Zahl der Erdbeben-Toten in Italien steigt

Papst schickt vatikanische Feuerwehr zur Hilfe

Papst Franziskus hat als Zeichen seiner Solidarität mit den Erdbebenopfern eine Truppe vatikanischer Feuerwehrleute nach Mittelitalien entsandt. Die Suche nach Verschütteten geht derweil weiter. Doch die Zahl der Opfer steigt und steigt.

Beschädigter Marienaltar in Amatrice (KNA)
Beschädigter Marienaltar in Amatrice / ( KNA )

Aus dem Vatikan beteiligen sich sechs Männer in Zusammenarbeit mit dem italienischen Zivilschutz an der Suche nach Opfern und an der Versorgung Überlebender, informierte der vatikanische Pressesaal. Die Feuerwehrleute hätten sich am Mittwoch auf den Weg nach Amatrice gemacht.

Der Vatikanstaat unterhält eine 35-köpfige Feuerwehr. Ein Einsatz außerhalb des päpstlichen Staates und der zugehörigen Gebiete ist außerordentlich selten und erst einmal vorgekommen: 2009 schickte Papst Benedikt XVI. bereits zum Erdbeben nach L´Aquila in den Abbruzzen eine Abordnung seiner Feuerwehrleute als Zeichen seiner Nähe zu den Opfern und ihren Angehörigen. 

Zahl der Erdbeben-Toten steigt auf mindestens 247

Die Zahl der Toten nach dem Erdbeben ist unterdessen über Nacht weiter gestiegen. Der Zivilschutz geht in einer vorläufigen Bilanz mittlerweile von 247 Toten aus. Bisher stand die Zahl bei 159. Jedoch wird von mehr Opfern ausgegangen. "In Amatrice sind wir bereits bei 200 Toten", sagte der Bürgermeister der kleinen Stadt, die es besonders schlimm getroffen hat. In der Nacht seien weitere Leichen aus den Trümmern geborgen worden.

Das Erdbeben der Stärke von mehr als 6 hatte in der Nacht zu Mittwoch mehrere Orte in Mittelitalien dem Erdboden gleichgemacht. Auch am Donnerstag gab es noch Dutzende Nachbeben. Die Einsatzkräfte hatten in der Nacht mit Spürhunden und Taschenlampen weiter nach Lebenszeichen verschütteter Opfer gesucht. Sie fanden Dutzende Tote.

Die Folgen des Bebens sind damit inzwischen genauso verheerend wie 2009. Damals kamen in und um L´Aquila mehr als 300 Menschen ums Leben. Die Hoffnung war, das neue Beben werde nicht das gleiche Ausmaß annehmen würde. Jedoch hatte schon Regierungschef Matteo Renzi bei einem Besuch in den zerstörten Dörfern angedeutet, dass es mehr Tote geben werde. Hunderte sind verletzt. Wie viele Menschen noch verschüttet sind, ist unklar. Tausende sind obdachlos, nachdem ihre Häuser eingestürzt sind. In Notzelten verbrachten viele die Nacht.

Besonders betroffen waren die kleineren Orte Amatrice und Accumoli in Latium und Pescara del Tronto in den Marken. So wurden dem Zivilschutz zufolge bisher 190 Tote in Latium gezählt und 57 in den Marken - gemäß den neueren Angaben des Bürgermeisters von Amatrice dürfte die Gesamtzahl also noch deutlich höher liegen. In der Region waren viele alte und historische Bauten wie Kartenhäuser eingestürzt.

Für Donnerstag ist ein Treffen des Ministerrats in Rom geplant, um das weitere Vorgehen zu beraten. In der Region soll der Notstand ausgerufen werden. Italien ist hoch erdbebengefährdet, weil unter dem Apennin die afrikanische und die eurasische Platte aufeinanderstoßen. Immer wieder gibt es schwere Erdbeben mit vielen Toten.

Amatrice richtet sich auf langen Notstand ein

Für hunderte Menschen im mittelitalienischen Amatrice ist es die erste von vielen obdachlosen Nächten. Das verheerende Erdbeben kam um drei Uhr morgens, weshalb manche Überlebende nun in Schlafanzügen und Hausschuhen herumlaufen.

Sie können keine Sachen aus ihren zerstörten oder einsturzgefährdeten Häusern holen, und sie sind nicht darauf vorbereitet, Nächte bei weniger als zehn Grad draußen zu verbringen.

Das Beben hat die Gemeinde kurz vor einem beliebten Pasta-Festival getroffen. Bürgermeister Sergio Pirozzi schätzt, dass bis zu 40 000 Menschen im 2600-Einwohner-Ort Amatrice und den fast 70 umliegenden Dörfer waren. Die meisten von ihnen waren Ferienhaus-Besitzer und Touristen, die zurück in ihre Heimat geflohen sind. Für rund 1000 permanente Bewohner gibt es aber nur noch Notunterkünfte.

Italiens Zivilschutzbehörde hat auf dem Fußballplatz von Amatrice Zelte aufgestellt. Die Sporthalle nebenan ist mit hunderten von Campingliegen gefüllt. Weitere Zelte stehen auf einem nahegelegenen Spielplatz. Eine Gruppe von Mittzwanzigern erzählt, dass sie lieber in Autos übernachten, um bei weiteren Beben schneller entkommen zu können. Mehr als 250 Nachbeben hat es schon gegeben.

Premierminister Matteo Renzi besucht Erdbebenregion

"Wir müssen uns auf eine lange Zeit des Notstands einstellen", sagt Premierminister Matteo Renzi bei einem kurzen Besuch. "Wir müssen alle der Herausforderung gewachsen sein."

Der 71-jährige Bauer Roberto Alimenti erzählt, es sei ein Wunder, dass seine Tochter und zwei Enkelinnen es unbeschadet aus ihrem völlig zerstörten Haus geschafft hätten. Sie kämen nun bei Verwandten in Rom unter. Er und seine Frau hätten sich entschieden zu bleiben.

"Wohin soll ich gehen? Ich muss mich um meine Hunde und Hühner kümmern", sagt Alimenti. "Außerdem haben alle unser Dorf verlassen, und ich will darauf aufpassen. Wenn Häuser unbeaufsichtigt sind, kann es passieren, dass geplündert wird." Andere Menschen haben traurigere Gründe, zu bleiben. Auf der Piazza Sanotti harren mindestens drei Familien aus, die auf Neuigkeiten über ihre Angehörigen warten. Eine Frau sagt ihrem Mann weinend: "Mutter ist weg."

Zwei Gebäude an dem Platz sind eingestürzt, und Feuerwehrleute durchsuchen sie stundenlang in der vagen Hoffnung, Überlebende zu finden. Von Parkbänken aus sehen ihnen Überlebende dabei zu. Polizisten und Helfer versuchen, den Bangenden Trost zu spenden.

Den Bewohnern von Amatrice wieder Hoffnung zu geben, hat für Bürgermeister Pirozzi oberste Priorität. Er werde sein Amt als Trainer einer örtlichen Fußballmannschaft niederlegen, um sich voll dem Wiederaufbau zu widmen, sagt er vor versammelten Journalisten.

Eine Rückkehr zur Normalität ist für viele Menschen hier allerdings undenkbar. "Mit dieser Stadt ist es vorbei, da bin ich mir 100-prozentig sicher", sagt der Landwirt Alimenti. "Wie soll sie darüber hinweg kommen, bei so vielen Toten?"


Quelle:
dpa , rv , DR