Deutscher Pfarrer: Für die Christen im Heiligen Land wird er zunehmend zur Belastungsprobe

Zwischen allen Stühlen

Für die Christen im Heiligen Land wird die aktuelle Situation zunehmend zu einer Belastungsprobe, berichtet im domradio-Interview Pfarrer Ludger Bornemann, Leiter des Pilgerhauses "Tabgha" am See Genezareth im Norden Israels.

Pfarrer Ludger Bornemann / © Johannes Schröer (DR)
Pfarrer Ludger Bornemann / © Johannes Schröer ( DR )

domradio: Sie haben den Libanon-Krieg oder "33-Tage-Krieg" von Juli bis August 2006 quasi vor ihrer Tür mitbekommen. Können Sie uns beschreiben, wie sich die palästinensischen Christen im Gazastreifen jetzt fühlen müssen?
Bornemann: Ich kann das nicht entsprechend beschreiben, weil ich vermute, dass es noch mal sehr viel dramatischer ist als das, was wir hier 2006 erlebt haben im Sommer. Die lässt sich vielleicht eher mit der Situation der Israelis vergleichen.
Es ist vor allem die Unberechenbarkeit, die große Angst erzeugt. Denn Flüchten und in Sicherheit kommen - das ist den Menschen in Gaza nicht möglich, weil sie im Grunde eingesperrt sind von allen Seiten und da eine viel dramatischere Situation erleben.

domradio: Zu welcher Partei im Gaza-Krieg tendieren die im Heiligen Land lebenden Christen mehr?
Bornemann: Das ist sehr schwierig zu sagen. Gerade hier oben im Norden befinden sich viele christliche Gemeinden, der größte Teil sind Araber. Und dieser Teil hat sich immer mehr auch an Israel angepasst. Die Menschen profitieren durchaus von Israel. Natürlich haben sie noch die alten Geschichten im Ohr, die von der vergangenen Generation erzählt wurden - die Geschichten von Vertreibung, Landnahme und Ungerechtigkeiten. Und zum Teil erfahren sie noch immer die Ungerechtigkeit durch Israel. Sie erfahren aber auch, dass es ihnen in Israel insgesamt sehr gut geht. Dass sie wirtschaftlich sehr davon profitieren. Sie haben durchaus auch Rechte, zum Beispiel dürfen sie wählen. Das macht es manchmal schwierig. Ich habe im Moment den Eindruck: Es herrscht eine Gelähmtheit, man fühlt sich solidarisch mit den Arabern, die in Gaza leben und die dort bombardiert werden. Da klafft die alte Wunde wieder auf: Israel ist immer der Stärkere und Israel schlägt wieder zu. Und auf der anderen Seite ist man auch der Meinung: Hoffentlich wird es bald wieder Ruhe geben, weil die Hamas auch durchaus gefürchtet ist.


domradio: Die zunehmend heftiger ausgetragenen Konflikte zwischen Israelis und Palästinensern haben seit den 1990er Jahren zu einer verstärkten Abwanderung der in Israel lebenden Christen ins Ausland geführt? Warum sind Sie noch da? Was spricht dafür, dort zu bleiben?
Bornemann: Ein ganz wichtiger Punkt ist die Liebe zum Land. Ich habe hier oben mit jungen Leute zu tun, die in eine christliche Schule der Salvatorianerinnen gehen. Für die ist es oft ein Problem, weil sie sich fragen: Wer sind wir eigentlich hier? Wir sind Araber, sind aber nicht Muslime. Wir sind eine Minderheit in der Minderheit der Araber. Wir sind Israelis, können aber nicht die israelische Hymne mitsingen, wo vom jüdischen Blut die Rede ist. Und wir müssen uns noch mal mehr entscheiden, als Christen auch hier zu sein und zu leben. Ich lebe gerade in Nazareth, dass das ein ganz wichtiger Punkt ist, an dem Ort zu leben, wo die Heilige Familie gelebt hat, wo Maria gelebt hat - die gehören in Nazareth im Grunde immer mit zur Familie. Und das ist deshalb für eine christliche Familie immer ein ganz schwieriger Prozess zu sagen: wir gehen weg. Aber auf Grund der Situation, dass sie sich zwischen allen Stühlen fühlen - also nicht von den jüdischen Israelis nicht wahrgenommen werden als "andere Araber" und von den Muslimen als Araber subsumiert werden - deshalb haben sie oft das Gefühl aufgerieben zu werden.  

domradio: Halten Sie einen Frieden im Heiligen Land auf lange Sicht noch für möglich?
Bornemann: Da ist die Frage, was man unter Frieden versteht. Wenn es schon so wäre, dass man sagen würde: So wie es jetzt ist, ein "Status-quo-Agrement" - dann wäre das schon ein ganz wichtiger Punkt; dass eine Partei aufhören würde, die andere ständig zu bedrohen. Ich glaube, dass diese Generation das vermutlich nicht mehr erleben wird.