Würzburgs neuer Bischof Jung über Finanzen und Veränderungen

"Wo können wir Menschen Heimat geben?"

Am 10. Juni wird Franz Jung zum neuen Bischof von Würzburg geweiht. Im Interview der Katholischen Nachrichten-Agentur spricht der 51-Jährige über den Abschied von der bisherigen Heimat – und wo Menschen in Kirche eine Heimat finden können.

Autor/in:
Christian Wölfel
Franz Jung, neuer Bischof von Würzburg / © Julia Steinbrecht (KNA)
Franz Jung, neuer Bischof von Würzburg / © Julia Steinbrecht ( KNA )

KNA: Sie müssen nun in eine neue Diözese umziehen und erhalten ein neues Amt. So viel Veränderung kann verunsichern. Wie bewältigen Sie das?

Franz Jung (bisher Generalvikar im Bistum Speyer​): Nächste Woche nehme ich mir bei Exerzitien die Zeit, ganz in der Stille nochmal die letzten Jahre Revue passieren zu lassen und mich auf das Kommende einzustellen - in aller Offenheit für die Veränderungen und für das Neue.

KNA: Viele Menschen sind derzeit verunsichert ob der rasanten Veränderungen auf der Welt. Es wird wieder über den Begriff Heimat debattiert. Hilft das aus Ihrer Sicht weiter?

Jung: Ich merke gerade selbst, wie Heimat vor allem im Verlust spürbar wird: die letzten Sitzung mit diesen Menschen, der letzte Spaziergang da, mein letzter Gottesdienst dort. Plötzlich erkennt man mit einer gewissen Wehmut, was einem in den vergangenen Jahren etwas bedeutet hat. So ist es auch in der Kirche angesichts notwendiger Reformen: Meist gibt es da eine Angst, ein Stück Heimat zu verlieren.

KNA: Was kann man dem entgegensetzen?

Jung: Mir ist da das Wort aus dem Philipperbrief wichtig: «Unsere Heimat ist im Himmel». Kirche geht nicht auf in unserer Welt. Man darf sich nicht allzu sehr einrichten, sondern muss sich immer neu beheimaten. Und wenn man anderen Menschen ein Stück Heimat bietet, wie etwa in der Flüchtlingskrise, besteht die Chance, noch einmal neu darüber nachzudenken, was Heimat heißt und wie Heimat aussehen könnte.

KNA: Die Kirche ist für immer weniger Menschen Heimat. Muss sie sich damit abfinden?

Jung: Lange Zeit war die Pfarrei für viele Menschen eine Heimat. Auch wenn die Zeit der Volkskirche vielerorts dem Ende entgegen geht, wissen viele Menschen sehr wohl, wie man sich eine neue Heimat schafft: Sie haben ihren Ort, an dem sie sich im Gottesdienst wohlfühlen, bei Seelsorgern, die sie persönlich ansprechen, zu Zeiten, die ihnen in ihr Lebenskonzept passen. Unsere Herausforderung ist: Wo können wir Menschen aus dem Glauben heraus Heimat geben oder Beheimatung anbieten, sei es in Netzwerken, an bestimmten Hotspots des Lebens oder auch an den Rändern, wie Papst Franziskus sagt.

KNA: Können Sie ein Beispiel nennen?

Jung: Eines der interessantesten Beispiele sind für mich ehrenamtliche Hospizbegleiter. Viele Menschen im Bistum Speyer lassen sich Jahr für Jahr dafür ausbilden und finden so auch ganz neu zu ihrem Glauben. Sie werden tief mit existenziellen Fragen von Lebenssinn und Lebensgestaltung aus dem Glauben konfrontiert. Darum wird es gehen: Solche Punkte zu finden, wo jemand an das Leben der Kirche andocken kann.

KNA: Bischöfe haben es nicht leicht in Deutschland, Stichwort Finanzskandale. Es gibt eine Debatte um die richtigen Bilanzierungs-Standards. Wie ist ihre Position?

Jung: Ich kann vor allem über meine Erfahrungen in Speyer berichten. Wir haben alle diözesanen Haushalte offen gelegt und setzen die Standards des Handelsgesetzbuchs (HGB) um. Ich habe Wert darauf gelegt, dass es jährlich eine unabhängige externe Wirtschaftsprüfung gibt. Wir haben diesen Prozess weit vor den Ereignissen von Limburg begonnen. Es gibt Standards, aber die Haushalte der deutschen Bistümer sind unterschiedlich strukturiert. Deshalb wird es nicht einfach sein, eine vollkommene Vergleichbarkeit zu erreichen.

KNA: Sollten Kleriker aus Positionen entfernt werden, in denen sie über die Verwendung von Kirchenmitteln mitentscheiden oder diese beaufsichtigen - wie es Bischof Hanke gerade in Eichstätt umsetzt?

Jung: Ob das was mit Klerikern zu tun hat oder nicht, möchte ich nicht beurteilen. Viel wichtiger ist, dass die Verantwortlichen die notwendige Fachkompetenz mitbringen und Compliance-Standards beachten: Wer Mittel verwaltet, darf sich nicht selbst kontrollieren.

KNA: Sie sitzen auch in der Projektgruppe Haushalt des Verbandes der Diözesen Deutschlands (VDD). Braucht es mehr Geld für überdiözesane Aufgaben oder soll der VDD weiter sparen?

Jung: Die große Frage ist noch nicht beantwortet: Was ist der VDD und welche Aufgaben hat er? Darüber muss man sich erst einmal verständigen. Erst dann kann man beurteilen, welche Mittel er braucht und woher sie kommen.

KNA: Ihr Noch-Bistum Speyer beginnt eine Offensive, die sich an alle Wiederverheirateten wendet. Was versprechen Sie sich davon?

Jung: Wir wollten Konsequenzen aus dem Schreiben "Amoris laetitia" ziehen. Am liebsten wäre uns eine gemeinsame Initiative der Bischofskonferenz gewesen. Doch bald schon zeichnete sich ab, dass das nicht möglich ist. In Speyer haben wir den schönen Dreischritt des Papstes aufgegriffen: begleiten, unterscheiden, eingliedern. Wir laden Menschen ein, mit uns im Gespräch die eigene Lebensgeschichte anzuschauen. Ohne die Lehre der Kirche über die Unauflöslichkeit der Ehe in Frage zu stellen gilt es, dem Einzelnen gerecht zu werden. Durch den Beratungsprozess sollen Menschen dazu befähigt werden, eine Gewissensentscheidung zu treffen, ob sie zur Kommunion gehen wollen, und das mit ihrem Seelsorger besprechen. Uns ist wichtig, dass sie sich nicht von der Kirche ausgeschlossen fühlen.

KNA: Die deutschen Bischöfe sind auch uneins über einen Kommunionempfang in gemischt-konfessionellen Ehen. Wo stehen Sie in dem Streit?

Jung: Ich habe die Diskussion in der Bischofskonferenz nicht miterlebt. Ich lese in den beiden Schreiben von Kardinal Woelki und der Antwort von Kardinal Marx verschiedene Auslegungen des Beschlusses der Konferenz. Ich finde es sehr bedauerlich, dass darüber keine Verständigung gelungen ist. Denn in meiner Wahrnehmung ist der Schaden in der Öffentlichkeit beträchtlich. Meine Überzeugung ist: Die Bischofskonferenz hat keine Botschaft, sondern sie ist die Botschaft. Wie man miteinander umgeht, auch das ist ein Zeugnis. Zuerst miteinander zu sprechen und dann gemeinsam nach außen aufzutreten, muss der Weg der Zukunft sein, für den ich mich auch persönlich gerne einsetzen will.


Quelle:
KNA