Stadtdechant Kurth kritisiert Maßregelung Pfarrer Ullmanns

"Da gewinnt ein Bischof nicht an Autorität"

Die Maßregelung Pfarrer Ullmanns wegen eines Segnungsgottesdienstes mit homosexuellen Paaren sorgt weiterhin für Kritik. Bruno Kurth sieht einerseits eine eindeutige Haltung Roms in der Lehre, aber dennoch einen pastoralen Spielraum.

Homosexuelles Paar mit Regenbogenfahne / © Serhiy Bondar (shutterstock)
Homosexuelles Paar mit Regenbogenfahne / © Serhiy Bondar ( shutterstock )

DOMRADIO.DE: Was war Ihr erster Eindruck, als Sie von dieser Geschichte in der vergangenen Woche erfahren haben?

Dr. Bruno Kurth, Stadtdechant von Wuppertal / © Eduard Urssu (privat)
Dr. Bruno Kurth, Stadtdechant von Wuppertal / © Eduard Urssu ( privat )

Pfarrer Dr. Bruno Kurth (Wuppertaler Stadtdechant): Der erste Eindruck war eine Überraschung, zumal wenn man liest, dass der Gottesdienst selbst schon länger zurückliegt. Im März hat Pfarrer Ullmann den mit einer Gruppe gefeiert, die auch aus der Gemeinde heraus entstanden ist. Neben der Überraschung liest man das natürlich auch mit einer kollegialen Betroffenheit. Zunächst einmal denkt man an den Pfarrer, dem das so widerfährt.

Pfarrer Ullmann ist ja im Bistum gut bekannt, auch lange in der Seelsorge, in der Priesterausbildung aktiv und engagiert gewesen und eigentlich als ein Seelsorger bekannt, der aber jetzt nicht unbedingt – so erlebe ich das – auf Provokation aus ist. So nehmen das auch viele Pfarrer wahr. Dann offenbart jetzt dieser Vorgang schon weitere Probleme und das Dilemma, in dem wir hier im Bistum Köln sind.

DOMRADIO.DE: Jetzt gab es aus Rom vor gut zwei Jahren eine klare Anweisung, wonach die Segnung von Paaren gleichen Geschlechts verboten ist. Wie geht man damit als Seelsorger um, etwas offiziell Verbotenes zu tun oder gut zu heißen, was aber dennoch von einer großen, breiten Mehrheit in unserer Gesellschaft eingefordert oder gewünscht wird?

Kurth: Als Seelsorger haben Sie ja immer auch die Menschen vor Ort im Blick. Wenn jetzt Menschen kommen und um den Segen bitten oder in einem Segnungsgottesdienst den Segen empfangen möchten, dann ist das ja erst einmal ein Anliegen des Glaubens, was mich dann als Pfarrer anspricht. Natürlich gibt es dann die offizielle Lehre "aus Rom", wie wir gerne sagen. Aber dann möchte ich auch betonen, dass in Rom und im Vatikan mehr Spielraum ist, als wir das wahrhaben.

Nehmen wir einmal das Beispiel der belgischen Bischöfe. Die haben einmütig – und das unterscheidet sie natürlich jetzt von den deutschen Bischöfen – gesagt, dass sie da neue Wege finden wollen, bis hin zu Segnungsgottesdiensten. Sie haben das mit dem Papst besprochen, wie das Bischof Bonny bei der Synodalen Versammlung in Frankfurt sehr schön dargestellt hat. Und der Papst hat das zurück in ihre Entscheidung und pastorale Verantwortung gegeben.

Pfarrer Dr. Bruno Kurth, Wuppertaler Stadtdechant

"Der Blick auf Rom und Papst Franziskus zeigen also, dass wir viel mehr Spielraum in der Pastoral haben. Den sollten wir um der Menschen und der Barmherzigkeit Gottes Willen weitherzig und mutig nutzen."

Der Blick auf Rom und Papst Franziskus zeigen also, dass wir viel mehr Spielraum in der Pastoral haben. Den sollten wir um der Menschen und der Barmherzigkeit Gottes Willen weitherzig und mutig nutzen. Das rein disziplinarische Vorgehen von Bischof und Generalvikar lässt dies schmerzlich vermissen.

Theologe: Bibel verurteilt Homosexualität nicht

Nach Ansicht des Bonner Professors für die Exegese des Alten Testamtens, Ulrich Berges, verbietet die Bibel Homosexualität nicht. Das gelte auch für Levitikus 18, 22, sagte Berges im Gespräch mit DOMRADIO.DE.

"Der Text Levitikus ist ungefähr 500 Jahre vor Christus geschrieben worden. Er bezieht sich immer auf einen Analverkehr zwischen Männern, wobei der Analverkehr immer ein Akt der Demütigung ist. Das ist also überhaupt nicht zu vergleichen mit einer freien, zwischen gleichen Partnern geschlossenen oder versprochenen Lebensbeziehung", so Berges.

Homosexuelles Paar / © LikClick (shutterstock)

Papst Franziskus hat zur Ernennung des neuen Präfekten des Dikasteriums für die Glaubenslehre, Erzbischof Fernandez, einen Brief geschrieben. Darin wünscht er ein Denken, das versteht, in überzeugender Weise einen Gott darzustellen, "der liebt, der vergibt, der rettet, der befreit, der die Menschen fördert und sie zum brüderlichen Dienst ruft".

Das ist doch für jeden Seelsorger und für die Menschen in der Kirche, die das wahrnehmen, auch eine Ermutigung, sich auch zu öffnen und zu versuchen, im pastoralen Handeln auch etwas von der Barmherzigkeit Gottes darzustellen und dann natürlich in diesem Dilemma, in der Spannung, in der wir sind, Spielräume auszuloten und wahrzunehmen.

DOMRADIO.DE: Dieses Verbot aus dem Vatikan ist allerdings mit eindeutiger Billigung von Papst Franziskus herausgegeben worden. So ganz eindeutig scheinen die Signale aus Rom nicht zu sein. Sorgt so etwas nicht für Unsicherheit in der Seelsorge selbst, aber auch in den Bistümern und bei den Bischöfen, wie sie nun mit solchen Fällen umgehen sollen? Köln reagiert da offensichtlich anders als Essen oder Münster, wobei wir nicht wissen, ob es da in jüngster Zeit auch Interventionen aus Rom gegeben hat.

Kurth: Das wissen wir nicht. Dann ist ja auch die Frage, wie ein Bischof mit einer solchen Anweisung umgeht, die aus Rom kommt. Nutzt er sie, um sie disziplinarisch weiterzureichen und dann den einzelnen Pfarrer, wie jetzt den Mitbruder Ullmann, zu sanktionieren oder sagt ein Bischof einfach in seiner pastoralen Klugheit "Das nehmen wir jetzt mal zur Kenntnis"? Aber es geschieht daraus nichts weiter.

In den Bistümern Essen und Münster stellt sich die Situation für die Gläubigen und für die Pfarrer anders dar. Bischof Genn, der auch Mitglied des Dikasteriums für die Bischöfe ist, sagt ebenfalls in dieser Situation, dass er da nicht interveniert, wenn ein Pfarrer das vor Ort aus seinem pastoralen Gewissen heraus tut. Nach meiner Kenntnis hat das Pfarrer Ullmann im Gespräch mit den Gläubigen in der Gemeinde getan. Auch da wird man nicht Eindeutigkeit oder Einstimmigkeit herstellen.

Pfarrer Dr. Bruno Kurth, Wuppertaler Stadtdechant

"Die Weiterentwicklung der kirchlichen Lehre, wie wir mit unterschiedlichen geschlechtlichen Identitäten mit dem Wunsch nach einem Segnungsgottesdienst umgehen, die braucht länger. Das macht der Papst auch nicht einfach mal in einer Äußerung."

Aber wenn das der Fall ist, dass ein solcher Pfarrer nicht sanktioniert wird, das halte ich für die Situation, in der wir jetzt sind, für pastoral klug und für notwendig. Wir müssen doch jetzt aufpassen, dass unser Denken und Handeln aus dem Glauben nicht enger und hartherziger wird, sondern dass wir wirklich auf die Bedürfnisse der Gläubigen schauen. Da sind Menschen, die noch Beheimatung im Glauben und auch in der Kirche suchen. Wir erleben als Pfarrer ja auch, dass das bei vielen jetzt im Moment auseinandergeht und die das nicht mehr zusammenbekommen können. Da müssen wir unser Herz öffnen und denen entgegenkommen.

Die Weiterentwicklung der kirchlichen Lehre, wie wir mit unterschiedlichen geschlechtlichen Identitäten mit dem Wunsch nach einem Segnungsgottesdienst umgehen, die braucht länger. Das macht der Papst auch nicht einfach mal in einer Äußerung. Aber zumindest nehme ich das alles als eine Ermunterung zu mehr Toleranz und zur Nutzung pastoraler Spielräume wahr.

DOMRADIO.DE: Mit welchen Hoffnungen blicken Sie auf die anstehende Synode im Vatikan? Denken Sie, dass die kirchliche Lehre auch in dieser Thematik vorankommt?

Kurth: Ich hoffe, dass es auch Fortschritte zur Erneuerung der kirchlichen Lehre im Umgang mit geschlechtlichen Identitäten gibt, wobei man über die kirchliche Lehre dann auch gründlich diskutieren muss. Nach meiner Wahrnehmung hat der Papst auch unterschiedliche Stimmen in die Synode hinein geholt.

Pfarrer Dr. Bruno Kurth, Wuppertaler Stadtdechant

"Dass man dann auch neue Wege mit pastoraler Klugheit und Toleranz findet, das ist meine persönliche Hoffnung."

Die erste Hoffnung und Erwartung ist, dass es wirklich offen zur Sprache kommt und dass auch mal klar wird, dass das nicht ein deutsches Sonderproblem von einzelnen Reformorientierten ist, wie das so in manchen Köpfen herumgeistert. Es ist in vielen, vielen Ländern ein Problem. Dass man dann auch neue Wege mit pastoraler Klugheit und Toleranz findet, das ist meine persönliche Hoffnung.

Wenn wir darauf nur mit rein disziplinarischen Maßnahmen und sanktionierend reagieren, was mich jetzt im Bistum Köln wieder einmal enttäuscht, da gewinnt ein Bischof nicht an Autorität, er verliert sie noch mehr. Das ist das Traurige daran.

Das Interview führte Jan Hendrik Stens.

Quelle:
DR