"I'm in love with Judas" – singt Lady Gaga in einem ihrer Songs von 2011. "Judas" war allein in Deutschland neun Wochen lang in den Charts und sorgte in Kirchenkreisen für großen Aufruhr. Zu provokant und blasphemisch, hieß es. Andere aber lieben die Art, wie Lady Gaga ihren Glauben in die Kunst einfließen lässt.
In dem Musikvideo sieht man eine Motorrad-Gang. Auf der Jacke eines jeden Bikers steht ein Name, der zwölf Apostel. Lady Gaga sitzt auf dem Motorrad von Jesus. Sie trägt ein rot-blaues Kopftuch, ähnlich dem von Maria. Die religiöse Symbolik zieht sich durch das ganze Video hindurch. Von der Fußwaschung, zur Dornenkrone bis hin zum flammenden Herz Jesu. Inhaltlich ringt Gaga mit sich, wen sie lieben soll: Jesus oder Judas?
Im Text singt sie über einen Mann, der sie betrogen und belogen hat, dargestellt in Form von Judas. Sie weiß, dass er nicht gut für sie ist, und trotzdem kann sie sich nicht von ihm lösen und verzeiht ihm. Auf der anderen Seite steht ein Mann, der sie heilt und befreit, dargestellt als Jesus. Sie weiß, dass er der richtige Weg ist.
Lady Gaga nutzt in diesem Lied die biblischen Figuren, um ihren Schmerz und ihre Emotionen auszudrücken und zu verdeutlichen. Das von ihr Erlebte ist ähnlich zu der Handlung in der Bibel.
Stefani Joanne Angelina Germanotta, wie Lady Gaga mit richtigem Namen heißt, ist auf eine katholische Mädchenschule gegangen und wurde auch katholisch erzogen. In Interviews erzählt sie, dass ihr Glaube sie geprägt hat und bis heute beeinflusst.
Das drückt sich auch in einem ihrer neueren Songs "Garden of Eden" aus, der im Garten Edens spielt und das Thema der Versuchung behandelt. So auch in dem Song "Bloody Mary", bei dem sie von Maria, Schmerz und Hingabe singt.
Sie spricht aber nicht nur über Symboliken der Bibel, sondern auch über ihre Botschaften: In "Born this way" heißt es übersetzt, dass Gott uns alle liebt und wir genau so schön sind, wie er uns geschaffen hat.
Ein Spiegel der Gesellschaft
Popmusik soll die Massen erreichen. Es geht um Emotionen, Liebe, Identität, Politik und Kultur. Zugleich ist Popmusik eng mit Mode, Sprache und dem Lebensgefühl junger Generationen verbunden. Damit beeinflusst sie nicht nur aktuelle Trends, sondern auch Denkweisen und sogar politische Bewegungen.
All diese Themen lassen sich mit Religion metaphorisch darstellen. Das nutzen Künstler, um ihre persönlichen Erfahrungen in ihren Liedern zu verarbeiten. Egal ob Schuld, Erlösung oder Moral. Alle Probleme und Gefühle, die ein Mensch im Leben durchmacht, finden wir in der Bibel wieder.
Kommerz, Stilbruch, Provokation
Neben persönlichen Glaubensgründen wissen Musiker und ihr Marketing-Team natürlich, dass Menschen sich für die geheimnisvolle und mystische Seite der Religion begeistern können. Das ist zuletzt beim Konklave aufgefallen, als auch die großen Medienhäuser das Thema behandelt haben, obwohl Kirche und Christentum dort sonst kaum mehr präsent sind.
Es geht auch um Provokation, Stilbrüche und Kommerz. Unabhängig davon, ob die Person gläubig ist oder nicht. Aus dem Grund sehen Kritiker die Nutzung religiöser Symboliken als spirituelle Aneignung, Ausschlachten der Religion und respektlosen Umgang mit dem Glauben.
Im Musikvideo zu ihrem Song "Feather" von 2022 tanzt die Sängerin Sabrina Carpenter in einer Kirche um die Särge ihrer Ex-Freunde. Sie singt über eine emotionale Befreiung nach ihren toxischen Beziehungen. Die Szene in der Kirche symbolisiert das metaphorische Begraben dieser Männer, die jetzt der Vergangenheit angehören. Der Song hat es zwar nicht in die deutschen Charts geschafft, dafür aber auf Platz 21 der Billboard Top 100 in den USA.
Like a Prayer
Diese Art der Grenzüberschreitung ist seit den späten 1980ern, besonders durch Madonna, bekannt geworden. Das wohl beste Beispiel für eine provokante Nutzung religiöser Symbolik sind die brennenden Kruzifixe aus "Like a Prayer". In dem Song lässt Madonna die Intimität eines Gebets mit körperlicher Liebe verschmelzen. Der Song schaffte es bis auf Platz zwei der deutschen Charts. Madonna nutzt dieses Image bis heute: Sie inszeniert sich in Nonnenkostümen oder als moderne Maria Magdalena.
Selbstermächtigung und patriarchale Strukturen
Popmusik lebt von Sinnlichkeit, Tanz und Inszenierung. Besonders bei Frauen werden diese Themenbereiche unterdrückt oder als sündhaft dargestellt. Künstlerinnen nutzen diese Spannung, um Tabus zu brechen und neue Geschichten aus ihrer eigenen Perspektive zu erzählen. Religiöse Figuren wie Maria Magdalena werden als selbstbestimmte und sexuelle Frauen interpretiert. Damit nehmen sie sich die Macht, über ihre eigene Spiritualität und Sexualität zu bestimmen.
In der christlichen Tradition steht die Gottesmutter Maria für Jungfräulichkeit, Mutterliebe und Demut. Für manche Frauen stellen diese Eigenschaften ein überholtes Bild dar. Durch die starken Kontraste zwischen Tradition und Moderne wird eine neue Perspektive auf das klassische Motiv gezeigt.
Was darf Kunst?
Am Ende muss jeder selbst entscheiden, ob diese Musik als gläubiger Christ gehört werden kann oder nicht. Es ist eine ewige Diskussion in allen Bereichen der Kunst. Was darf sie und was nicht?
Fakt ist, dass das Thema aktueller denn je ist. Im November hat die spanische Popsängerin Rosalía ihr Album "Lux" (lateinisch für Licht) veröffentlicht. Mit Songs wie "Reliquia" oder "Mio Cristo Piange Diamanti" (Mein Christus weint Diamanten) versteht sich schnell, wieso sie auf dem Cover einen Habit trägt und über ihre eigene Spiritualität singt.
Popmusikerinnen zeigen, wie religiöse Inhalte weiterentwickelt und neu interpretiert werden können, um mit den Veränderungen und Herausforderungen der modernen Welt mitzuhalten.
Profitiert die Kirche von religiöser Popmusik?
Popmusik mit religiösen Inhalten zu kombinieren, kann auch ein Weg sein, den Glauben an Menschen zu bringen, die sich sonst nicht mit dem Thema beschäftigen. Sie kann den eigenen Glauben stärken und helfen, ihn besser zu verstehen. Popmusikerinnen geben vielen Menschen ein Stück Halt, weil sie Minderheiten eine Stimme geben. Das ist auch etwas, was Jesus vorgelebt hat. So kann Popmusik die Frohe Botschaft auf ihre Weise unterstützen.