Zum 50. Todestag Ernest Hemingways

Jagd nach eigener Legende

Wer den Größen der modernen Literatur nachspürt - oder einfach den prägenden Männergestalten des 20. Jahrhunderts -, kommt um ihn nicht herum: Ernest Hemingway wollte immer mehr sein als nur Schriftsteller. Soldat und Kriegsreporter, Sportler, Großwild- und Frauenjäger, trinkfester Macho mit weicher Ader. An seiner Legende arbeitete er ein Leben lang.

Autor/in:
Christoph Schmidt (
 (DR)

Vor 50 Jahren, am 2. Juli 1961, beendete er es mit einer Schrotflinte. Geboren 1899 in Oak Park, Illinois, als Sohn eines Landarztes, kam Hemingway mit 18 als Lokalreporter zunächst zum Schreiben und dann als Freiwilliger an die italienische Front. Hier fand er, was sein Leben prägen sollte: den Krieg, den Alkohol und die Frauen. Unglücklich verliebte er sich im Lazarett in eine Krankenschwester. Später reichte die Mischung aus Fronterlebnis und Leidenschaft für einen Roman: In "In einem anderen Land" verarbeitete Hemingway dieses frühe Lebenskapitel.



Anfang der 20er Jahre, Hemingway hatte zum ersten Mal geheiratet, schloss er sich der Welle junger Amerikaner an, die der puritanischen Enge der USA entflohen und in Paris ein neues Lebensgefühl suchten. Er begann mit Kurzgeschichten, gefördert von Literaten wie F. Scott Fitzgerald und Gertrude Stein. Sie war es, die den Begriff der "lost generation" prägte, für jene "verlorene Generation", die desillusioniert von den Schlachtfeldern zurückkehrte, keinen Respekt vor der Welt, dafür ständig jede Menge Gin im Blut hatte. Hemingway wurde ihr wichtigster Autor.



"Fiesta" bringt Durchbruch

Der Durchbruch gelang ihm 1927 mit dem Roman "Fiesta", der Beziehungsgeschichte um eine Reisegruppe junger Jazz-Ager, angelegt zwischen Pariser Cafes und spanischem Stierkampf, den Hemingway als Metapher des Lebens verherrlichte. Was die Story so gut machte, war weniger der schlichte Plot, sondern ihre Sprache: knappe, trockene Aussagesätze, so schnörkellos wie ein Scotch am Nachmittag.



Hemingway hatte diese Sprache nicht erfunden, doch der "Eisberg"-Stil, bei der sieben Achtel der Geschichte unter der Oberfläche des Textes bleiben, wurde sein Markenzeichen. Ihm war klar, dass er keine literarische Feinkost lieferte. "Ich habe nicht vor, mit Tolstoi in den Ring zu steigen", bemerkte er einmal. Dafür erreichte seine Prosa eine Prägnanz, der Generationen von Schriftstellern nacheifern sollten.



Den Erfolg im Rücken, blieb Hemingway ein Rastloser. Auch was die Frauen betraf. Mit seiner zweiten Ehefrau lebte er in Florida, mit der dritten zog er Ende der Dreißiger nach Kuba und heiratete dort eine vierte. Zwischen Scheidungen und Affären, Jagdsafaris, Hochseeangeln und Einsätzen als Frontreporter im Spanischen Bürgerkrieg und 1944 in Frankreich entstand der Stoff, aus dem Bestseller sind. Bücher wie "Schnee auf dem Kilimandscharo", "Haben und Nichthaben" oder "Wem die Stunde schlägt" erzählen aus dem Leben eines Mannes, der einiges darauf hielt, dass er aus seiner Schreibmaschine genauso viel herausholen konnte wie aus seinen Fäusten.



Unpolitisches Schreiben

Dieser Autor vermochte auch deshalb zu fesseln, weil er unpolitisch schrieb. Während Ideologien die Welt aus den Angeln hoben, ruhen seine Figuren in schlichtem Gerechtigkeitssinn und melancholischer Lebensfreude. Hemingways einzige Weltanschauung blieben ein gut gemixter Daiquiri und die Überzeugung, dass ein Mann sich irgendwie "treu" bleiben muss.



Dazu zählte für ihn die archaische Bejahung von Kampf um seiner selbst willen, Prahlereien über angeblich 122 getötete deutsche Soldaten inklusive. Für die Erzählung vom Kampf zwischen einem altersmüden Fischer und einem Schwertfisch erhielt er 1954 den Literaturnobelpreis - noch immer gehört "Der alte Mann und das Meer" zu den Büchern, die man in einer Nacht durchliest. Doch war Hemingway längst dabei, den Kampf gegen sich selbst zu verlieren, gegen schwere Depressionen und gegen das Trinken. Im Sommer 1961 gab er ihn auf.



Sein Image und das seiner Bücher blieben. Auch wenn sich "Männlichkeit" heute gemeinhin nicht mehr in Promille bemisst und Gewaltaffinität sogleich die Therapeuten auf den Plan ruft: Hemingway hält sich auf den internationalen Verkaufslisten und bleibt einer der bekanntesten Klassiker der Moderne.