Evangelischer Journalist Wild über Umgang der Kirche mit AfD

"Wir dürfen uns als Kirchen nicht verzwergen"

Was macht es mit Gesellschaft und Kirche, wenn die AfD stärkste politische Kraft ist? Willi Wild berichtet von der Situation in Thüringen. Der Chefredakteur einer evangelischen Kirchenzeitung sieht Dialog-Bemühungen mit den Menschen.

Autor/in:
Lara Burghardt
Willi Wild ist Chefredakteur der evangelischen Kirchenzeitung Glaube und Heimat aus Weimar. (DR)
Willi Wild ist Chefredakteur der evangelischen Kirchenzeitung Glaube und Heimat aus Weimar. / ( DR )

DOMRADIO.DE: Seit vergangenem Jahr hält die AfD in Thüringen die Mehrheit im Landesparlament. Hat das die Stimmung im Bundesland verändert?

Willi Wild (Chefredakteur der evangelischen Wochenzeitung Glaube und Heimat in Weimar): Ich kann auf diese Frage aus Sicht eines kirchlichen Mediums antworten. Wir begleiten sogenannte Verständigungsorte, die von unserer Landeskirche eingerichtet wurden und an denen man versucht, mit Menschen ins Gespräch zu kommen. Dazu gehören auch AfD-Wähler. Wir hören dort einfach zu, was die Menschen bewogen hat, diese Partei zu wählen. Wir wollen verstehen, was sie vermissen und aufzeigen, dass Kirche eine andere Sicht als die AfD vertritt.

DOMRADIO.DE: Und was antworten die Menschen Ihnen an diesen Verständigungsorten?

Wahlkampf-Abschluss der AfD auf dem Erfurter Domplatz / © Paul-Philipp Braun (epd)
Wahlkampf-Abschluss der AfD auf dem Erfurter Domplatz / © Paul-Philipp Braun ( epd )

Wild: Viele sind unzufrieden mit der aktuellen Situation. Da gibt es manchmal auch so etwas wie Phantomschmerz, dass man sich also über Dinge beklagt, die eigentlich nur vom Hörensagen bekannt sind. Mit diesen Menschen in Kontakt zu kommen, ist der erste Weg zu sagen, dass man zuhören und – wenn es denn möglich ist – auch mit ihnen reden möchte.

DOMRADIO.DE: Die katholischen Bischöfe haben im vergangenen Jahr einstimmig ein Dokument gegen völkischen Nationalismus verabschiedet. Wie gehen Ihre Landeskirchen mit der AfD um?

Wild: Ein Beispiel: Es gab vor kurzem Gemeindekirchenratswahlen in unserem Verbreitungsgebiet. Das bedeutet, etwa 575.000 evangelische Kirchenmitglieder waren dazu aufgerufen,1.750 Gemeindekirchenräte zu wählen. Das sind insgesamt 11.000 sogenannte Kirchenälteste. Zuvor mussten die Kandidaten für dieses Ehrenamt aber eine Erklärung unterzeichnen, dass sie keiner Partei angehören, die als rechtsextremistisch vom Verfassungsschutz eingestuft worden ist.

Willi Wild

"Ich vermute, dass gerade ostdeutsche Christen sich wegen ihres Glaubens in so verantwortliche Positionen wählen lassen."

DOMRADIO.DE: Vor kurzem hat der noch amtierende Ministerpräsident von Sachsen-Anhalt, Reiner Haseloff, seine Biografie veröffentlicht, in der er besonders seine Identifikation mit den Werten des Christentums betont. Damit ist er in Ostdeutschland kein Einzelfall. Warum gehen gerade ostdeutsche Politiker so offen mit ihrem Glauben um?

Wild: Ich habe Haseloffs Biografie auch gelesen und finde sie beeindruckend. Es ist eine ganz andere Biografie eines Politikers, als man sie sonst kennt. Ich finde es wirklich sehr bemerkenswert, wenn er darüber berichtet, wie er seinen Glauben auch in der DDR gelebt hat. Ich vermute, dass gerade ostdeutsche Christen sich wegen ihres Glaubens in so verantwortliche Positionen wählen lassen. Sie wollen Verantwortung übernehmen und wissen sich von ihren christlichen Werten getragen.

Willi Wild

"Ökumene wird bei uns tatsächlich sehr groß geschrieben. Das war schon zu DDR-Zeiten so, weil es wichtig war, dass sich die Christen zusammentun."

DOMRADIO.DE: Die Kirchenbindung sinkt bundesweit, in Thüringen auch. Welche Rolle spielt die Kirche bei Ihnen noch? Wird ihre Stimme überhaupt noch in der Gesellschaft wahrgenommen? 

Wild: Wir dürfen uns als Kirchen nicht verzwergen, denn nach wie vor sind die Kirchenmitglieder – seien sie nun katholisch oder evangelisch – die größte organisierte zivilgesellschaftliche Gruppe. Das gilt auch im Osten und damit sind wir natürlich auch die größte Wählergruppe. Insofern müssen wir wirklich dafür Sorge tragen, dass man unsere Stimme hören kann. Dafür sorgen etwa wir als christliches Medium. Wir sind kirchennah, aber nicht das Verlautbarungsorgan der Kirchenleitung. Das ist sehr wichtig, weil wir unsere Aufgabe darin sehen, auf der einen Seite kritische Begleiter der Kirche zu sein, aber eben auch eine gesellschaftliche Aufgabe wahrzunehmen, indem wir Kirche sichtbar machen. 

Bodo Ramelow  / © Bernd von Jutrczenka (dpa)
Bodo Ramelow / © Bernd von Jutrczenka ( dpa )

DOMRADIO.DE: Wie sieht es in Thüringen mit dem Miteinander der Konfessionen aus?

Wild: Wir sind als kirchliches Medium sehr ökumenisch ausgerichtet. Nächste Woche fliegen wir mit einer Lesergruppe zum Papst nach Rom. Bodo Ramelow wird uns dabei begleiten. Der freut sich natürlich besonders, dass er bereits dem dritten Papst die Hand schütteln kann. Ökumene wird bei uns tatsächlich sehr groß geschrieben. Das war schon zu DDR-Zeiten so, weil es wichtig war, dass sich die Christen zusammentun. Es spielte keine Rolle, welcher Konfession man angehörte, sondern wir haben unsere gemeinsame Basis betont: den Glauben an Jesus Christus. Das ist das, was uns verbindet.

Das Interview führte Lara Burghardt. 

Studie: AfD weniger christlich als vor sieben Jahren

Die AfD beschwört in Reden immer wieder das "christliche Abendland". Gleichzeitig halten Wissenschaftler die Positionen der rechten Partei für nicht vereinbar mit einer christlich verstandenen Politik. Das geht aus der Neuauflage einer Studie der Universität Münster hervor. Die Positionen der AfD und der katholischen Kirche lägen vielmehr noch weiter auseinander als vor einigen Jahren, sagt einer der Autoren der Studie, der Sozialethiker Alexander Filipovic.

Eine Papiertasche der Partei AfD hängt an einem Haken in einer Kirchenbank / © Harald Oppitz (KNA)
Eine Papiertasche der Partei AfD hängt an einem Haken in einer Kirchenbank / © Harald Oppitz ( KNA )
Quelle:
DR

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