Wie sicher Juristen in Kolumbien sind, vermag keiner zu sagen

Recht am Rande

FASOL, eine kolumbianische Selbsthilfeorganisation, kümmert sich um die Hinterbliebenen. In Berlin feiern die Unterstützer aus Deutschland, das Bischöfliche Hilfswerk Misereor und der Deutsche Richterbund, 20 Jahre Zusammenarbeit. Bei den Gesprächen ging es nicht nur darum, die vergangenen zwei Jahrzehnte zu würdigen. Es ging um die Gegenwart und die Zukunft.

Autor/in:
Julia Grimminger
 (DR)

Sie hießen Javier, Sergio, Carlos oder Gustavo. Sie waren Richter oder Anwälte, hatten Kinder, Freunde, ein Leben. Und Feinde: Seit über 40 Jahren schwelt in Kolumbien ein bewaffneter Konflikt zwischen Guerilla, paramilitärischen Gruppen und Militärs. Über 1.000 Justizangehörige fielen der Auseinandersetzung bereits zum Opfer - auch Javier, Sergio, Carlos oder Gustavo.

FASOL, eine kolumbianische Selbsthilfeorganisation, kümmert sich um die Hinterbliebenen. In Berlin feiern die Unterstützer aus Deutschland, das Bischöfliche Hilfswerk Misereor und der Deutsche Richterbund, 20 Jahre Zusammenarbeit. In der Katholischen Akademie diskutierten am Mittwochabend Vertreter von Regierungen, Hilfsorganisationen und andere Experten und gedachten der vielen Opfer in einer Schweigeminute.

Bei den Gesprächen ging es nicht nur darum, die Zusammenarbeit der vergangenen zwei Jahrzehnte zu würdigen. Es ging um die Gegenwart und die Zukunft: Wie gefährdet sind Juristen noch immer in Kolumbien? Inwiefern machen Politiker mit Paramilitärs gemeinsame Sache?

Hort der Menschenrechtsverletzungen
Christian Tomuschat, einer der angesehenen deutschen Völkerrechtler, versucht es mit einem Strukturvergleich zwischen Deutschland und Kolumbien. Beide Länder waren Brüchen ausgesetzt. Kolumbien ringe allerdings, im Gegensatz zu Deutschland, noch immer um seine Konsolidierung. Machtstrukturen seien durch die Bewältigung der Vergangenheit zu erklären. Seine Lösung: Eine Gesellschaft der Toleranz und Friedfertigkeit, die den Blick nicht nur zurück richtet.

Die Realität ist weniger abstrakt. Sie liege zwischen einem "Hort der Menschenrechtsverletzungen" und einer stabilen Demokratie, räumt Tomas Concha von der kolumbianischen Regierung ein. Die organisierte Gewalt der vergangenen 50 Jahre und das weltweite Drogenproblem verschweigt der Politiker nicht. Allerdings sieht er Kolumbien auf einem guten Weg. Die Zahl der Morde, Massaker und Entführungen sei "deutlich zurückgegangen", sagt er. Die Regierung dulde keine kriminellen Gruppen. Allerdings werde ihr das oft vorgeworfen.

Thissen: Rechte der Opfer in den Mittelpunkt
Menschenrechtler Rainer Huhle, der - vielleicht absichtlich - zwei Plätze weiter auf dem Podium sitzt, widerspricht an dieser Stelle heftig. Positive Tendenzen kann er nicht bestätigen. Im Gegenteil. Mitarbeiter des Obersten Gerichtshofs würden "massiv bedroht". Das Bedrohungsszenario habe mit der Regierung zu tun, bekräftigt er. Huhle zufolge ist ein Drittel des kolumbianischen Kongresses "parapolitisch" - das heißt, es bestehen Verbindungen zu paramilitärischen Organisationen. Die Lage hat sich dem Experten zufolge massiv verschärft.

Auch der Hamburger Erzbischof Werner Thissen hält die Situation der Angestellten im kolumbianischen Justizwesen nach wie vor für schwierig. Er würdigte die systematische Traumaarbeit von FASOL und appellierte an alle Beteiligten, weiterhin alle Bemühungen um die Rechte der Opfer in den Mittelpunkt zu stellen. Die Angehörigen von Javier, Sergio, Carlos und Gustavo fanden Hilfe bei FASOL. Sie treffen sich in Selbsthilfegruppen, werden aber auch zu Hause juristisch und psychosozial betreut. Die Stiftung kümmert sich auch um Schulstipendien für die Kinder.