Augustiner sieht Kontinuität von Leo zu Franziskus bei sozialen Themen

"Ein begeisterter Autofahrer"

Was hat Leo XIV. geprägt? Bruder Peter Reinl gehört wie der neue Papst zu den Augustinern und ist dem heutigen Kirchenoberhaupt oft begegnet. Reinl glaubt, dass die Erfahrungen des Gemeinschaftslebens auch im Papstamt hilfreich sind.

Autor/in:
Roland Müller
Der neu gewählte Papst Leo XIV. / © Marijan Murat (dpa)
Der neu gewählte Papst Leo XIV. / © Marijan Murat ( dpa )

DOMRADIO.DE: Bruder Peter, Sie sind Mitglied des Augustinerordens und haben ihren Mitbruder Robert Prevost, den heutigen Papst Leo XIV., vor vielen Jahren kennengelernt. Was für ein Mensch ist das neue Kirchenoberhaupt?

Bruder Peter Reinl OSA (Provinz- und Missionsprokurator der Bayerisch-Deutschen Augustinerprovinz): Wir haben uns das erste Mal 2003 beim Provinzkapitel der Deutschen Augustinerprovinz getroffen. Ich habe Robert Prevost damals als sehr nahbar erlebt. Bob ist ein freundlicher Mensch, der keine Berührungsängste hat, sich umarmen lässt und auch selbst Menschen umarmt. Er hat zudem Humor und ist sehr feinsinnig in seiner ganzen Art. Es war ein sehr angenehmer und im besten Sinn mitbrüderlicher Umgang.

Papst Leo XIV. zelebriert die Heilige Messe pro Ecclesia in der Sixtinischen Kapelle / © Vatican Media/Romano Siciliani (KNA)
Papst Leo XIV. zelebriert die Heilige Messe pro Ecclesia in der Sixtinischen Kapelle / © Vatican Media/Romano Siciliani ( KNA )

DOMRADIO.DE: Was können wir von Leo XIV. erwarten: Welche Aspekte aus dem Pontifikat seines Vorgängers Franziskus wird er weiterführen?

Reinl: Ich glaube, dass er auf die Amtszeit von Franziskus schauen und deren Schwerpunkte herausnehmen wird. Leo wird sich überlegen, wo bei den drängenden Fragen seine Interessen und Kompetenzen liegen. Franziskus und Leo sind meiner Wahrnehmung nach besonders bei den Themen Frieden und soziale Gerechtigkeit im Einklang. 

Dass der neue Papst in seiner ersten Ansprache am Donnerstag die Bewahrung der Schöpfung nicht erwähnt hat, bedeutet sicher nicht, dass er diesen Punkt für nebensächlich hält. Der ausgewählte Name, Leo XIV., deutet darauf hin, dass er sich besonders der sozialen Gerechtigkeit widmen wird. Das wird er anpacken und sich dabei nicht von irgendwelchen politischen Strömungen vereinnahmen lassen. 

Bruder Peter Reinl

"Ich war sehr überrascht über diesen Namen, glaube aber, dass sich Leo dabei etwas gedacht hat."

DOMRADIO.DE: Meinen Sie, er hat sich nach dem Arbeiterpapst Leo XIII. benannt?

Reinl: Durch den Wunsch nach Frieden und sozialer Gerechtigkeit, den er in seiner kurzen Ansprache am Donnerstag ausgedrückt hat, wollte er sicherlich an den Papst anknüpfen, der für die Sozialenzyklika "Rerum Novarum" bekannt geworden ist. Leo XIII. hat darin soziale Missstände beim Namen genannt. Ich war sehr überrascht über diesen Namen, glaube aber, dass sich Leo dabei etwas gedacht hat.

DOMRADIO.DE: Was erwarten Sie sich von Leo XIV. mit Blick auf eine Öffnung der Kirche hin zu queeren Menschen und Paaren, die unverheiratet oder wiederverheiratet zusammenleben?

Reinl: Ich wünsche mir eine zunehmende Öffnung in diesem Bereich, wie wir sie schon bei Franziskus gesehen haben. Es muss mehr geschaut werden, wie man eine solche Öffnung durch die biblische, aber auch die lehramtliche Tradition stützen kann. Aber was er davon umsetzen wird, weiß ich nicht. Ich kann den neuen Papst bei diesen Themen überhaupt nicht einschätzen. 

Bruder Peter Reinl

"Wie ich Bob als Person kennengelernt habe, bin ich mir ganz sicher, dass er Menschen aufgrund ihrer sexuellen Orientierung nicht verurteilt."

DOMRADIO.DE: Würden Sie Leo bei diesen Themen eher als liberal oder als konservativ einschätzen?

Reinl: Das kann ich im Augenblick leider nicht richtig sagen. Wir haben bis einschließlich 2013 miteinander zu tun gehabt, das war die Zeit, als Bob noch Generalprior unseres Ordens war. Danach ist er kurz in die Vereinigten Staaten zurückgereist und dann wurde er plötzlich Bischof in Peru. Wir haben uns danach nicht mehr gesehen, sodass ich tatsächlich über die letzten zwölf Jahre nichts über ihn sagen kann. 

Aber: Wie ich Bob als Person kennengelernt habe, bin ich mir ganz sicher, dass er Menschen aufgrund ihrer sexuellen Orientierung nicht verurteilt. Ob er jedoch den Boden in der Kirche bereiten wird, in diesem Punkt die Würde aller Menschen zu unterstreichen, weiß ich wirklich nicht. Aber ich würde es mir wünschen.

Papst Franziskus setzt Kardinal Robert Francis Prevost, Präfekt des Dikasteriums für die Bischöfe und Präsident der Päpstlichen Kommission für Lateinamerika, das Birett auf, während des Konsistoriums am 30. September 2023 auf dem Petersplatz im Vatikan / © Lola Gomez/CNS photo/KNA (KNA)
Papst Franziskus setzt Kardinal Robert Francis Prevost, Präfekt des Dikasteriums für die Bischöfe und Präsident der Päpstlichen Kommission für Lateinamerika, das Birett auf, während des Konsistoriums am 30. September 2023 auf dem Petersplatz im Vatikan / © Lola Gomez/CNS photo/KNA ( KNA )

DOMRADIO.DE: Gibt es eine Anekdote von Robert Prevost oder eine Begebenheit, bei der Sie dabei waren, die Sie erzählen mögen und die ein wenig zeigt, wie unser neuer Papst ist?

Reinl: Sehr nett finde ich folgende Geschichte, die aber auch etwas banal ist: Bob war in Würzburg, ich weiß nicht mehr genau, in welchem Kontext. Wir waren gegen Ende seines Besuchs auf der Dachterrasse unseres Konvents, und er fragte mich, ob ich für seinen Bruder in den USA einen Bierkrug mit Zinndeckel besorgen kann. 

Das habe ich gemacht und er ist strahlend mit dem Bierkrug ins Auto gestiegen. Bob ist – zumindest war er es damals – ein begeisterter Autofahrer. Wenn er nach Deutschland kam, hat er sich immer gefreut, dass er sich einen Mietwagen leihen und damit die Besuche absolvieren kann.

Bruder Peter Reinl

"Im Gemeinschaftsleben geht es sehr stark darum, einen Konsens zu finden, damit es weitergeht."

DOMRADIO.DE: Leo XIV. und Sie sind beide Augustiner. Was macht Ihren Orden aus?

Reinl: Wir Augustiner sind eine Gemeinschaft, die es sich zur wesentlichen Aufgabe gemacht hat, als Brüder zusammenzuleben. Augustinus war einer, der alles dafür getan hat, dass der Einzelne in seiner Würde und seinem Wert gesehen wird. "Ehrt gegenseitig in euch Gott, dessen Tempel ihr geworden seid" – so heißt es in unserer Regel. Deshalb wünscht sich Augustinus in seinem Orden starke Individuen. 

Im Gemeinschaftsleben geht es sehr stark darum, einen Konsens zu finden, damit es weitergeht. Diese Erfahrung aus dem Orden ist sicher etwas, das Leo XIV. in seinem Amt helfen wird. Ich erlebe unsere Gemeinschaft, die deutsche Provinz, als eine offene Gemeinschaft von Brüdern, die unterschiedlich sind und nicht alle die gleichen Ansichten haben. 

Aber wir schaffen es immer wieder, uns zusammenzuraufen und miteinander etwas für das Gottesvolk und das angebrochene Reich Gottes zu tun. Wir versuchen, miteinander Christen zu sein – wie es der neue Papst in seiner Ansprache am Donnerstag noch betont hat. Unsere Aufgabe ist es, Zeugen für das Evangelium zu sein. Das wollen wir in unserem Alltag leben. 

Der Würzburger Dom inmitten der Würzburger Altstadt / © canadastock (shutterstock)
Der Würzburger Dom inmitten der Würzburger Altstadt / © canadastock ( shutterstock )

DOMRADIO.DE: Die Augustiner gehören zu den Mendikanten- oder Bettelorden. Inwiefern spielt das heute in Ihrem Orden noch eine Rolle?

Reinl: Ich gehöre zu unserem Konvent in Würzburg und das Bewusstsein, zu den Mendikantenorden zu gehören, hat stark geprägt, wie wir uns in den vergangenen 15 Jahren seelsorglich aufgestellt haben. Denn die Bettelorden kamen im Mittelalter in die Städte, weil man sie brauchte. 1262/63 kamen wir Augustiner nach Würzburg und haben angefangen, uns um die Menschen zu kümmern, die seelsorglich nicht ausreichend im Blick waren, die durchs Netz gefallen sind. 

Charakteristisch für die Mendikantenorden sind die großen Kirchen – sie wurden auch "Predigthallen" genannt – und eine gute Ausbildung der Seelsorger. Die Brüder haben motivierend gepredigt, es wurde das Sakrament der Versöhnung gespendet und die Arbeit mit den Ausgestoßenen gehörte dazu. Das Mendikantische ist aus meiner Sicht der Schlüssel für die Zukunft: Wir müssen schauen, wozu es uns als Kirche und Orden überhaupt braucht. 

Das haben wir in Würzburg in einem relativ langen Prozess gemacht – und an anderen Orten geschieht das ebenfalls. Denn es ist einfach nicht sinnvoll, in einer Großstadt einfach nur die 15. Werktagsmesse anzubieten.

Robert Francis Prevost (Papst Leo XIV.)

hier geht es zur Themenseite

Robert Francis Prevost gilt als ein Kardinal der Mitte. Obwohl US-Amerikaner ist der Ordensmann in Rom, der Kurie und der Weltkirche zu Hause. Zuletzt leitete der 69-Jährige die Vatikanbehörde für Bischöfe, quasi die Personalabteilung der katholischen Weltkirche. In dieser Funktion war Prevost in den vergangenen zwei Jahren zuständig für einen Großteil der Bischofsernennungen weltweit.

Papst Leo XIV / ©  Andrew Medichini/AP (dpa)
Papst Leo XIV / © Andrew Medichini/AP ( dpa )
Quelle:
DR

Die domradio- und Medienstiftung

Unterstützen Sie lebendigen katholischen Journalismus!

Mit Ihrer Spende können wir christlichen Werten eine Stimme geben, damit sie auch in einer säkulareren Gesellschaft gehört werden können. Neben journalistischen Projekten fördern wir Gottesdienstübertragungen und bauen über unsere Kanäle eine christliche Community auf. Unterstützen Sie DOMRADIO.DE und helfen Sie uns, hochwertigen und lebendigen katholischen Journalismus für alle zugänglich zu machen!

Hier geht es zur Stiftung!