Nach Angaben der Gütegemeinschaft Feuerbestattungsanlagen waren 2023 rund 80 Prozent aller Begräbnisse eine Urnenbestattung. Entsprechend sprießen neue Hersteller und Anbieter von Urnen aus dem Boden. "Die Start-up-Branche für Urnen ist sehr lebendig", erklärt Carolin Oberheide, Sprecherin des Bundesverbands Bestattungsbedarf. Junge Designerinnen oder Produktentwickler würden den Markt aufmischen - dazu gehört auch das 2023 gegründete Berliner Unternehmen "urnique".

Es bietet eigenen Angaben zufolge Behältnisse in "moderner Ästhetik, orientiert am Zeitgeist" - und fülle damit eine Marktlücke, sagt Geschäftsführerin Liliane Boehm.
Die Kollektion von "urnique" ist überschaubar: 15 Urnen präsentiert das Start-up auf seiner Website. Designt sind sie von Boehm oder in Kooperation mit Herstellern, etwa einer Schreinerin aus dem Schwarzwald. Die Urnen aus Holz, Keramik oder einer Mischung aus Ton und Papierzellstoff werden ausschließlich in Deutschland und Portugal produziert. "Wir benutzen nur Materialien, die natürlich sind", sagt Boehm, die das Unternehmen gemeinsam mit ihrem Partner Jan Loss führt.
Der 39 Jahre alte Betriebswirt hat schon einige Start-ups mitgegründet. Bei diesem hier soll es aber anders laufen, ein Investor beispielsweise ist nicht mit an Bord: "Wir wollen das Wesen des Unternehmens und seine inhaltliche Ausrichtung selbst bestimmen", betont Loss. Geld zu machen, sei nicht das oberste Ziel. "Uns ist vor allem wichtig, dass gebraucht wird, was wir machen."
Mehr Menschen sterben
2024 sind nach vorläufigen Ergebnissen des Statistischen Bundesamtes rund eine Million Menschen gestorben - 15 Prozent mehr als noch zehn Jahre zuvor. In der alternden Gesellschaft wird die Zahl der Todesfälle weiter zunehmen - für die Bestattungsbranche sind das gute Nachrichten. Ihre Produkte und Dienstleistungen werden mehr denn je benötigt.

Zur Branche zählen neben den Bestattern selbst unter anderem die Hersteller von Särgen, Urnen oder Bestattungswäsche ebenso wie Finanzdienstleister, Betreiber von Krematorien oder Anbieter von Friedhofstechnik. Nach früheren Angaben der Verbraucherinitiative Bestattungskultur "Aeternitas" ist die Branche "traditionell sehr kleinteilig und geprägt von einer Vielzahl kleinerer Familienunternehmen".
Das gilt auch für den Urnen-Bereich: Es gibt kleine Start-ups, die kunstvoll gefaltete Papierurnen herstellen oder solche aus Holzkohle.
Boehm und Loss haben sich auf Design-Urnen spezialisiert, angefertigt in Handarbeit. "Durch Todesfälle in der Familie und im Freundeskreis ist uns aufgefallen, dass vieles im Bestattungsbereich aus der Zeit gefallen und schrecklich grau wirkt", berichtet die 34-jährige Produktdesignerin. Loss ergänzt: "Bei Urnen gibt es eine große quantitative Vielfalt, aber keine qualitative." Weil der Markt beiden nicht das bot, was sie schön finden würden, wurden sie selbst tätig. Boehm kündigte ihren Job; seit vergangenem Jahr arbeitet nun auch Loss Vollzeit bei "urnique".
Urne erinnert an Vergänglichkeit
Beide wollen aber nicht nur Unternehmer sein, sondern auch aufklären und andere ermutigen, sich mit dem Tod auseinanderzusetzen. So könne man sich eine Urne beispielsweise schon zu Lebzeiten aussuchen und als dekoratives Element im eigenen Zuhause integrieren. "Wir haben selbst gemerkt, wie belebend es sein kann, durch eine Urne den Tod so vergegenwärtigt zu spüren", berichtet Jan Loss. Laut Boehm setzen sie sich gern mit Lebensfragen auseinander und sind der Überzeugung, dass Tod und Sterben schon ein Platz im Leben haben müssen. "Für uns macht es deshalb auch Sinn, dass die Urnen nicht von Maschinen, sondern von Menschen hergestellt werden", sagt Boehm.
Die Kunden des Start-ups sind Bestattungshäuser, aber auch etwa Angehörige von Verstorbenen. Es sei berührend, wenn Kunden nach dem Begräbnis Dankes-Emails schickten. "Wir bekommen teilweise Fotos von den Trauerfeiern und viel positives Feedback. Das ist wirklich schön", sagt Loss. Verkauft hat "urnique" im vergangenen Jahr einige Hundert Urnen. "Unser Marktanteil liegt also weit unter einem Prozent." Die Berliner setzen auf organisches Wachstum. Dennoch ist die Nachfrage inzwischen so, dass sie eigene Büroräume suchen und in diesem Jahr noch einen ersten Mitarbeitenden einstellen wollen.
Qualität schärfen, Produktpalette verfeinern
Aus dem Start-up soll ein "kleines, feines Unternehmen" werden, von dem sie auskömmlich leben können, wünschen sich die Gründer. Dafür wollen sie in diesem Jahr ihre Marketing-Aktivitäten intensivieren - etwa auf Messen gehen und an ihrer Social-Media-Präsenz arbeiten.

"Und wir wollen natürlich weiter unsere Qualität schärfen und unsere Produktpalette verfeinern", ergänzt Boehm. Das Paar begrüßt den Kulturwandel im Bestattungsbereich und hofft auf weitere Entwicklungen. "Wir fänden es schön, wenn es nicht nur in Bremen, sondern auch in anderen Bundesländern bald möglich wäre, Urnen mit nach Hause nehmen zu können", sagt Loss. Viele ihrer Kunden würden das nachfragen. "Es ist wichtig, die Wahlfreiheit zu haben", findet Liliane Boehm. Bisher gilt in Deutschland grundsätzlich allerdings noch der Friedhofszwang - egal, ob beim Sarg- oder Urnen-Begräbnis.