Professoren sehen sich durch Pläne der Bischöfe überfahren

Wissenschaftliche Theologie in Bedrängnis?

​Die wissenschaftliche katholische Theologie in Deutschland gerät zunehmend unter Druck. Weniger Volltheologen, weniger Nachwuchsforscher - und vielleicht weniger Fakultäten. Pläne der Bischofskonferenz stoßen auf Kritik.

Studenten in Sankt Georgen / © Harald Oppitz (KNA)
Studenten in Sankt Georgen / © Harald Oppitz ( KNA )

Die wissenschaftliche katholische Theologie in Deutschland steht vor ganz schwierigen Zeiten: Seit Jahren sinkt die Zahl derer rapide, die ein Vollstudium absolvieren. Es wird zunehmend problematisch, sehr gut qualifiziertes Personal für die frei werdenden Lehrstühle zu finden. Und dann planen die deutschen Bischöfe auch noch, die Ausbildung ihrer Priester auf wenige Standorte zu reduzieren.

Zum offenen Gefecht kam es am Freitag, als der in der Bischofskonferenz für den Konzentrationsprozess zuständige Fuldaer Bischof Michael Gerber bei der Online-Jahrestagung des Katholisch-Theologischen Fakultätentages (KThF) die Pläne erläuterte. Er stieß dabei erwartungsgemäß auf heftigen Widerstand - auch weil die Hochschullehrer nicht in das Vorgehen eingebunden waren. Die KThF-Vorsitzende, die Tübinger Professorin Johanna Rahner, forderte Beteiligung ein. Nach vielen Wortmeldungen entgegnete der Bischof, ganz freundlich und klar: "Wir werden uns nicht einig, das spüre ich deutlich."

Unterschiedliche Perspektiven

Das liegt vor allem daran, dass die Perspektiven komplett unterschiedlich sind. Die Kommission für Geistliche Berufe und Kirchliche Dienste der Bischofskonferenz zentriert sich in ihren Plänen auf die immer kleiner werdende Zahl junger Männer, die sich auch in den bleiernen Zeiten der Missbrauchsaufarbeitung vorstellen können, zum Priester geweiht zu werden. Sie sollen künftig vor allem in München, Münster und Mainz oder Frankfurt Sankt Georgen ausgebildet werden.

Erste Ergebnisse, wie das umgesetzt werden soll, legte Gerber Anfang dieser Woche den anderen Bischöfen vor. So soll ein Beirat regionale Projektgruppen und einen Koordinationsrat unterstützen. Mehr als zwei Drittel der Bischöfe haben sich bereits festgelegt, dass sie in einer Projektgruppe mitmachen. Unklar ist unter anderem noch, welche Rolle künftig Erfurt spielen soll. Entscheidungen sollen nach Abschluss der Projektphase - voraussichtlich Ende 2022 - getroffen werden.

Rechtliche Fragen

Wer aus diesem Blickwinkel auf die Fakultätenlandschaft schaut, muss vielleicht zu solchen Ergebnissen kommen. Für die Professorenschaft stellen sich indes weitere Fragen. Es beginnt rechtlich: Die Existenz von elf katholischen Fakultäten ist durch Konkordate, also staatskirchenrechtliche Verträge mit dem Vatikan, abgesichert - allerdings nur, wenn sie "Geistliche" ausbilden. Die anderen heute in der Seelsorge eingesetzten Berufsgruppen - Pastoralreferenten und Gemeindereferenten - gab es beim Vertragsabschluss 1929 nicht. Eine Reduzierung der Standorte, so fürchten manche, könnte von Landesregierungen als Steilvorlage genutzt werden, Fakultäten zu schließen, weil diese nicht mehr ihrer ursprünglichen Bestimmung dienen.

Der Fakultätentag hat laut einer Erklärung auch Folgen des Prozesses auf "die schon jetzt kritische Situation des wissenschaftlichen Nachwuchses" im Blick. 2019 gab es laut Statistischem Bundesamt gerade mal acht Habilitationen in katholischer Theologie, im Jahr davor neun. Das reicht nicht, um die frei werdenden Lehrstühle zu besetzen.

"Hohe internationale Anerkennung" 

Als zentral gilt für viele das, was der Präsident des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK), Thomas Sternberg, beim Fakultätentag mit den Worten "hohe internationale Anerkennung" zusammenfasste. Ohne deutsche Theologen wären Konzile und Synoden in Rom anders verlaufen. Zugleich gilt Deutschland als Studienstandort für katholische Theologie neben Nordamerika immer noch als weltweit wichtig.

Sternberg sieht aber auch innergesellschaftlich einen Bedeutungsverlust von Theologie. Wann, so fragte er, habe bei einem der Talkformate zur Pandemie jemals ein Theologe gesessen? Kirche und Theologie werde kaum noch zugetraut, sich zu allgemeinen gesellschaftlichen Fragen zu äußern, was sich auch in der Debatte um Suizidhilfe zeige. Die Frage nach Glaube und Gott drohe zu verstummen.

Der KThF will jetzt eine Arbeitsgruppe einsetzen und auf die Bischofskonferenz zugehen, um in einer gemeinsamen Kommission an Lösungen zu arbeiten. Das scheint auch deshalb nötig, weil laut Statistikamt 2018/19 exakt 18.251 junge Menschen Katholische Theologie studierten - kaum weniger als ein Vierteljahrhundert zuvor. Der Unterschied: Fast alle wollen als angehende Lehrer lieber Vater Staat als Mutter Kirche zum Arbeitgeber haben. Für Pädagogen braucht es indes keine knapp 20 voll ausgestatteten Fakultäten mit je einem Dutzend Professoren. Es dürfte spannend sein zu sehen, wie sich die Verschachtelung der Interessen klären lässt.

Michael Jacquemain


Bischof Michael Gerber / © Angelika Zinzow (KNA)
Bischof Michael Gerber / © Angelika Zinzow ( KNA )

Prof. Johanna Rahner / © Friedhelm Albrecht (Universität Tübingen)

Thomas Sternberg / © Harald Oppitz (KNA)
Thomas Sternberg / © Harald Oppitz ( KNA )
Quelle:
KNA