Wie Popsongs die Heilige Schrift näher bringen können

Bibelkunde mit Lady Gaga

In Popsongs wie "Hallelujah" von Leonhard Cohen oder "Judas" von Lady Gaga steckt oft mehr Bibel als gedacht. Der evangelische Theologe Uwe Birnstein zeigt in seinem Buch "Hits from Heaven" wie nah die Bibel an den Menschen ist.

Autor/in:
Hilde Regeniter
Lady Gaga / © Stephen Morrison (dpa)
Lady Gaga / © Stephen Morrison ( dpa )

DOMRADIO.DE: Sie spannen den Bogen von Bob Dylan bis Lady Gaga. Nach welchen Kriterien haben Sie die Songs ausgesucht?

Uwe Birnstein / © Maren Kolf
Uwe Birnstein / © Maren Kolf

Uwe Birnstein (Evangelischer Theologe und Autor): Das waren keine wissenschaftlichen Kriterien. Ich hab mir Songs, die ich entweder schon im Kopf, in der Playlist oder die ich neu entdeckt habe, vorgenommen. In denen habe ich nach biblischen oder christlichen Schätzen gesucht. Dabei habe ich für mich Erstaunliches gefunden. 

Uwe Birnstein

"Mit den Songs kann man eine super Bibelkunde machen."

"Das Evangelium nach Lady Gaga" hört sich lustig an, aber da ist was dran. Mit den Songs kann man eine super Bibelkunde machen. Diese Bibelkunde ist für Menschen, die die Bibel leider nicht mehr aus der Kirche kennen. Diese Menschen möchte ich anhand von Popsongs durch die Bibel führen. Ich will zeigen, dass die Bibel ein sehr lohnenswertes Buch ist. Das zu kennen, scheuen sich auch keine Pop- und Rockstars.

DOMRADIO.DE: Rosenstolz und die Band BAP aus Köln sind in der Auswahl dabei. "Wenn das Beten sich lohnen würde" von BAP beispielsweise ist ein vielfach missverstandener Titel, oder?

Birnstein: Ja, Wolfgang Niedecken hat mir erzählt, wie viele Protestbriefe er nach diesem Song bekommen hat. Alle haben gedacht, der Herr Niedecken sei so dumpf, der denkt, man darf nur beten, wenn sich das sofort zeigt und das Gebet sofort wirkt. Das meint er aber nicht.

Europafan: Wolfgang Niedecken / © Roberto Pfeil (dpa)
Europafan: Wolfgang Niedecken / © Roberto Pfeil ( dpa )

Er hat einen Blick auf die Mühseligen und Beladenen gelegt und denkt sich, wofür die beten würden, wenn sie nicht die kirchlich vorgefassten Gebete beten müssten. Ich finde diesen Text rührend. Auf Hochdeutsch heißt es: "Einen Rosenkranz dem Poeten,
der als Schaf im Wolfspelz rumsteht
neben Troubadour und Prophet,
denen das Lachen tagtäglich vergeht.
Ich würde eine Kerze aufstellen für Elvis,
ein Hochamt bestellen für John,
Prozessionen gingen für Janis –
all die Helden, die würden belohnt." 

In dem Text betet ein Mensch aus dem Volke, wie es ihm nach dem Sinn steht. Das finde ich eine super Motivation, auch die eigenen Gebete zu formulieren. Auch vorformulierte Gebete wie das Vaterunser sind wichtig, aber die eigenen Gedanken vor Gott zu bringen, finde ich hilfreich und dazu inspirieren mich viele Rocksongs.

Uwe Birnstein

"Natürlich steht das so nicht in der Bibel, aber die Bibel setzt bestenfalls und hoffentlich unsere Fantasie frei."

DOMRADIO.DE: Sie haben "Das Evangelium nach Lady Gaga" erwähnt. Der Song "Judas" von Lady Gaga ist zum Beispiel ziemlich provokant. In ihrem Lied ist Maria Magdalena hin- und hergerissen zwischen Judas und Jesus. Wie bringen Sie solche Titel in eine ernsthafte Auseinandersetzung mit der Bibel?

Birnstein: Es ist "gaga", was Lady Gaga macht. Deswegen nennt sie sich so. Ich finde alle Texte, Romane und Songs wichtig, die biblische Motive aufgreifen und in die Welt blasen. Natürlich steht das so nicht in der Bibel, aber die Bibel setzt bestenfalls und hoffentlich unsere Fantasie frei. 

Sängerin Lady Gaga performt ein Medley bei den 64th Annual Grammy Awards / © Chris Pizzello/Invision/AP (dpa)
Sängerin Lady Gaga performt ein Medley bei den 64th Annual Grammy Awards / © Chris Pizzello/Invision/AP ( dpa )

Bei Lady Gaga hat die Bibel die Fantasie so freigesetzt, dass sie ein toxische Beziehung zwischen Maria Magdalena und Judas kreiert hat. Gleichzeitig ist sie auch in Jesus verliebt. Maria Magdalena möchte Judas verlassen, weil sie erkennt, dass er Böses im Sinn hat und sie eigentlich Jesus liebt. Diese Hin- und Hergerissenheit zwischen dem bösen Verlockenden und dem Reinen, bei dem man weiß, dass Gott darin steckt, schildert dieser Song. Deswegen finde ich den ganz wundervoll.

DOMRADIO.DE: Maria, Jesus und zum Beispiel auch die Engel werden in Liedern aufgegriffen. Sie gliedern das übersichtlich in einzelnen Kapiteln. Sogar der verlorene Sohn taucht auf.

Birnstein: Das hat mich auch überrascht, als ich mich mit den Rolling Stones beschäftigt habe. Als ich mir "Sympathy for the Devil ( zu Deutsch Sympathie für den Teufel)" vorgenommen habe, habe ich gemerkt, dass es auf derselben Platte einen Song gibt, in dem sie die Geschichte des verlorenen Sohnes nacherzählen. Das machen sie ruhig und eindrücklich als Blues-Stück. Deswegen gehört das rein. Die Stones erzählen die Bibel. Wow.

Uwe Birnstein

"In den Geschichten der Bibel spiegeln sich unsere eigenen Nöte, Schwierigkeiten und Fragen wider." 

DOMRADIO.DE: Gibt es ein Lied in Ihrem Buch, das für Sie persönlich eine besondere theologische Tiefe hat?

Birnstein: Die Bibel, das ist nicht irgendwas, was damals geschehen ist. In den Geschichten der Bibel spiegeln sich unsere eigenen Nöte, Schwierigkeiten und Fragen wider. Bruce Springsteen thematisiert die Geschichte von Adam und seinem Sohn Kain, der bekanntlich seinen Bruder Abel umgebracht hat. Springsteen fragt nach, wie das passieren konnte. Wie konnte Kain seinen Bruder umbringen und was hat der Vater damit zu tun?

In seinem Song "Adam Raised a Cane" bringt Bruce Springsteen diese biblische Geschichte mit der Geschichte, die er selber mit seinem leiblichen Vater erlebt hat, zusammen. Das finde ich einen sehr lohnenswerten Umgang mit der Bibel. Es zeigt, die Bibel spiegelt mich, die will mir nichts vormachen, sondern die kennt meine Fragen. Wenn ich diese Geschichten lese oder höre in den Rocksongs, dann klingt das in meiner eigenen Lebensgeschichte ganz viel an und dabei eröffnen sich vielleicht auch Lösungen für meine Probleme.

Das Interview führte Hilde Regeniter.

Quelle:
DR

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