Erzbischof Koch zum Gedenken an Berliner Attentat

Trauer, Mahnung und religiöses Miteinander

An diesem Dienstag jährt sich das Attentat auf dem Berliner Weihnachtsmarkt zum ersten Mal. Zwölf Menschen starben damals, über 70 wurden verletzt. Der Berliner Erzbischof Heiner Koch über Erinnerung und Gedenken an die Terrortat.

Trauer in Berlin / © Markus Nowak (KNA)
Trauer in Berlin / © Markus Nowak ( KNA )

DOMRADIO.DE: Sie werden Dienstagfrüh an einer interreligiösen Andacht für die Hinterbliebenen teilnehmen. Diese Andacht ist nicht öffentlich. Wie werden Sie die gestalten?

Erzbischof Heiner Koch (Erzbischof von Berlin): Es ist ein christlicher Wortgottesdienst, in dem auch Vertreter anderer Religionen zu Wort kommen, so sie es denn wollen. Ich werde ein geistliches Wort sprechen, wie ich es auch vor einem Jahr getan habe. Das Thema wird "Raum geben" lauten. Ich greife dabei das Weihnachtsevangelium auf und bringe da den Gedanken hinein, dass der Attentäter gesagt hat, für euch sei hier kein Raum. Die Frage stellt sich, ob wir uns Raum im Leben geben und ob wir uns Raum für unsere Verletzungen und das, was nicht geheilt ist, geben.

DOMRADIO.DE: Gibt es da auch Raum für persönliche Begegnungen, für seelsorgerische Gespräche?

Koch: Ich bin gebeten worden, nach dem Gottesdienst im Rathaus beim Empfang eine Gesprächsmöglichkeit anzubieten. Dazu stehe ich auch gerne zur Verfügung. Ich weiß, dass dies letztlich auch gut und gerne genutzt wird.

DOMRADIO.DE: Hochrangige Politiker von Bundes- und Landesebene kommen, und der regierende Bürgermeister von Berlin, Michael Müller, wird um 12 Uhr einen Gedenkort vor der Gedächtniskirche einweihen. Was für ein Ort, was für ein Mahnmal, wird das sein?

Koch: Das soll ein Mahnmal sein, das an diesem besonderen Ort an das Geschehen erinnert. Es ist klar, dass es eine Würdigung und den Respekt vor den Opfern ausdrücken soll. Aber es soll sicherlich auch dazu dienen, dass wir nie vergessen, wie viel Terror und Gewalt es hier gegeben hat und es soll uns zu Frieden und Versöhnung ermahnen.

DOMRADIO.DE: Es werden auch erstmals die Namen aller Menschen, die in dieser Nacht gestorben sind, zu sehen sein. Die Opfer kamen aus Deutschland, Israel, Italien, Polen, der Tschechischen Republik und der Ukraine – der Attentäter aus Tunesien. Ist dieser "Fall Breitscheidplatz" eine Gefahr, dass Gräben zwischen den Religionen aufbrechen?

Koch: Da bin ich sehr froh, dass dies in dem ganzen vergangenen Jahr nicht der Fall war. Es war von Anfang an klar, dass die führenden Persönlichkeiten der Religionen sich gegen das Attentat gestellt haben und deutlich ein Zeichen der Versöhnung gesetzt haben. Der Gottesdienst, den wir im vergangenen Jahr am Tag nach dem Attentat gehalten haben, war von allen Religionen mitgestaltet. Er war zwar christlich geprägt, aber ein Vertreter der jüdischen Gemeinde war ebenso dabei wie ein Imam, der dort auch gebetet hat. Es war von Beginn an klar, dass wir uns keinen Keil zwischen unsere Gemeinden und Religionen treiben lassen. Das ist bis heute auch so geblieben. Das war nie ein Thema.

DOMRADIO.DE: Es wird um 19.30 Uhr eine Friedenskundgebung auf dem Platz geben, Kerzen für eine Lichterkette werden verteilt und um 20.02 Uhr, zum Zeitpunkt des Anschlages, werden die Kirchenglocken zwölf Minuten lang läuten - für die zwölf Todesopfer. Mit welchen Gefühlen gehen Sie in diesen morgigen Tag?

Koch: Es ist vor allem ein Tag der Erinnerung für mich. Ich habe damals nichtsahnend vor dem Fernseher gesessen und dann kamen die Einblendungen und Meldungen herein. Ich bin dann auch zum Ort des Attentats gefahren. Die erste Hilfe, die wir leisten konnten, haben unsere katholischen Krankenhäuser übernommen. Wir haben einige gute katholische Krankenhäuser in der Umgebung liegen, die dann auch beansprucht worden sind.

Ich erinnere mich auch noch gut an die spontane und sehr herzliche Gestaltung der Kathedrale am nächsten Mittag, die fast übervoll war. Es waren auch viele Prominente aus Politik und Gesellschaft dabei – und viele Nicht-Christen. Schließlich gab es auch noch den abendlichen Gottesdienst. Es war also alles sehr dicht beieinander.

Ich erinnere mich auch noch an die Besuche bei den Kranken und Angehörigen. Da waren schon bewegende Tage. Wir wussten ja alle, dass so etwas in Berlin passieren konnte, aber irgendwie hat es uns doch völlig überrascht und war unwirklich und ganz, ganz traurig. Es hat die Adventszeit damals enorm geprägt. Ich habe darüber auch in der Christmette gepredigt.

Das Interview führte Uta Vorbrodt.


Erzbischof Heiner Koch  / © Michael Kappeler (dpa)
Erzbischof Heiner Koch / © Michael Kappeler ( dpa )
Quelle:
DR