturell des Argentiniers zu tun als mit seinem Geburtsjahrgang 1936.
Ähnlich wie sein Vorgänger machte Leo XIV. noch am Tag seiner Wahl Schlagzeilen: Er verließ noch am Abend den Vatikan, um seine alte Wohnung zu besuchen - und machte direkt Selfies mit den Menschen im Innenhof des Gebäudes. Schien so etwas bei Franziskus noch wie eine Revolution, ist das beim ersten Boomer-Papst fast schon eine Selbstverständlichkeit. Es werden nicht die ersten und wahrscheinlich auch nicht die letzten Selfies mit Papst Leo gewesen sein.
Do you speak English?
Ein weiterer Punkt ist gleichzeitig offensichtlich und doch revolutionär: Der Papst spricht Englisch. Als gebürtiger US-Amerikaner aus Chicago ist das selbstverständlich. Damit ist er aber der erste Papst, der fließend die Sprache beherrscht, die zur de facto Verkehrssprache auf allen fünf Kontinenten geworden ist. Franziskus und Benedikt taten sich sichtlich schwer mit dem Englischen, weil es in ihren Generationen einfach noch nicht selbstverständlich war, diese Fremdsprache zu beherrschen. Für viele Boomer ist das anders. Auch ein nicht-anglophoner Papst hätte mit großer Wahrscheinlichkeit gut Englisch gesprochen. Wenn über 1,3 Milliarden Menschen die Muttersprache des neuen Papstes beherrschen, eröffnet das ganz neue Möglichkeiten, Menschen direkt und ungefiltert anzusprechen.
Mit Leo XIV. bricht eine neue Ära für die katholische Kirche an. Genau wie die Wahl aller seiner Vorgänger macht uns das deutlich, dass die Zeiten sich ändern. Die Frage wird nun sein, wie der Papst und der Heilige Stuhl mit diesen neuen Gegebenheiten umgehen – im Positiven wie im Negativen.