Todesnachrichten zu überbringen, gehört zu den schwierigsten Aufgaben im Einsatz. Diese Verantwortung liegt bei der Polizei. Notfallseelsorger Albi Roebke begleitet die Beamtinnen und Beamten regelmäßig und erlebt, wie der entscheidende Satz das Leben der Angehörigen schlagartig verändert.
"Eben war die Welt der Menschen noch in Ordnung, und dann wird dieser Satz ausgesprochen und die Welt steht still", sagt Roebke. Die Stimme, die die Nachricht ausspricht, mache das Unvorstellbare wahr. Genau deshalb brauche es Seelsorger, die in diesem Moment bei den Betroffenen bleiben.
Wichtiger als Trost
Trauer setzt oft erst viel später ein. Zunächst dominiere Ohnmacht. "Wenn plötzlich etwas geschieht, das ich nicht beeinflussen kann, frage ich mich: Was kann ich überhaupt noch kontrollieren?"
Und genau hier setzt er mit kleinen, fast alltäglichen Fragen an. So fragt er beispielsweise Betroffene: "Möchtest du etwas trinken? Sollen wir kurz spazieren gehen?" Fragen, die banal klingen, aber die darin enthaltene Entscheidung kann den Menschen das Gefühl zurückgeben, wieder selbst handeln zu können. Diese wiedergewonnene Kontrolle sei der erste wichtige Schritt, um später nicht in ein psychisches Trauma zu rutschen.
Begleiten ohne Ziel
Als Seelsorger versteht Roebke seine Aufgabe nicht darin, Lösungen anzubieten oder Ratschläge zu geben. "Ich begleite ohne Zweck und Ziel", sagt er. Es gehe darum, die Betroffenen langsam wieder auf festen Boden zu führen und ihnen zu helfen, den ersten eigenen Schritt zu machen, ohne sie zu drängen.
Das unterscheidet die Notfallseelsorge auch klar von psychologischer Betreuung. Psychotherapeutische Arbeit beginne erst Monate später. Die Seelsorge dagegen ist "Intervention im Moment des Geschehens", betont Roebke. Damit ist sie eine Form der Prävention.
Eigene familiäre Verluste
Roebke weiß selbst, wie es ist, wenn die Welt innerhalb eines Augenblicks zusammenbricht. Er verlor seine Eltern und seinen Bruder bei einem Verkehrsunfall. Diese Erfahrung hat seine Arbeit nicht gebrochen, sondern bestätigt. "Ich habe erlebt, dass das, was wir Menschen anbieten, genau das ist, was ich selbst gebraucht habe", sagt er. Kontrolle zurückzugewinnen, Normalität wiederzufinden, auch wenn das Gewohnte plötzlich zu einer kostbaren Ausnahme geworden sei. All das habe ihm selbst geholfen.
Menschen in extremen Notsituationen zu begleiten, hinterlässt jedoch auch Spuren. Roebke spricht offen darüber, wie wichtig professionelle Supervision, kollegiale Unterstützung und Selbstfürsorge im Alltag eines Notfallseelsorgers sind. Besonders nennt er die Begleitung durch seinen Kollegen, Pater Jürgen Langer. Ohne solche Unterstützung, sagt er, "könnte man den Job nicht machen".
Der Glaube als Quelle
Als evangelischer Pfarrer spielt sein Glaube eine tiefgreifende Rolle. Das Christentum, so Roebke, sei wie das Judentum und der Islam eine Gemeinschaftsreligion, die dazu aufruft, Menschen beizustehen. "Ich schaffe den Raum, dass Gott wirken kann", sagt er. In diesen Momenten könne er "Gott beim Wundertun zuschauen".
Über seine Erfahrungen hat Roebke gemeinsam mit Lisa Hamann ein Buch geschrieben: "Und plötzlich ist nichts mehr wie es war". Damit möchte er ein Tabu aufbrechen. Denn das Gegenteil von gut sei nicht böse, sondern gut gemeint, sagt Roebke. "Wir reden ungern über den Tod und noch weniger über den plötzlichen Tod", erklärt er. Das führe dazu, dass viele unsicher oder sogar hilflos reagieren. Denn die meisten wüssten es einfach nicht besser.