DOMRADIO.DE: Am Sonntag hat die Präsidiumsklausur der CDU begonnen. Zwei Tage berät die CDU-Führung, wie sie sich für die Landtagswahlen im nächsten Jahr aufstellen will. Und die Kernfrage dabei: Wie geht man mit der immer stärker werdenden AfD um? Wie schaut es denn jetzt aus – wird es einen Kurswechsel im Umgang mit der AfD geben?
Dr. Karin Wollschläger (Leiterin des KNA-Hauptstadtbüros): Nein! Aber es ist doch kompliziert und man muss genau hinschauen. Diese Diskussion um die sogenannte Brandmauer ist brandgefährlich. Bisher ist die offizielle Linie: Keine Zusammenarbeit mit der AfD! Und dabei wird es nach dem Willen der Parteiführung auch bleiben – nach allem, was bislang von der Präsidiumsklausur nach außen gedrungen ist. Also: Keine Öffnung Richtung AfD und kein Kurswechsel beim Umgang mit der Partei.
Das hat Bundeskanzler Friedrich Merz am Wochenende schon sehr deutlich so angekündigt. Und es wundert auch nicht, wenn man schaut, wer im CDU-Präsidium so alles sitzt: Familienministerin Karin Prien, die Ministerpräsidenten Daniel Günther, Boris Rhein, Hendrik Wüst – die haben alle auch in den vergangenen Tagen nochmal sehr deutlich gesagt, dass sie nichts mit der AfD zu tun haben wollen.
Man muss schauen: Angefacht haben diese neuerliche Debatte um einen Kurswechsel beim Umgang mit der AfD ja prominente Ex-Spitzenvertreter der Union wie Karl-Theodor zu Guttenberg oder Peter Tauber. Deren Einfluss sollte man aber nicht überbewerten. Und dann stimmten diverse führende ostdeutsche CDU-Politiker mit ein und in der Tat gibt es da ein Rumoren in den Landesverbänden. Im Vordergrund steht bei ihnen aber vor allem die Frage: Wie halten wir es bei Abstimmungen im Parlament mit der AfD? Was ist, wenn CDU-Anträge nur mit der AfD eine Mehrheit bekommen?
DOMRADIO.DE: Aber muss die CDU diese Brandmauer-Debatte nicht auch führen?
Wollschläger: Natürlich muss sie sich über ihren Umgang mit der AfD verständigen. Die Brandmauer-Debatte ploppt ja immer wieder auf. Aber die Art und Weise, wie das auch jetzt wieder geschieht, könnte kontraproduktiv sein. Schauen wir einmal auf die Argumentation derjenigen, die die Brandmauer lockern wollen. Sie sagen: Die derzeitige Stigmatisierung und Boykottierung habe die AfD nur stärker werden lassen. Die Frage ist aber: Ist es tatsächlich der Boykott, der die AfD hat wachsen lassen – oder ist nicht vielmehr das Problem, dass die demokratischen Parteien bei den für die Menschen drängenden Themen bislang keinen tragfähigen Ansatz gefunden haben?
Und was man sicher auch fragen kann: Glaubt tatsächlich jemand, dass weniger Menschen die AfD wählen, wenn die CDU künftig mit ihr kooperiert? Faktisch trägt das wohl eher zu einer Normalisierung der AfD bei. Und nichts mehr wünscht sich die AfD.
Außerdem ergäbe sich noch ein gravierendes Problem für die CDU – und die Demokratie!
DOMRADIO.DE: Welches?
Wollschläger: Wenn die CDU mit der AfD zusammenarbeiten würde, hätte sie keinen anderen Koalitionspartner mehr. Denn SPD, Grüne und Linke ziehen da auf keinen Fall mit. Dann würde eintreten, was die AfD ja erklärtermaßen anstrebt: Das demokratische Lager wäre gespalten. Und die Folgen dieses Szenarios wären wirklich katastrophal. Wenn es nicht gelingt, in der AfD-Debatte parteiübergreifend eine klare Linie zu ziehen, entsteht ein gefährliches Vakuum.
DOMRADIO.DE: Wie blicken die Kirchen auf das Ganze?
Wollschläger: Mit großer Besorgnis! Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Bischof Georg Bätzing, hat ja bei der Herbstvollversammlung nochmal betont, er hoffe, dass die Brandmauer halte.
Wobei die Kirchen in Teilen diese Debatte um den Umgang mit der AfD in der konkreten Praxis ja auch führen und führen müssen. Die katholische Kirche hat ja im Februar 2024 mit einem Papier ganz klar Position bezogen: Die AfD mit ihrem völkischen Nationalismus ist ein No-Go und für Christen nicht wählbar. Die Haltung der Kirche – der katholischen wie auch der evangelischen – ist da ist glasklar. Allerdings ringt auch die Kirche immer wieder, wie man mit AfD-Vertretern im ganz praktischen Alltag umgehen soll, kann, muss.
DOMRADIO.DE: Hast du da Beispiele?
Wollschläger: Einerseits ist es eine innerkirchliche Frage: Was tun, wenn AfD-Mitglieder in einer Pfarrei angestellt sind oder Ehrenämter haben: Angefangen beim Messdiener, über den Organisten und die Chorleiterin bis hin zum Pfarrgemeinderat oder Kirchenvorstand. Dazu gibt es inzwischen Leitlinien und Gremienordnungen wurden angepasst, um Menschen, die ein Amt in der AfD innehaben oder erkennbar mit extremistischen Positionen sympathisieren, aus kirchlichen Gremien ausschließen zu können.
Eine andere, komplizierte Frage ist aber: Wie soll die Kirche mit AfD-Vertretern umgehen, die zu öffentlichen Funktionsträgern werden? Inzwischen haben wir den ersten AfD-Landrat und erste AfD-Bürgermeister. Was, wenn ein AfD-Vertreter Landespolizeipräsident wird? Oder Chef einer Landesdirektion – die ist in Sachsen zum Beispiel zuständig für die Aufnahme von Asylbewerbern und die Aufnahmeeinrichtungen. Kann man da als Kirche sagen: Mit denen sprechen wir nicht, wenn ein AfD-Mann den Posten innehat? Das dürfte schwierig werden. Das Problem ist: Für diesen Fall gibt es im Prinzip keine Blaupause, weil es seit 1945 in Deutschland Rechtsextreme bislang nie soweit nach oben in diese öffentlichen Funktionen geschafft haben. Inzwischen kann man das nicht mehr ausschließen und die Kirchen täten gut daran, sich schon jetzt Gedanken darüber zu machen.
DOMRADIO.DE: Was wäre dabei wichtig?
Wollschläger: Wichtig wäre meines Erachtens zu schauen, wem in welcher Rolle welche Aufgabe zufällt. Die Kirchenleitungen haben eine klare Haltung zur AfD und sie tun der AfD nicht den Gefallen, zu ihrer Normalisierung beizutragen. Sie grenzen sich kategorisch ab und begründen das ganz klar. Das ärgert die AfD, ziemlich sogar. Das sieht man immer wieder an den Attacken, die die Partei gegen die Kirchen reitet. Die Kirchen verlieren zwar an Einfluss, aber sie sind doch immer noch ein moralischer Marker in gesellschaftspolitischen Fragen. Das nimmt auch die AfD so war, sonst wäre es ihr ja völlig egal, was die Kirchen über sie sagen.
DOMRADIO.DE: Und wie sollten sich Seelsorger verhalten?
Wollschläger: Eine andere Rolle haben Seelsorger an der Basis. Sie sind erst einmal für jeden da, der zu ihnen kommt - ganz egal welches Parteibuch oder welche politische Einstellung derjenige oder diejenige hat. Den Seelsorgern fällt auch die wichtige Aufgabe zu, mit denjenigen im Gespräch zu sein, die Orientierung suchen und die vielleicht glauben, dass die AfD mit ihren Inhalten der richtige Weg sein könnte.
Für solche Gespräche braucht es gutes Rüstzeug und ich denke auch besondere Schulungen, in denen noch einmal deutlich gemacht wird: Was genau ist so problematisch an der AfD, an ihren Inhalten und an ihrer Rhetorik, was sind die Mechanismen, die verfangen. Denn das muss man ja nüchtern sehen: Auch unter Seelsorgern gibt es welche, die durchaus für AfD-Inhalte und Argumentationen empfänglich sind, gerade bei etwa solchen Themen wie Abtreibung. Hier muss noch klarer deutlich gemacht werden, warum es da nur eine scheinbare Übereinstimmung mit der Kirche gibt und warum ein Zugehen auf die AfD brandgefährlich wäre.
Das Interview führte Marcus Poschlod.