Woelki feiert Aschermittwochs-Gottesdienst mit Künstlern

"Bitte um Frieden zählt mehr als alle Waffen"

In jedem Jahr lädt das Erzbistum Kunstschaffende aller Bereiche am Aschermittwoch zu einem Tag mit geistlichen und kulturellen Impulsen ein. Beim Auftakt im Dom stand die eindringliche Bitte um Frieden im Zentrum.

Autor/in:
Beatrice Tomasetti
Schlusssegen von Kardinal Woelki / © Beatrice Tomasetti (DR)
Schlusssegen von Kardinal Woelki / © Beatrice Tomasetti ( DR )

Das Gesamtpaket stimmt, findet Dorothea Eckmann. Immer gebe es besondere Klangmomente wie jetzt mit dem Ensemble Ars Choralis Coeln im Dom, aber das Spirituelle überhaupt tue ihr zur Einstimmung in die Fastenzeit gut. Es lade zu innerer Einkehr, zur Innenschau ein, stellt die ehemalige Heilpädagogin im Kinderkrankenhaus Amsterdamer Straße fest, wo ihr Arbeitsschwerpunkt mit den kleinen Patienten auf der Kunsttherapie lag. "Die Fastenzeit ist eine wichtige Zeit für mich", betont die 68-Jährige. "Deshalb bedeutet mir dieser Tag mit den vielen unterschiedlichen Impulsen auch so viel. Die Künstler sind doch sehr nah an der Wunde des Lebens, aber auch an der Überwindung von Schmerz und Leid durch Kreativität." Das habe sie immer wieder im Umgang mit Tod und Sterben erlebt.

Wilfried Lennartz hat beruflich nichts mit Kunst zu tun gehabt. Aber der Pensionär ist an allem, was mit Kunst zu tun hat, interessiert. Deshalb kommt der Aachener auch seit etwa 15 Jahren regelmäßig aus dem Nachbarbistum nach Köln zum Aschermittwoch der Künstlerinnen und Künstler. "Kunst und Musik geben mir Erfüllung. Dieser Gottesdienst im Dom zum Beginn der Fastenzeit, die einen zur Besinnung auf das Leben bringt und eine ganz besonders intensive Zeit ist, bedeutet für mich Erbauung." Und die Begegnungen anschließend im Maternushaus, wo dann der Empfang mit dem Erzbischof stattfinde, seien ausgesprochen wohltuend.

Martin Rothweiler, Journalist

"Ich freue mich in jedem Jahr auf diesen besonderen Austausch beim Aschermittwoch. Das ist ein Tag, der zeigt, dass christliche Künstlerinnen und Künstler der Welt etwas zu sagen haben."

Der Bonner Journalist Martin Rothweiler hat die Künstlerunion über seine Frau Irene, die Glasmalerin ist, schon vor Jahrzehnten kennengelernt. Für ihn, so erklärt er, haben Künstler eine große Nähe zum Schöpfungswerk Gottes und damit eine große Möglichkeit der Verkündigung über das Wort hinaus – während die Musik Zugang zu Seele und Herz der Menschen habe und Blockaden, von denen es so viele gebe, aufbrechen könne. "Ich freue mich in jedem Jahr auf diesen besonderen Austausch beim Aschermittwoch. Das ist ein Tag, der zeigt, dass christliche Künstlerinnen und Künstler der Welt etwas zu sagen haben." In der Regel sei es doch eher umgekehrt: Weltliche Künstler wirkten in die Kirche hinein.

Wie immer sind der geistliche Zuspruch und der Aufruf zur Umkehr, Buße und Erneuerung während der 40-tägigen Fastenzeit die Botschaft, die von diesem Gottesdienst ausgeht.  Künstlerseelsorger Prälat Josef Sauerborn und sein Team haben die Messfeier gewohnt schlicht und inhaltlich dennoch sehr berührend konzipiert. Die Solostimmen unter der Leitung von Maria Jonas, die von mittelalterlichen Instrumenten begleitet Gesänge aus dem 12. und 13. Jahrhundert vortragen, tun das Ihre, um eher mit leisen Tönen andächtige Innerlichkeit zu schaffen, während sich mehrere hundert Menschen das äußere Zeichen dafür, das Aschenkreuz, auf die Stirn zeichnen lassen.

Erzbischof Kardinal Woelki

"Betroffen vom Krieg sind nicht nur Politik und Wirtschaft, betroffen sind auch Kirche und Kultur und damit auch das künstlerische Schaffen. Betroffen ist unser Aschermittwoch der Künstler, an dem wir uns nicht mehr auf die Dialektik von Lebensfreude und Ernst, von Karneval und Buße beschränken können."

Mit seiner Predigt verknüpft Kardinal Woelki dann die eindringliche Bitte um Frieden. "Alles, was wir in diesen Tagen tun, steht im Schatten des durch nichts zu rechtfertigenden Angriffskrieges Russlands auf die Ukraine", stellt er fest. "Betroffen davon sind nicht nur Politik und Wirtschaft, betroffen sind auch Kirche und Kultur und damit auch das künstlerische Schaffen. Betroffen ist unser Aschermittwoch der Künstler, an dem wir uns nicht mehr auf die Dialektik von Lebensfreude und Ernst, von Karneval und Buße beschränken können."

Im Vorgriff auf die "Akademie zum Aschermittwoch" am Nachmittag im Maternushaus, bei der die ehemalige Direktorin des Käthe Kollwitz Museums Köln, Hannelore Fischer, über die 1945 verstorbene Künstlerin spricht, erinnert er daran, dass kaum ein Künstlerleben von den beiden Weltkriegen des vergangenen Jahrhunderts so geprägt worden sei wie das von Käthe Kollwitz. Der Verlust ihres 18-jährigen Sohnes Peter 1914 an der Front in Westflandern habe für sie eine Welt zusammenbrechen lassen. Diesen Verlust zu überleben, habe sie nur mithilfe der Kunst geschafft: "Durch die Möglichkeit, ihrer Trauer Ausdruck zu verleihen." Kollwitz’ Sohn sei eines von 20 Millionen Opfern des Ersten Weltkrieges gewesen, denen dann 70 Millionen Tote im Zweiten Weltkrieg gefolgt seien, 20 Millionen Tote im Vietnamkrieg, 42.000 Tote im Irakkrieg und bis heute etwa 400.000 Tote im syrischen Bürgerkrieg, zählt der Kardinal auf. Und der gegenwärtige Krieg in der Ukraine habe bisher laut Zählungen des UN-Kommissariats für Menschenrechte bis Mitte Februar dieses Jahres mindestens 7199 Todesopfer in der ukrainischen Zivilbevölkerung gefordert, darunter wenigstens 438 Kinder. "Ganz zu schweigen von der unbekannten, aber wohl sehr hohen Zahl der im Krieg getöteten Soldaten."

Erzbischof Kardinal Woelki

"Krieg ist kein unabwendbares Schicksal. Es ist Machwerk des Menschen. Und dem stellen wir uns in den Weg, nicht zuletzt durch unser Gebet. Beten ist nämlich kein Opium. Beten heißt: Wir trauen Gott etwas zu."

"Wir sehen aber nicht die Gesichter hinter diesen Zahlen, kennen die Leidensgeschichten, kennen die Lebensgeschichten der Toten nicht, wissen nicht, wer um sie trauert." Die Künstlerin Käthe Kollwitz aber gebe dieser Trauer ein Gesicht; "ein Gesicht, das für all jene steht, die ihr Kind haben hergeben müssen, die es durch Krieg, durch Gewalt, durch Tod, durch Krankheit, durch einen Unfall verloren haben. Jenen, die hinter den Schicksalen stehen."

Die Fastenzeit, mahnt Woelki, müsse dazu genutzt werden, wieder neu nach Wegen des Friedens mit Gott und den Menschen zu suchen; eines Friedens, der aus der Versöhnung mit Gott komme und aus dem Erlösungswerk seines Sohnes, der mit seinem Kreuzestod Frieden gestiftet habe: zwischen Himmel und Erde, zwischen Gott und dem Menschen. Doch nur wo Gott sich mitteile und wo er als Gott anerkannt und verherrlicht werde, wo der Mensch also in Frieden mit Gott lebe, könne Friede umfassend und auf Dauer auch in den menschlichen Beziehungen bestehen.

Dabei bildeten der Friede des Menschen mit Gott, der Friede des Menschen mit sich, mit dem eigenen Herzen, und der Friede der Menschen untereinander eine Einheit. Der eigene Beitrag könnten dabei immer wieder die erneute Hinwendung zu Gott, Umkehr und Buße sein. Krieg, erklärt der Kölner Erzbischof im Weiteren mit Nachdruck, sei kein unabwendbares Schicksal. "Es ist ein Machwerk des Menschen. Und dem stellen wir uns in den Weg, nicht zuletzt durch unser Gebet. Beten ist nämlich kein Opium. Beten heißt: Wir trauen Gott etwas zu."

Aschekreuz / © Beatrice Tomasetti (DR)
Aschekreuz / © Beatrice Tomasetti ( DR )

Und dieser Gott sei nicht der Gott einer bestimmten Armee oder einer bestimmten Nation, stellt er klar. "Vielmehr ist er der Gott und der Vater aller Menschen in Ost und West, in Nord und Süd. Wir alle sind seine Geschöpfe." Unmissverständlich appelliert Woelki: "Niemand darf sich auf Gott berufen, wenn er zum Krieg rüstet. Wir brauchen", ruft er seinen Zuhörerinnen und Zuhörern entgegen, "keinen Präventivkrieg. Was wir brauchen, ist Kriegsprävention. Es kann doch nicht vernünftig sein, Milliarden für einen Krieg zu verpulvern, während Millionen Menschen hungern. Es ist doch nicht vernünftig, menschliche Intelligenz für die Entwicklung immer perfekterer, besserer und intelligenterer Waffensysteme einzusetzen statt für die Entwicklung der Völker."

Am Ende wiederholt der Kardinal noch einmal sehr eindringlich seine Bitte um Frieden: "Dona nobis pacem – gib uns Frieden!" Diese Bitte, erklärt er, zähle mehr als alle Waffen dieser Erde,  "denn sie ermutigt uns zu dem, was stärker ist als alle Waffen: zum Gebet und zum persönlichen Einsatz für den Frieden." Die Gemeinde fordert er abschließend auf: "Schreien wir es heute gemeinsam mit Käthe Kollwitz von diesem Ort aus erneut als unsere Bitte, Gott und allen Menschen guten Willens aus tiefstem Herzen entgegen: Nie wieder Krieg!"

Quelle:
DR