Sebastianismus - Melancholie und portugiesische Volksseele

Kathedrale Sé Patriarcal in Lissabon / © RossHelen (shutterstock)
Kathedrale Sé Patriarcal in Lissabon / © RossHelen ( shutterstock )

Es war ein portugiesisches Trauma: Der erst 24-jährige König Sebastiano erleidet 1578 mit einem Kreuzritterheer von 18.000 Mann in Marokko eine verheerende Niederlage und fällt auf dem Schlachtfeld von Alcacer-Quibir. Seine Leiche wird nie gefunden; eine Nachfolgeregelung gibt es nicht. 1580 reißt Spaniens König die Krone der damaligen Weltmacht Portugal an sich - 60 Jahre schmachvoller Zwangsherrschaft durch den Erbfeind beginnen.

Portugals traditioneller Volksglaube verheißt, der junge König werde bald wiederkehren und das Land in eine neue Zukunft führen. Immer wieder tauchten falsche Sebastiane auf, um die Macht zurückzuerobern. Doch der echte kehrte nie zurück. 

Der "Sebastianismus" hat einen ebenso festen Platz in der Volksseele der Portugiesen wie der Musikstil des Fado ("Schicksal"). Auch er steht für das melancholische Zurückblicken auf einstige Größe; für Unglück, enttäuschte Hoffnungen - und für die Sehnsucht nach Erlösung durch einen politischen Messias.

(KNA, 27.07.2020)