DOMRADIO.DE: Wie schockierend muss es für die Trauernden und Angehörigen sein, wenn noch gar nicht sicher ist, ob der Leichnam geborgen werden kann?
Christoph Kuckelkorn (Kölner Bestattungsunternehmer): Ganz am Anfang eines Trauerprozesses steht für die Familie die Herausforderung, einen Tod zu akzeptieren. Wenn das aber nur eine Nachricht ist, also gar nicht so real existent, wenn man sich vom Tod nicht wirklich haptisch oder auch durch eine Verabschiedung an einem offenen Sarg überzeugen kann, dann ist es eine rein intellektuelle Leistung. Das ist eine große Herausforderung.
Wenn ein Tod so passiert, dass jemand erst gar nicht auffindbar ist und gar nicht klar ist, ob man den Menschen überhaupt bestatten kann, dann ist das eine ganz schwierige Situation.
Was für Möglichkeiten gibt es da? Ist da eine Trauerfeier oder ein Trauergottesdienst eine gute Möglichkeit? Kann man mit Fotos arbeiten, kann man mit besonderen Gegenständen arbeiten, die einen Menschen dann vielleicht an der Stelle repräsentieren? Das kann unter Umständen gelingen, aber das muss sehr bewusst und sehr gut geplant angegangen werden.
DOMRADIO.DE: Das kann es ja geben, auch wenn Menschen im Meer ertrinken oder Soldaten im Krieg sterben. Wie kann eine Trauerfeier ohne Leichnam stattfinden?
Kuckelkorn: Wir machen uns in einem solchen Moment sehr viel Mühe, gehen mit den Angehörigen auf die Suche und überlegen, was einen Menschen in einer Trauerfeier repräsentiert. Ist es vielleicht ein schönes Foto? Ist es vielleicht irgendetwas, das dem Menschen etwas bedeutet hat? Ist es zum Beispiel eine besondere Ausrüstung? Ist das beispielsweise ein Fahrrad oder sind das vielleicht die Skier? Was ist es, was den Menschen repräsentiert?
Wir überlegen dann, wie wir solche Elemente in eine Trauerfeier einbauen, sodass sie tatsächlich auch eine visuelle und eine haptische Verbindung zu dem Menschen, der gegangen ist, aufbauen. Das ist, glaube ich, ganz wichtig.
DOMRADIO.DE: Dazu kommt die Zeit der Ungewissheit, nicht zu wissen, wann es eine Trauerfeier geben wird. Wie halten das Angehörige überhaupt aus?
Kuckelkorn: Manchmal kann es tatsächlich Monate und Jahre dauern, bis eine Bergung stattfindet. Das ist eine sehr schlimme und leidvolle Zeit. In der Regel ist es so, dass wir diese Zeit mit einem Trauergottesdienst oder einer Trauerfeier, wenn jemand nicht konfessionell gebunden ist, so verkürzen, dass es für die Menschen zumindest einen provisorischen Abschluss gibt und sie in ihrem Leben eine feste Größe haben.
Den Verlust eines Menschen zu akzeptieren, ohne dass man sich vom Tod überzeugen konnte, ist schwierig. Da braucht man für das Leben, das danach kommt, feste Bezugsgrößen, und da kann ein Trauergottesdienst tatsächlich ein ganz wichtiges Element sein.
DOMRADIO.DE: Es wäre also durchaus wichtig, wenn der Leichnam von Laura Dahlmeier geborgen und nach Deutschland gebracht werden könnte?
Kuckelkorn: Ja, solange eine Bergung nicht stattgefunden hat und auch wenn der zeitliche Verlauf und auch ein Unfallverlauf eigentlich gar nichts anderes vermuten lassen, ist es ja keine reale Situation, dass derjenige tot ist. Wer weiß? Da eine Gewissheit herzustellen, ist unglaublich wichtig.
Insofern ist es genau richtig, jetzt so zu verfahren, wenn man keinen Menschen in Gefahr bringt, hier eine Bergung anzustreben, damit es einen Abschluss für Familie und für Fans gibt. Es trauert ja nicht nur die Familie, auch eine breite Öffentlichkeit trauert im Moment. Die Menschen in der Republik sind sehr betroffen. Insofern ist der Trauerkreis sehr viel größer. Hier einen Abschluss zu finden, ist für alle, die daran teilhaben, ein wichtiges Element.
DOMRADIO.DE: Laura Dahlmeier hatte in ihren jungen Jahren schon genau verfügt, was geschehen soll, wenn sie in den Bergen verunglückt. Das ist eine ungewöhnliche Umsicht, aber jetzt für die Angehörigen sicher sehr hilfreich. So viel Umsicht kommt aber bei jungen Menschen doch eher selten vor, oder?
Kuckelkorn: Viele Menschen mit einem riskanten Hobby überlegen schon, was denn passiert, wenn ihnen etwas passiert. Bergsteigen ist ja ein riskantes Hobby. Die Lebensgefahr ist nichts, das aus der Luft gegriffen ist, sondern man kennt dann vielleicht den einen oder anderen Bergsteiger, der abstürzt und dann nicht mehr gefunden wird.
Vielleicht hat sie aus eigenen Erlebnissen an manchen Bergen auch gesehen, dass Verstorbene, wie etwa am Mount Everest, da auch aufbewahrt werden, bis sie dann irgendwann geborgen werden können. Sie wird sich mit dieser Situation sehr bewusst auseinandergesetzt haben.
Zudem hat sie sich durch viele Entscheidungen in ihrem Leben schon als eine sehr verantwortungsvolle Person erwiesen, die ganz bewusst diese Schritte in ihrem Leben ging. Insofern war dieser Schritt eigentlich fast schon zu erwarten und sehr konsequent. Deswegen ist das für mich gar nicht so überraschend.
Das Interview führte Johannes Schröer.