Zentrale Aussendungsfeier zum Friedenslicht von Bethlehem

Pfadfinder unterwegs als Friedenssuchende

In diesem Jahr kommt das Friedenslicht, das für die Verständigung aller Völker steht, zum ersten Mal in seiner Geschichte aus einem Land, in dem Krieg herrscht. Umso mehr ging es im voll besetzten Dom um die Sehnsucht nach Frieden.

Autor/in:
Beatrice Tomasetti
Aussendungsfeier des Friedenslichtes aus Bethlehem im Kölner Dom / © Beatrice Tomasetti (DR)
Aussendungsfeier des Friedenslichtes aus Bethlehem im Kölner Dom / © Beatrice Tomasetti ( DR )

Sherlock Holmes steht vor einem schier unlösbaren Fall. Mit einer übergroßen Lupe bewegt sich Kira in der Rolle des berühmten Meisterdetektivs im Altarraum. Die Jugendliche sucht nach Indizien und Zeugen. Ihr Auftrag besteht darin, dem Frieden auf die Spur zu kommen; das zu finden, was die Menschheitsfamilie zusammenhält und ein Leben in friedlicher Koexistenz der unterschiedlichsten Nationen auf dieser Erde garantiert.

Angesichts der Kriege in der Ukraine und im Nahen Osten ein großes und zugleich emotionales Thema für alle, die sich an diesem Nachmittag im Kölner Dom versammelt haben, um traditionell im Advent die Aussendung des Friedenslichts von Bethlehem zu feiern. 


2.000 Kinder und Jugendliche im Dom

Und das sind geschätzt wenigstens 2000 Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene, die im gesamten Erzbistum als Pfadfinderinnen und Pfadfinder organisiert sind und hier ihre vielen mitgebrachten Kerzen und Laternen am Friedenslicht aus der Geburtskirche Jesu entzünden wollen, um es danach weiter in ihre Seelsorgebereiche, Gemeinden und Pfarreien zu tragen.

Zunächst geben die alttestamentarischen Brüder Abraham und Lot dem fleißigen Spurensucher Holmes Einblick in ihren geschwisterlichen Streit, erklären aber auch, dass sie sich wieder zusammengerauft und eine Lösung für ihren Konflikt gefunden haben. 

Biblische Zeugen

Dann berichtet König Salomon – auch er ein biblischer Zeuge – von der Herausforderung eines Machthabers, weise Entscheidungen zum Wohl seines Volkes treffen zu müssen, und führt als anschauliches Beispiel die Geschichte der zwei Frauen an, die beide behaupten, Mütter ein und desselben Säuglings zu sein, und den Herrscher um sein Urteil bei dieser dramatischen Auseinandersetzung bitten. 

Dieser schlichtet den Streit und betont: Er bete nicht um Geld oder Macht, sondern darum, Gutes von Bösem zu unterscheiden. Wörtlich sagt Pfadfinderin Anne, die den Part Salomos übernommen hat: "Ich bete darum, Entscheidungen treffen zu können, die den Frieden bewahren. So kann ich dann auch im Frieden mit mir selbst sein." 

Komplexes Thema

Und schließlich berichtet noch eine weitere Zeugin – Pfadfinderin Hannah – von einer "inspirierenden Rede auf einem Berg", die ein "toller Typ" namens Jesus gehalten haben soll. Er habe davon gesprochen, dass die selig sind, die trauern, aber auch die, die Frieden stiften, denn sie würden Kinder Gottes genannt werden, formuliert sie. Der Erkenntnisgewinn nach allem Gehörten von Kira – alias Sherlock Holmes – am Ende: "Frieden ist ein wirklich komplexes Thema." 

Auseinandersetzung mit Friedensthema

Pastoralreferent Hubert Schneider, Mitglied der AG Spiritualität und Stammeskurat des DPSG Stamms Philipp Neri in Köln-Lövenich/Weiden/Widdersdorf sowie Leiter der Jungpfadfinder-Stufe, greift in seiner Katechese den Kerngedanken der Suche nach Frieden auf und berichtet davon, dass vor allem auch in Vorbereitung auf diese liturgische Feier eine Auseinandersetzung in den vielen Pfadfinder-Gruppen mit diesem Thema stattgefunden habe. 

Er unterstreicht, dass jeder selbst dazu aufgerufen sei, zu einem Zeugen des Friedens zu werden. Schließlich weiß er als langjähriger Pfadfinder und zuletzt auch als Diözesankurat der DPSG, dass selbst schon die Jüngsten verstehen, wozu Zank und Streit im Kleinen führen kann, wenn sie mit ihren Leiterinnen und Leitern über die aktuellen Kriege sprechen.

Hubert Schneider

"Wenn wir Frieden suchen, müssen wir lernen, auf unser Herz zu hören und seinen tiefsten Regungen zu folgen."

Schneider, der den Wortgottesdienst gemeinsam mit seinem evangelischen Kollegen Oliver Mahn vom Verein der christlichen Pfadfinderinnen und Pfadfindern (VCP) leitet, greift außerdem die Bitte von König Salomon auf, Gott möge ihm ein hörendes Herz schenken. 

Frieden hat unterschiedliche Gesichter 

Der Theologe wendet sich an seine vielen Zuhörerinnen und Zuhörer, die zum Teil vor den Kirchenbänken auf dem Boden hocken, vor sich die typischen Friedenslicht-Laternen. Er gibt ihnen mit auf den Weg, dass es verschiedene Wege zum Frieden geben und Frieden unterschiedliche Gesichter haben könne.

"Wenn wir Frieden suchen, müssen wir lernen, auf unser Herz zu hören und seinen tiefsten Regungen zu folgen. Das können wir Menschen nicht ohne weiteres", sagt der Theologe wörtlich. "Im Hören auf Jesus Christus und im Gespräch in der vertrauten Gruppe lernen wir aber, unseren inneren Haltungen Raum zu geben und die Stimme unseres Herzens zu hören."  

Von Bethlehem in die Heimatländer

Der Höhepunkt des Gottesdienstes, in dem Diözesanjugendseelsorger Tobias Schwaderlapp das "Gebet der Vereinten Nationen" spricht – auch um die Internationalität des gemeinsamen Anliegens einer Suche nach einem friedlichen Miteinander zu betonen – und den ein eigens zusammengestellter Projektchor mit Instrumentalunterstützung unter der Leitung von Pascal Schockert musikalisch gestaltet, ist der Moment, in dem Noah Thiemann, Raphael Bartz und Fernanda Hoeckle das Friedenslicht in den Altarraum tragen. 

Sie entzünden mit dem in einer kleinen Laterne aus dem österreichischen Linz mitgebrachten Licht die für alle sichtbare große Flamme in einer Metallröhre. 

Sorge um die Flamme 

Denn erst einen Tag zuvor ist diese Gruppe vom Stamm Edith Stein aus Köln-Sülz vom großen Delegationstreffen heimgekehrt, an dem diesmal Jugendliche aus 23 Nationen teilgenommen haben – darunter in der Summe 120 aus allen deutschen Diözesen – um das Friedenslicht von Bethlehem in ihre Heimatländer zu bringen, dabei auf den Blechbehälter während der Fahrt sorgsam achtgeben mussten. Denn unterwegs erlöschen sollte die kleine Flamme nicht.

Die drei hatten sich auf Initiative von Raphael im Vorfeld darum beworben, diesen wichtigen Dienst stellvertretend für alle Pfadfindergruppen des Erzbistums zu übernehmen. Für den 13-Jährigen geht damit ein Traum in Erfüllung. 

Traum erfüllt

"Schon als Baby haben mich meine Eltern, die selbst jeweils einen Pfadfinderstamm gegründet haben, mit in den Dom zur alljährlichen Aussendungsfeier mitgenommen. Damit bin ich groß geworden. Daher wollte ich auch selbst einmal das Friedenslicht in Österreich abholen." 

Noah Thiemann

"Pfadfinder untereinander – auch in anderen Ländern – haben immer sofort einen Draht zueinander. Da ist sich niemand fremd; man versteht sich einfach auf Anhieb."

Wie die vielen, vielen anderen Jugendlichen im Dom auch begeistert ihn die Grundidee des Pfadfinderwesens. Die Fahrten und Lager, das Zelten in der Natur, der Gedanke von Gemeinschaft und gegenseitiger Unterstützung – das alles macht ihm großen Spaß.

Einmal Pfadfinder – immer Pfadfinder

Und meist motiviert das zu einem manchmal jahrzehntelangen Engagement: vom Wölfling bis zum Vorstand. Einmal Pfadfinder – immer Pfadfinder. Dass das eine Bewegung mit Strahlkraft ist, die voller Lebendigkeit ist und junge Leute zusammenführt, zeigt sich an diesem Nachmittag zweifelsohne in Kölns Kathedrale. 

So argumentiert Noah, der als Erwachsener Raphael und Fernanda nach Österreich begleitet hat und dem Vorstand der Sülzer Pfadfinder angehört: "Pfadfinder untereinander – auch in anderen Ländern – haben immer sofort einen Draht zueinander. Da ist sich niemand fremd; man versteht sich einfach auf Anhieb."

Ungebrochene Symbolkraft

Seit 30 Jahren sei das Friedenslicht von ungebrochener Symbolkraft, resümiert der 24-jährige Student. "In diesem Jahr ist es noch wichtiger denn je." Denn zum ersten Mal komme es aus einem Land, in dem selbst Krieg herrsche.

Das habe es in der Geschichte des Friedenslichtes, die 1993 begonnen hat, noch nie gegeben. Und was natürlich auch die Vorbereitungen erschwert habe, zumal lange unklar gewesen sei, ob es überhaupt den Weg aus Bethlehem heraus finden könne, so Noah. 

Viele entzündete Friedenslichter

Traditionell entzündet ein Kind das Licht in der Geburtsgrotte Jesu. In diesem Jahr musste die Flamme dann einen Umweg über Jordanien nehmen. Und auch der Bahnstreik sei eine Hürde gewesen. Nicht ohne Stolz findet der junge Mann aus Sülz daher: "Am Ende haben wir es hinbekommen – allen Widerständen zum Trotz. Letztlich funktioniert ein solcher Gottesdienst wie heute hier im Dom doch nur, weil wir uns alle für dieses Licht stark gemacht haben." 

Unterwegs als Friedenssucher – das ist ein selbst gewählter Auftrag, aber auch ein Selbstverständnis, das die Kölner Pfadis mit Zigtausenden, vielleicht Hundertausenden weltweit teilen. Und dass es heller wird, je mehr Friedenslichter brennen – das zeigten schließlich die vielen in den einzelnen Bankreihen entzündeten Friedenslichter, die sich gegen Ende der Feier wie ein einziges großes Lichtermeer im Kölner Dom ausbreiteten.

Das Friedenslicht aus Bethlehem

Im Jahr 1986 entstand im oberösterreichischen Landesstudio des Österreichischen Rundfunks (ORF) die Idee, die mittlerweile eine Lichtspur durch ganz Europa gezogen hat: Ein Licht aus Betlehem soll als Botschafter des Friedens durch die Länder reisen und die Geburt Jesu verkünden.

Friedenslicht aus Bethlehem im Deutschen Bundestag / © Bernd von Jutrczenka (dpa)
Friedenslicht aus Bethlehem im Deutschen Bundestag / © Bernd von Jutrczenka ( dpa )
Quelle:
DR