Schwitzende Jogger und Touristen, die das Museum suchen. Gleich daneben eine Konditorei, wo sich Besucher den Apfelstrudel schmecken lassen. Das ist der Anblick, der sich den Toten am Wiener Zentralfriedhof böte. Ja, in der österreichischen Hauptstadt wird anders gestorben. Das weiß auch das städtische Bestattungsunternehmen, das für seinen humorvollen Umgang mit dem Ableben berüchtigt ist - und jetzt seine neue "Sommerkollektion" herausgebracht hat.
Das Mückenspray steht unter dem Motto "Sag' zum Abschied leise Servus...", der Schwimmring beschwört: "A echta Wiena geht net unta!". Und das Badetuch mit dem rastenden Skelett verrät: "Bei uns liegen Sie richtig." Die Sommerkollektion 2025 der Bestattung Wien - durchweg in schwarz gehalten - ergänzt das Sortiment von letztem Jahr, darunter eine Luftmatratze in Sargform und die Sonnencreme "für die echte Leichenblässe".
Niedliches Totenmännchen
Hitze und Tod? Das seien quasi Verwandte, erzählt Bernhard Salzer, Sprecher der Bestattung Wien: "Wenn es 35 Grad im Schatten hat, geht das auf die Nerven: Man will es nicht, aber muss damit leben. So ähnlich ist es auch mit dem Tod." Es gelte, den richtigen Umgang zu finden - "damit wir nicht unser ganzes Leben lang vor Angst erzittern, dass uns irgendwann der Quiqui holt". Salzer benutzt einen alten Wiener Ausdruck für den Sensenmann - und gleichzeitig den Namen des fast schon niedlichen Totenmännchens, den das Bestattungsunternehmen auf T-Shirts, Trinkbechern und als Schlüsselanhänger verkauft.
Den Wienern wird ein pragmatischer, sarkastischer Zugang zum Ableben nachgesagt. Manche Beobachter unterstellen den Hauptstadtbewohnern gar eine "merkwürdige Liebe" für den Tod. Die Stadt selbst sei eine "Metropole des Morbiden". Zumindest scheint es ein Klischee, das die Wiener selbst gern am Leben erhalten. So sang schon Ende der 1960er der legendäre Kabarettist Georg Kreisler: "Der Tod, das muss ein Wiener sein. Denn wer bringt dich pünktlich zur Himmelstür? Ja da hat nur ein Wiener das G'spür dafür."
Eine beliebte Touristenattraktion bleibt die Kapuzinergruft in der Innenstadt: Hier liegt das österreichische Kaiserhaus begraben, von Maria Theresia bis Sisi. Und auch der öffentlich-rechtliche Rundfunk ORF befand 2023 in einem Online-Beitrag: "Wien und der Tod scheinen untrennbar miteinander verbunden".
Mit dem "Witwenexpress" zum Zentralfriedhof
Mit der Straßenbahnlinie 71, genannt "Witwenexpress", geht es aus der City zum Zentralfriedhof. Hier ruhen etwa drei Millionen Tote und damit eine Million mehr, als Wien Einwohner zählt. Touristen kehren gerne noch beim Würstelstand "Eh scho wuascht" ein, ehe es zu einem der vielen Ehrengräber geht: Mit Falco, Strauss, Beethoven und vielen anderen ist der drittgrößte Friedhof Europas auch eine musikalische Pilgerstätte. Die Wiener kommen zum Joggen, Radfahren, Spazierengehen hierher oder holen sich Honig vom Friedhofsimker. Wer will, kann ein Gemüsebeet auf dem Friedhofsareal mieten.
Yoga-Klassen und Konzerte neben Omas Grab? "Ich verstehe, wenn sich jemand darüber beschweren würde, vor allem, wenn gerade eine Beerdigung stattfindet", räumt Salzer ein. Zugleich herrsche laut dem Bestattungssprecher aber ein "gutes Auskommen" zwischen Trauernden und Freizeitlern; letztere gingen respektvoll aus dem Weg, wenn es darauf ankommt. Wer immer noch Zweifel hat, dem empfiehlt Salzer: "Ein Spaziergang am Friedhof erdet einen. Man kommt aus der Hektik des Alltags runter." Auch rückten Geburts- und Sterbedaten, die mal von einem langen, mal von einem kurzen Leben zeugen, die eigenen Alltagsprobleme in eine neue Perspektive.
Schlangestehen fürs Probeliegen im Sarg
Und noch einen Grund gibt es, den Zentralfriedhof zu besuchen: Im Keller der Aufbahrungshalle 2 betreibt die Bestattung Wien ihr Bestattungsmuseum. Zweimal im Jahr kann man hier auch in einem Sarg probeliegen- zur "Langen Nacht der Museen" und zu Halloween. "Manche machen einen großen Bogen darum. Aber generell wird es gut angenommen. Die Leute stehen Schlange", erzählt Salzer.
Unter den Schaustücken, die 300 Jahre Wiener Sterbekultur beleuchten, findet sich auch der berüchtigte "Sparsarg" von Kaiser Joseph II. Auf sein Geheiß wurde 1784 die Vorrichtung über Erdgruben platziert, die Verstorbenen plumpsten durch eine Falltür in ein Massengrab. Das sollte Geld und Holz sparen - und führte zu Bürgeraufständen. Nach nur sechs Monaten musste der Kaiser seine Bestattungsreform zurücknehmen. Dazu Salzer: "Das wäre auch in anderen Weltregionen nicht gut angekommen. Aber vor allem nicht in Wien."