DOMRADIO.DE: Kommt es häufig vor, dass Besucherinnen oder Besucher von Kirchen auf Altäre steigen, sich an Gegenständen vergreifen oder gar ihre Notdurft verrichten – wie jetzt im Petersdom geschehen?
Jan Hendrik Stens (DOMRADIO.DE Theologie-Redaktion): Das passiert leider immer mal wieder. Wenn wir auch Brandstiftungen hinzuzählen, dann sehen wir im Augenblick eine traurige Entwicklung nach oben. Die Brandstiftungen geschehen meist nachts und in den Zeiten, in denen Kirchen geschlossen sind. Das ist auch der Grund, weshalb größere Kirchen, durch die viele Touristen durchlaufen, auch meist gut bewacht sind.
In Köln gibt es dafür die Domschweizer und auch im Petersdom gibt es Sicherheitspersonal, damit so etwas für gewöhnlich gar nicht erst passiert. Aber eine absolute Sicherheit gibt es nicht. Das hat der aktuelle Fall im Petersdom erneut gezeigt.
DOMRADIO.DE: Die Verantwortlichen haben wegen des Vorfalls eine Bußliturgie durchgeführt. Warum ist so etwas notwendig?
Stens: Das Kirchenrecht schreibt so etwas vor, wenn heilige Orte, also Kirchen, aber auch Gräber und andere Orte, die durch Weihung oder Segnung besonders hervorgehoben sind, geschändet werden.
Eine Schändung ist eine "schwer verletzende, mit Ärgernis für die Gläubigen verbundene" Handlung, die nicht mehr erlaubt, dass an diesem Ort ohne weiteres Gottesdienst gefeiert werden kann. Hierfür ist ein Bußritus erforderlich, durch den die Würde des Orts wiederhergestellt wird.
DOMRADIO.DE: Wie sieht denn so eine Bußliturgie oder ein Bußritus aus?
Stens: Das hängt ganz davon ab, in welcher Situation die Schändung geschehen ist und wie schnell der Ort wieder seiner liturgischen Nutzung zugeführt werden soll. Im Petersdom wurde der Bußritus recht zeitnah vollzogen, damit wieder ohne Einschränkungen Liturgie gefeiert werden kann.
Als Zeichen der Buße wird der Altar abgedeckt und alle Zeichen der Freude und Festlichkeit entfernt. Man kann den Gottesdienst mit einer Prozession beginnen, während die Allerheiligenlitanei gesungen wird. Der Altar wird dann im Zuge des Bußritus mit Weihwasser besprengt, beräuchert und neu eingedeckt.
DOMRADIO.DE: Gab es solche Fälle auch schon im Kölner Dom?
Stens: Ja, an einen können sich sicherlich noch viele erinnern. Als am ersten Weihnachtstag 2013 zu Beginn des Pontifikalamtes mit Kardinal Meisner eine junge Frau fast nackt auf den Vierungsaltar gesprungen war, wurde zwar der Gottesdienst nach diesem Zwischenfall fortgesetzt, vor der Gabenbereitung jedoch wurde der Altar entblößt, ein kurzer Bußritus eingefügt und der Altar anschließend wieder neu gedeckt.
Dass man es so gemacht hat, hing sicherlich auch mit der Situation zusammen. Man wollte die vielen Leute, die zusammengekommen waren, um Weihnachten zu feiern, nicht nach Hause schicken.
Kardinal Meisner hatte auch direkt nach dem Zwischenfall sehr professionell reagiert und gesagt, man wolle für die junge Frau beten. Somit wurde die Liturgie fortgesetzt, aber dann noch ein Bußritus eingefügt.