DOMRADIO.DE: Ihr Mitbruder "Bob" ist neuer Papst. Schildern Sie nochmal den Moment als Sie das "habemus papam" gehört haben?
Bruder Lukas Schmidkunz (Provinzial der Bayerisch-Deutschen Provinz der Augustiner): Wir saßen mit einigen Mitbrüdern des Konventes vor dem Fernseher und haben darauf gewartet, dass die Tür der Loggia aufgeht. Wir haben dann den Namen desjenigen gehört, der Papst geworden ist: Robert Kardinal Prevost. Da waren wir einfach erstaunt und überrascht.
Dass einem, der zu unserem Orden gehört und der den Orden auch mal geleitet hat, jetzt dieses Amt übertragen wird, war einfach unglaublich. Es war sehr seltsam zu sehen, dass der, den wir eigentlich im schwarzen Habit kennen, dort auf der Loggia im weißen Papstgewand stand. Diesen Mann kennen wir zwar, aber es war ein fast fremdelnder Eindruck bei mir vorhanden. Da muss ich mich erst dran gewöhnen.
DOMRADIO.DE: Robert Francis Prevost war von 2001 bis 2013 Generalprior und damit der weltweite Chef der Augustiner. In dieser Zeit haben Sie ihn kennengelernt. Er war auch in Würzburg. Was ist er für ein Mann?
Bruder Lukas: Ich habe ihn bei seinen Besuchen in Deutschland kennengelernt. Er hat uns im Rahmen der Besuche, die ein Generalprior halt so immer wieder in den einzelnen Provinzen und Vikariaten durchführt, besucht. Er hat auch unsere Provinzkapitel mitbegleitet und mitgeleitet. Da haben wir haben wir ihn kennenlernen dürfen.
Ich kann mich sehr deutlich an seinen Besuch in Germershausen im Bistum Hildesheim erinnern. Damals war ich Leiter einer Familienbildungsstätte und habe ihn durch die Räumlichkeiten geführt. Ich habe ihn als einen aufmerksamen und zugänglichen Menschen erlebt. Er hat zugehört. Er hat geschaut. Er hat sich erzählen lassen. Er war wirklich interessiert an dem, was wir tun.
DOMRADIO.DE: Er hat sich den Namen Leo XIV. gegeben. Wie und wo wird sich der neue Papst einbringen?
Bruder Lukas: Ich verbinde diesen Namen sofort mit Leo XIII., der ja auch ein sehr vermittelnder Papst war. Als es um die soziale Frage ging - darum also, die Arbeiterschaft nicht ganz zu verlieren, suchte dieser Papst Wege, um wieder zusammenzubringen, was schon auf dem Weg war, sich zu spalten und zu trennen.
Ich glaube, dass Leo XIV. diesen Namen gewählt hat, weil er auch zusammenführen will, was eher auseinanderdriftet. Weil er Wege suchen und finden will, dass das, was auseinanderläuft, möglichst wieder zusammenlaufen kann.
DOMRADIO.DE: Viele Menschen verbinden mit dem neuen Papst eine Modernisierung der Kirche, Reformen bei der Rolle der Frau in der Kirche. Was erwarten Sie von Papst Leo XIV.? Wird er große Reformen anstoßen und umsetzen?
Bruder Lukas: Das wage ich nicht zu sagen, weil ich sein Denken zu wenig kenne. Ich glaube schon, dass er das, was Franziskus begonnen hat, weiterführen wird. Davon bin ich schon überzeugt.
Aber ich weiß auch, dass Papst Leo XIV. ein Kirchenrechtler ist. Er wäre kaum von den Kardinälen gewählt worden, wenn er schon vor der Wahl radikale Reformen in der Frage des Priesteramts oder des Diakonenamts für Frauen angekündet hätte.
DOMRADIO.DE: Der neue Papst ist weltweit gefordert. Überall setzt man auf ihn. Wie kann er dieser Aufgabe gerechtet werden? Jeder Kontinent, jedes Land ist anders, die Herausforderungen überall groß und verschieden.
Bruder Lukas: Er hat als unser Generalprior weltweit Erfahrung gesammelt. Wir sind ein global agierender und missionierender Orden. Aus dieser Zeit kennt er die verschiedenen Kirchen und ihre Sorgen. Und die sind eben in Asien ganz anders als in Afrika, in Südamerika anders als Europa. Und Europa ist nicht unbedingt als Einheit zu sehen.
Ich glaube, dass er diese Unterschiede kennt und dass er gelernt hat, dass nicht alles über einen Kamm geschert werden muss. Ich bin der Überzeugung, dass er einer ist, der Unterschiede akzeptiert.
DOMRADIO.DE: Werden Sie den neuen Papst irgendwann mal treffen? So wie damals ihren Bob in Würzburg?
Bruder Lukas: Kaum. Wir haben dieses Jahr allerdings Generalkapitel in Rom. Traditionellerweise gehört zu diesem Generalkapitel auch eine private Audienz beim Papst. Da werden wir unseren Mitbruder in seinem neuen Amt wiedersehen und ihm die Hand schütteln können.
Der normale brüderliche Umgang mit ihm ist durch diese Wahl schwieriger geworden. Ich weiß nicht, wie sehr er die brüderliche Gemeinschaft vermisst. Dieses Amt fordert schon viel von einem, der es ein Leben lang gewohnt war, in einer Gemeinschaft zu leben. Er wird nicht mehr Menschen um sich herum haben, die dieses Leben teilen.
Das Interview führte Carsten Döpp.