Thomas Diederichs hat gerne wenig zu tun. "Das bedeutet, dass alles glatt läuft", sagt der 50-Jährige. Oft ist das so, dank penibler Vorbereitung und viel Erfahrung. Dieses Mal aber nicht. In wenigen Minuten soll die Liveübertragung des Gottesdienstes von Libori starten, doch aus irgendeinem Grund streikt eine Fernsehkamera. Der Aufnahmeleiter der Gottesdienstübertragungen von DOMRADIO.DE läuft hektisch in eine kleine Kapelle des Paderborner Doms, kramt in einer Tasche und kommt mit einer Videokamera zurück. Problem gelöst. Diederichs hat wieder Ruhe – vorerst.
Hinter der Liturgie im Dom, dem Duft von Weihrauch und den schmetternden Bläsern des Libori-Tuschs arbeitet ein sechsköpfiges Team, das man nie sieht: die Fernsehmacher von DOMRADIO.DE. Mit einem eigenen Übertragungswagen, hunderten Metern Kabel, zahlreichen Mikrofonen, Kameras und viel Wissen im Gepäck sorgen sie dafür, dass Menschen auf der ganzen Welt Gottesdienste wie das Kirchenfest Libori live miterleben können – zu Hause, unterwegs oder im Pflegeheim.
Christopher Kamps – Schrein und Schärfe
Die schönsten Bilder entstehen nicht von allein. Sie brauchen einen Kameramann wie Christopher Kamps (48). Seit einigen Jahren gehört er zum Team. Ursprünglich ist er über das Videoarchiv zu DOMRADIO.DE gekommen, heute ist er zusätzlich mit der Kamera vor Ort. Das braucht Ausdauer, wie er verrät. "Du stehst gut zwei Stunden auf einem Podest, das gerne mal ein bisschen wackelt. Du darfst dich also nicht bewegen, weil dein Bild gerade live geht."
Er ist aber keine Statue. Es müssen immer flüssige Bewegungen für die Kameraschwenks möglich sein. Denn Kamps arbeitet ausschließlich manuell – kein Autofokus, kein automatischer Zoom, wie man es vom Handy kennt. "Dafür braucht man gute Augen, damit man die Schärfe am Kameramonitor erkennt. Die habe ich zum Glück." Was er in den Fokus nimmt, entscheidet natürlich die Liturgie, aber auch sein Gefühl. "Es geht um Balance. Ruhige, festliche Bilder mit Tiefe."
Sein Lieblingsmotiv bei Libori? "Der Schrein. Riesig, golden, mit den Pfauenfedern oben drauf. Und natürlich die Menschen. Die sind immer am spannendsten." Trotz dieser Anstrengung macht ihm die Arbeit sichtbar Spaß. "Es ist abwechslungsreich. Jede Kirche ist anders."
Alexander Foxius – Der Blick fürs Ganze
"Wir sitzen im Fernsehen in der ersten Reihe", sagt Alexander Foxius, Bildregisseur bei DOMRADIO.DE. Das ist durchaus wörtlich gemeint. Seine Regie im Übertragungswagen entscheidet darüber, was die Zuschauerinnen und Zuschauer auf dem Bildschirm sehen: den Bischof, der predigt, den Chor in Nahaufnahme oder die Gemeinde beim Friedensgruß. "Die Kunst liegt darin, eine liturgische Dramaturgie in eine Bildsprache zu übersetzen", erklärt der 41-Jährige, der schon viele Jahre beim Multimediasender arbeitet.
Foxius sitzt im roten Übertragungswagen, ein umgebauter Transporter. Wenn er neben dem großen Paderborner Dom steht, möchte man kaum glauben, dass darin ein vollwertiges Sendestudio untergebracht ist. Direkt unterstützt wird er von Bildmischer Fabian Rödder (34), der auf dem Sitz neben ihm vier Videokameras fernsteuert, die möglichst unauffällig im Dom positioniert werden. Alle haben per Funk Kontakt, während der Übertragung gibt es nie Stille.
Im hinteren Teil des Transporters gibt es eine abgetrennte Kabine für den Tontechniker. So, wie die Bilder gemischt werden, kümmert er sich um einen klaren Ton. Dafür werden zahlreiche Spezialmikrofone aufgebaut, aber auch die Anlage der Kirche mitgenutzt. Für Foxius und seine Kollegen ist jedes Gotteshaus eine neue Herausforderung. "Architektur, Lichtverhältnisse, Akustik – das ist nie gleich. Aber wir wollen, dass die Menschen am Bildschirm wirklich mitfeiern können."
Beim Libori-Fest hat sich dadurch auch das Erlebnis im Dom verändert. "Die Übertragung der Reliquien-Erhebung in der Krypta war früher oben im Dom kaum erfahrbar. Jetzt verbinden wir Ober- und Unterkirche durch Monitore und Kameras."
Solche Momente zeigen, was eine durchdachte Übertragung bieten kann. Dabei hilft den DOMRADIO.DE-Mitarbeitern ihr christlicher Hintergrund. "Es gibt eine sogenannte mystagogische Bildregie, die schon viele Jahrzehnte alt ist und sich an der Liturgie orientiert", erklärt Foxius. "Wir zeigen, was wichtig ist und lassen Raum für die Würde des Moments." Bei der Wandlung konzentriert man sich deshalb auf den Altar, bei der Predigt oder den Gesängen auch auf das Publikum. Immer mit dem Blick dafür, auch die Atmosphäre des Gotteshauses einzufangen.
Thomas Diederichs – Der Feuerwehrmann der Produktion
Wenn irgendwo ein Kabel fehlt, ein Mikro nicht funktioniert oder eine Kamera wackelt, ist Thomas Diederichs zur Stelle. Der selbstständige Veranstaltungstechniker ist als Aufnahmeleiter so etwas wie der Feuerwehrmann der Produktion. Der Job beginnt lange vor dem Gottesdienst: "Mindestens vier Stunden Aufbau – mit vier Leuten und dem Bildregisseur, der aber oft andere Dinge zu erledigen hat, redaktionelle und organisatorische", sagt er trocken.
Für Libori werden rund 1300 Meter Kabel verlegt – quer durch den Dom, teils über Köpfe hinweg, teils unter Kirchenbänken hindurch. "Das passiert alles im laufenden Betrieb. Da muss man aufpassen, dass sich keiner die Hacken bricht", sagt Diederichs. Während der Messe steht er bereit, falls etwas ausfällt. Wie jetzt die Kamera. "Da bist du drauf vorbereitet, rennst los, holst Ersatz, baust um. Muss laufen."
Dabei hilft ihm seine Erfahrung. Diederichs ist seit Jahren bei Libori dabei – und kennt nicht nur die Technik, sondern auch die Wege. "Wenn man weiß, wo die Toilette im Sakristeischrank versteckt ist, hat man es leichter", sagt er und lacht. Manchmal muss es eben schnell gehen. Seine trockene und ironische Art lockert viele stressige Situationen auf, bedeutet aber nicht, dass man unprofessionell wird.
Wo ist es besser, in der Kirche oder am Bildschirm?
Was ist nun besser, vor dem Bildschirm die heilige Messe zu feiern oder in der Kirche selbst? "Es hat beides Vor- und Nachteile", sagt Foxius. Vor dem Bildschirm sieht man Dinge, die man in der Kirchenbank niemals erblicken würde. "Aber in der Kirche zu sein, ist natürlich anders." Man riecht den Weihrauch, ist mit den Gläubigen zusammen, kann die heilige Kommunion empfangen. "Der Gottesdienstbesuch in der Kirche ist das vollere Erlebnis. Aber am Bildschirm sind wir oft näher dran – beim Bischof, beim Chor, beim Geschehen."