Wie gehen ukrainische Kinder mit der Bedrohungslage um?

"Das löst große Ängste aus"

Kommt die russische Invasion? Und wenn ja, wann? Die Lage ist verwirrend und belastet nicht nur Erwachsene weltweit, sondern auch Kinder in der Ukraine. Das Kindermissionswerk "Die Sternsinger" unterstützt Projektpartner vor Ort.

Ein Kind steht neben ukrainischen Soldaten und imitiert ihre Haltung / © Vadim Ghirda (dpa)
Ein Kind steht neben ukrainischen Soldaten und imitiert ihre Haltung / © Vadim Ghirda ( dpa )

DOMRADIO.DE: Was hören Sie denn konkret von ihren Projektpartnern, wie erleben die Jungen und Mädchen in der Ukraine die derzeitige Bedrohungslage?

Dr. Klemens Büscher (Osteuropa-Experte Kindermissionswerk "Die Sternsinger"): Bis vor kurzem, ich würde mal sagen bis Jahresanfang, war die sich aufbauende russische Bedrohung noch kein akutes Thema, das überall in der ukrainischen Gesellschaft diskutiert wurde. Aber zuletzt ist die russische Androhung der Gewalt so offensichtlich und auch glaubhaft geworden, dass sie mittlerweile doch überall in der Ukraine präsent ist. Und auch die Kinder sehen und hören von der drohenden Gefahr. Was sie sehen und hören, löst bei vielen Kindern große Ängste aus.

Natürlich können Kinder die Ursachen und die konkreten Zusammenhänge der Lage nicht vollständig verstehen. Aber sie spüren fast schockartig, dass es jetzt tatsächlich um ganz existenzielle Dinge geht, dass es Krieg geben könnte, dass es Bomben und Schüsse geben kann, dass man eventuell Schutz suchen muss in einem Keller, dass man vielleicht fliehen muss und seine Spielsachen oder seine Haustiere zurücklassen muss. Und vor allem die Kinder spüren, dass das Leben der eigenen Familie, der Eltern, der Geschwister, der Freunde konkret bedroht ist. Und die Kinder wissen, dass Väter, Großväter und Onkel, die in der Armee dienen, auch ganz unmittelbar mit dem Tode bedroht sind.

Klemens Büscher, Osteuropaexperte "Die Sternsinger"

"Die Kinder wissen, dass Väter, Großväter und Onkel, die in der Armee dienen, auch ganz unmittelbar mit dem Tode bedroht sind."

DOMRADIO.DE: Wie reagieren Ihre Projektpartner vor Ort darauf? Welche Projekte gibt es konkret?

Büscher: Wir haben ja laufende Projekte in der Ukraine. Wir unterstützen schon seit vielen Jahren vor allem Kinder aus besonders schwierigen Familienverhältnissen, also Kinder, die zum Beispiel von großer Armut betroffen sind oder Waisenkinder. Ein wichtiges Instrument dabei sind Kinderzentren. Das sind nachmittags Zentren für die schulische Betreuung, in denen Kinder vielfältige Unterstützung bekommen von der Hausaufgabenhilfe, Lernhilfe über kreative Förderung, aber auch soziale Unterstützung, psychologische Beratung, Aufnahme in die Gemeinschaft oder einfach mal eine warme Mahlzeit.

In diesen Kinderzentren, aber auch in einigen anderen Projekten, die wir unterstützen, ist das jetzt auch ein großes Thema. Zum Teil, weil das die Kinder selber jetzt auch ansprechen, wenn sie in die Zentren kommen. Was sie gehört haben, darüber wollen sie reden. Zum Teil aber wollen auch die Mitarbeiter der Caritas selbst die Dinge erklären und sind zum Teil auch mit externen Experten im Kontakt, mit Experten für zivile Sicherheit. Erklärt wird, was zu tun ist im Notfall, wie man einen Notfallkoffer packt, was da reingehört und was nicht. Also diese ganz konkreten Dinge auch die sind schon im Gespräch.

DOMRADIO.DE: Jetzt hat man ja in den letzten Tagen das Gefühl von einer leichten Entspannung. Haben Ihre Projektpartner vor Ort mehr Hoffnung, als noch vor einer Woche, auf eine diplomatische Lösung?

Büscher: Das kann ich eher nicht bestätigen. Also da ist doch die Sorge groß, dass es sich dabei letztlich um eine Finte der russischen Seite handelt und dass man verdeckt dann doch noch weiterhin an dem Aufbau arbeitet. Also die meisten Partner sehen das realistisch und sagen, es könnte tatsächlich jetzt in Kürze losgehen.

Das Interview führte Martin Mölder.

Papst bekräftigt seine Bitte um Frieden in der Ukraine

Papst Franziskus hat seine Bitte um Frieden in der Ukraine bekräftigt. "Krieg ist ein Wahnsinn, ein Unsinn", mahnte der 85-Jährige am Mittwoch bei der Generalaudienz im Vatikan. Zugleich bedankte er sich bei allen, die am weltweiten Friedensgebet für die Ukraine Ende Januar teilgenommen hatten.

Franziskus hat bereits mehrfach seine Sorge über die Lage in der Region zum Ausdruck gebracht. Das Volk habe in der Geschichte, etwa im Zweiten Weltkrieg, bereits viel Leid erleben müssen. Die Ukraine habe Frieden verdient, so Franziskus.

Papst Franziskus erscheint am 09.02.2022 zur Generalaudienz / © Gregorio Borgia (dpa)
Papst Franziskus erscheint am 09.02.2022 zur Generalaudienz / © Gregorio Borgia ( dpa )
Quelle:
DR
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