Wüst zeigt sich beim Papst besorgt über Situation der Kirche

Kirche als Kitt für eine Gesellschaft

Papst Franziskus hat zum ersten Mal den NRW-Ministerpräsidenten Hendrik Wüst zu einer Privataudienz im Vatikan empfangen. Der Katholik sprach mit dem Papst unter anderem über den Umgang mit dem Missbrauchsskandal im Erzbistum Köln.

Papst Franziskus empfängt Hendrik Wüst, Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen, am 23. März 2023 im Vatikan. / © Vatican Media/Romano Siciliani (KNA)
Papst Franziskus empfängt Hendrik Wüst, Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen, am 23. März 2023 im Vatikan. / © Vatican Media/Romano Siciliani ( KNA )

DOMRADIO.DE: Sie haben den Papst in einer Privataudienz besucht. Deutsch spricht der Papst offenbar nicht so gerne. Wie war es denn bei Ihrem Treffen?

NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst / © Tobias Koch (Land NRW)
NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst / © Tobias Koch ( Land NRW )

Hendrik Wüst (Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen): Er hat mit mir ein bisschen Deutsch gesprochen und auch alles verstanden. Ich war davon sehr beeindruckt.

DOMRADIO.DE: Welchen Eindruck hatten Sie insgesamt von ihm? Er hat Knieprobleme, das wissen wir. Lässt er sich was anmerken?

Wüst: Ich habe davon nichts gemerkt. Er war sehr gut drauf. Es war sehr angenehm, mit ihm zu sprechen. Er wusste sehr vieles, war sehr aufmerksam und er war auch ein sehr aufmerksamer Zuhörer. Das hat mich beeindruckt.

DOMRADIO.DE: Sie kamen ja nicht ohne Grund. Was haben Sie angesprochen?

Wüst: Na ja, als katholischer Christ aus dem Münsterland braucht man erst mal keinen großen Grund. Wenn man beim Heiligen Vater sein kann, dann ist das Grund genug, die Gesprächsmöglichkeit auch anzunehmen. Aber natürlich gibt es jede Menge Anlässe und Themen, über die zu sprechen sind.

Papst Franziskus empfängt Hendrik Wüst / © Vatican Media/Romano Siciliani (KNA)
Papst Franziskus empfängt Hendrik Wüst / © Vatican Media/Romano Siciliani ( KNA )

Die Situation der katholischen Kirche in Deutschland mit dem Synodalen Weg und der offensichtlich kritischen Sichtweise darauf, zumindest von Teilen des Vatikans, ist da zu nennen. Das sind auf der einen Seite innerkirchliche Prozesse, von denen ich natürlich auch weiß, wo die Grenzen meines Tuns sind.

Hendrik Wüst (Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen und CDU-Politiker)

"Ich wünsche mir, dass Kirche auch in Zukunft eine bedeutende Rolle in unserer Gesellschaft spielt."

Auf der anderen Seite ist es insgesamt natürlich schon eine kritische Situation für die katholische Kirche, auch bei uns in Nordrhein-Westfalen, was mir als Ministerpräsident Sorge macht, weil das auch ein Stück Kitt für eine Gesellschaft ist. Ich wünsche mir, dass Kirche auch in Zukunft eine bedeutende Rolle in unserer Gesellschaft spielt.

DOMRADIO.DE: Sie meinten vermutlich auch die Situation im Erzbistum Köln, die Sie mit Sorge betrachten. Wie blicken Sie darauf?

Wüst: Ich muss erst mal sagen, dass es auch in meinem Bistum bis hin zu meiner eigenen Kirchengemeinde Missbrauchsfälle und dadurch Erschütterungen gibt. Unsere Eltern - ich habe zwei Schwestern - haben uns noch völlig ohne Sorge in die katholische Jugendarbeit geschickt. Ich glaube, viele Eltern denken heute schon zweimal darüber nach. Das zeigt, dass da was passiert ist.

Hendrik Wüst (Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen und CDU-Politiker)

"Da treten jetzt auch Leute aus der Kirche aus, die aktiv waren und das macht mir dann schon Sorgen mit Blick auf unsere Gesellschaft."

Insofern geht es nicht immer nur um ein Bistum, sondern um generelle Dinge. Aber das Erzbistum Köln und die besondere Situation dort beschäftigen natürlich auch mich und waren auch Teil des Gesprächs, schlicht weil ich zur Kenntnis nehmen muss, dass einfach sehr viele Menschen der katholischen Kirche den Rücken kehren.

Das macht was mit der Gesellschaft, wenn die Menschen nicht mehr dabei sind, wenn auch das Engagement unter Umständen nachlässt. Da treten jetzt auch Leute aus der Kirche aus, die aktiv waren. Das macht mir dann schon Sorgen mit Blick auf unsere Gesellschaft. Dann ist es auch Aufgabe eines Ministerpräsidenten, das anzusprechen.

DOMRADIO.DE: Haben Sie mit dem Papst auch über Kardinal Woelki gesprochen? Da steht ja eine Entscheidung aus.

Wüst: Sehen Sie es mir nach, dass ich über die einzelnen Details nichts sagen möchte. Es ist völlig in Ordnung, dass Sie nachfragen. Aber erstens gehört sich das nicht, darüber zu plaudern, und ich weiß auch, was innerkirchliche Dinge sind und was meine Aufgabe ist, Dinge anzusprechen.

DOMRADIO.DE: Noch ein Satz zur aktuellen Lage in NRW, was nichts mit dem Papstbesuch zu tun hat. Am Montag erwartet uns ein großer Streiktag. Wie geht es Ihnen damit?

Wüst: Der wirft auch bei mir alles durcheinander an dem Tag. Aber als jemand, der selber viele Jahre Tarifverhandlungen geführt hat, weiß ich natürlich um den Spannungsbogen. Auf der einen Seite gilt das Tarifrecht und da hält man sich als Politiker auch gerne ein bisschen zurück.

Es ist das gute Recht, in Tarifrunden auch zu streiken. Aber die Belastungen sind natürlich enorm, wenn so viel gleichzeitig bestreikt wird. Das hat für die Leute natürlich Einfluss auf ihr Leben und insbesondere am Montag dann auch bei mir.

Das Interview führte Tobias Fricke.

Papst Franziskus

Papst Franziskus wurde am 17. Dezember 1936 als Sohn italienischer Einwanderer unter dem Namen Jorge Mario Bergoglio in Buenos Aires geboren. 1958 trat er in den Jesuitenorden ein und wurde 1998 Erzbischof von Buenos Aires. Seit seiner Wahl zum Papst am 13. März 2013 führte er im Vatikan einen von Einfachheit geprägten und teils unkonventionellen Leitungsstil ein. (Quelle: kna)

Christmette im Vatikan mit Papst Franziskus / © Vatican Media/Romano Siciliani (KNA)
Christmette im Vatikan mit Papst Franziskus / © Vatican Media/Romano Siciliani ( KNA )
Quelle:
DR