Schon viele haben es unternommen, diverse Auffälligkeiten des neuen Papstes hervorzuheben. Da ist einmal die Mozetta und die Evangelistenstola, die Leo XIV. im Gegensatz zu seinem Vorgänger Franziskus wieder trug. Am nächsten Morgen waren es dann wiederum die schwarzen Schuhe, die man während seiner ersten Heiligen Messe zusammen mit den Kardinälen in der Sixtinischen Kapelle sehen konnte.
Auch wenn Papst Leo am Samstag den Kardinälen ankündigte, bezüglich des Führungsstils den Weg seines Vorgängers Franziskus weiterzugehen, so muss dies jedoch nicht bedeuten, dass er in allem und jedem Äußeren eine Kopie des Bergoglio-Papstes ist. Ein nicht unwesentlicher Unterschied ist, dass Papst Leo XIV. singt, was er in den letzten Tagen mehrfach bewiesen hat – und er singt gar nicht mal schlecht.
Franziskus konnte nicht singen
Es war ein Novum unter den modernen Päpsten, als Franziskus am 13. März 2013 seinen ersten Segen "Urbi et Orbi" nicht in gesungener, sondern in gesprochener Form spendete. Auch vermied er den Gesang in allen Liturgien und pontifikalen Handlungen. Er könne nicht singen, soll er dem damaligen Präfekten des Päpstlichen Hauses, Erzbischof Georg Gänswein, am Rande einer seiner ersten Audienzen gesagt haben, nachdem dieser ihn dazu ermuntert hatte, den Apostolischen Segen in gesungener Form zu erteilen.
Der Gesang ist ein unverzichtbarer Bestandteil in liturgischen Feiern, in der Liturgie der Ostkirche sogar noch stärker als in der Westkirche. Neben den Gemeindegesängen sind es auch die gesungenen Gebete und Akklamationen, die die Feierlichkeit und Schönheit eines Gottesdienstes hervorheben. Doch hier steht und fällt es oft mit demjenigen, der den Gottesdienst leitet, ob nun Laie, Diakon, Priester oder Bischof.
Gesungene Liturgie klerikalistisch?
Neben musikalischen Unsicherheiten, unschöner Singstimme oder mangelndem Gespür für eine Abstufung der Feierlichkeit ist es aber auch manchmal pure Ideologie, die zur Unterlassung des Singens führt, da gesungene Liturgie von manchen Zeitgenossen als klerikalistisch empfunden wird.
Bei allen vergangenen Päpsten war der liturgische Gesang selbstverständlich. Von der ersten Christmette mit Johannes Paul II. 1978 im Petersdom gibt es eine Schallplatte, auf der die kräftige Singstimme des damals 58-Jährigen mit bestem Latein zu hören ist. Sein Nachfolger Benedikt XVI. war ähnlich musikalisch begabt und auch des Lateinischen mächtig, wenngleich die Stimme des Ratzinger-Papstes ein rauchig-kratziges Timbre hatte.
Segen "Urbi et Orbi" gesprochen
Mit Franziskus begann eine zwölfjährige Zeit der Abstinenz. Auch Kardinaldekan Giovanni Battista Re, der dessen Beerdigung wie auch die Messe für den zu wählenden römischen Pontifex leitete, hat zwar viele Talente und zeigt sich trotz seines hohen Alters in außergewöhnlich guter körperlicher Verfassung. Das Singen gehört jedoch nicht zu seinen Fähigkeiten.

Als am vergangenen Donnerstagabend Robert Francis Prevost als Papst Leo XIV. auf die Benediktionsloggia trat und ihm die Menge zujubelte, sprach der sichtlich gerührte Neugewählte zwar mit kräftiger Stimme, seinen ersten Segen "Urbi et Orbi" erteilte er jedoch nicht in gesungener Form und folgte somit seinem Vorgänger Franziskus. War es die Aufregung?
Am nächsten Morgen bei der Messe mit den Kardinälen in der Sixtinischen Kapelle zeigte sich ein gemischtes Bild: Die Eröffnung sang der neue Pontifex mit sicherer und sogar sehr schöner Stimme. Ebenso stimmte er auch das Gloria an. Doch das Tagesgebet und auch die Präfation sprach Leo.
Messbuch zum Singen unpraktisch
Ein Schlüssel zum Verständnis dieser Inkonsistenzen könnte das Messbuch sein. Die Orationen sind dort ohne Noten niedergeschrieben. Es gibt zwar Regeln für Orationstöne, die je nach Satzendung anzuwenden sind. Diese beherrscht jedoch nicht jeder Liturge. Auch bei den Präfationen verhält es sich so, dass nicht jede in einer vertonten Fassung im Messbuch zu finden ist.
Ein Kardinal, der einmal vertretungsweise im Petersdom ein Pontifikalamt übernommen hatte, schilderte dem damaligen Papst Benedikt XVI., dass er die Präfation aufgrund des Fehlens von Noten habe sprechen müssen und bezeichnete somit das Missale als defizitär. Der Papst soll ihm daraufhin geantwortet haben, besagtes Missale sei ein Buch für die Bibliothek – demnach ist es eher weniger für den Altar geeignet.
"Regina caeli" am Sonntag gesungen
Als nun Leo XIV. am Sonntagmittag sein erstes "Regina caeli" betete, stimmte er die Antiphon aus dem 12. Jahrhundert an und sang sie mit kräftiger Stimme, was ungewöhnlich ist, da sowohl der Angelus als auch das Regina caeli von den Päpsten für gewöhnlich in gesprochener Form gebetet wird. CNN-Korrespondent Christopher Lamb teilte kurz darauf über die Plattform X mit: "A surprise from Pope Leo: singing the #ReginaCaeli prayer". "Pontifex cantando" formulierte der Nutzer Bellfrell und unterstrich seine Zufriedenheit mit einigen Smilies.
"Wer singt, betet doppelt", soll der heilige Augustinus einst gesagt haben. Sollte also nicht nur der Wahlspruch des Papstes vom Namensgeber seines Ordens inspiriert sein, sondern auch dieses Motto Auswirkungen haben, dürfte die Freude auf künftige Pontifikalliturgien mit gesungenen Texten groß sein. Ob dann auch eines Tages der Apostolische Segen wieder in gesungener Form erklingt, bleibt abzuwarten.