Wie die Schulseelsorge der Zukunft aussehen kann

Dreierteam statt Einzelpriester

An drei Neusser Schulen sieht die Schulseelsorge seit Herbst anders aus als bisher. Es gibt zwei Schwestern im Team mit einem Priester, weniger Zeit in der Schule, dafür eine Kooperation mit der Gemeinde. Ist das zukunftsweisend?

Autor/in:
Hannah Krewer
Erhobene Hände im Unterricht / © LStockStudio (shutterstock)
Erhobene Hände im Unterricht / © LStockStudio ( shutterstock )

Seit September sind Schwester Kathrin Krall und Schwester Jeanette Wegerich für das Gymnasium Marienberg, das Friedrich-Spee-Kolleg und das Berufskolleg Marienhaus in Neuss mit zuständig. Vom Erzbistum Köln sind sie für die Jugendarbeit im Raum Neuss angestellt worden, die Arbeit in der Schule ist ein Teil davon.

Jugendarbeit ist auch in ihrer Gemeinschaft der Dienerinnen und Dienern des Evangeliums, ein Schwerpunkt, erklärt Sr. Jeanette: "Weil wir merken, dass die Jugend in der Gesellschaft vielleicht die verletzlichste Gruppe, die sensibelste Gruppe ist, die Unterstützung braucht, wo wir uns gerne engagieren."

Sr. Jeanette (links) und Sr. Kathrin vor dem Erzbischöflichen Gymnasium Marienberg / © Hannah Krewer (DR)
Sr. Jeanette (links) und Sr. Kathrin vor dem Erzbischöflichen Gymnasium Marienberg / © Hannah Krewer ( DR )

Ein einzelner Seelsorger vs. Seelsorge im Team

Dass nun zwei Schwestern für die Schulseelsorge mit zuständig sind, die auch in der Gemeinde arbeiten, statt nur eines einzelnen Priesters für die ganze Schule, wie es bisher zum Beispiel am Gymnasium Marienberg der Fall war, ist neu. Zusammen mit dem leitenden Neusser Pfarrer Andreas Süß, der schon seit Herbst 2021 als Seelsorger für die drei Schulen beauftragt ist, bilden die beiden Schwestern nun ein Team. Das kann Vor- und Nachteile haben: Wenn nur ein einzelner Seelsorger da ist, der dafür aber immer präsent ist, könnte der nach der Erfahrung der Schwestern die Jugendlichen besser kennen.

Für sie überwiegen allerdings die Vorteile an der neuen Konstellation: "Zu zeigen, dass die Kirche vielfältig ist", meint Sr. Kathrin, sei ein Pluspunkt. "Von einem Priester haben viele schon ein Bild, aber Schwestern oder Pastoralreferenten sind vielleicht noch unbekannt." Sr. Jeanette sieht einen weiteren Vorteil: "Ich glaube auch, dass jeder Mensch andere Menschen anspricht. Als Menschentyp ist man auch unterschiedlich und insofern bietet so ein Team immer mehr Chancen." 

Kooperation mit den Gemeinden

Auch die Vernetzung mit der örtlichen Kirchengemeinde ist neu. Die Schwestern wollen auf Angebote wie Gottesdienste, Sommerfahrten oder ganz aktuell den Weltjugendtag neugierig machen und somit Brücken zwischen der Arbeit in der Schule und der Arbeit in der Gemeinde schlagen – aber zugleich auch Brücken von der Schule zur Kirche für die Jugendlichen bauen.

Das kann in Zeiten, in denen die Kirche in einer Krise steckt, ganz schön herausfordernd sein: "Mein Wunsch wäre, dass junge Menschen weiter neugierig sind, dass sie sich von den Skandalen, die es auch rund um die Kirche gibt, nicht abschrecken lassen", erklärt Sr. Kathrin. "Sondern dass sie da einfach auch mal sagen, das probiere ich jetzt mal aus." Für sie macht die menschliche Ebene viel aus: "Die Kirche besteht letzten Endes aus Menschen und ich glaube, wenn uns bestimmte Menschen in der Kirche geprägt haben, haben wir gemerkt, dass man da auch etwas Interessantes entdecken kann." Das möchte sie in der Schule und in der Gemeindearbeit ermöglichen.

Sr. Kathrin Krall (Schwester in der Seelsorge in Neuss)

"Mein Wunsch wäre, dass junge Menschen sich von den Skandalen, die es auch rund um die Kirche gibt, nicht abschrecken lassen."

Enge Zusammenarbeit mit den Lehrern

Als Ansprechpartnerinnen in den Schulen vor Ort haben die Schwestern sich in den letzten Wochen in den Klassen vorgestellt. Daneben entsteht am Gymnasium Marienberg etwa gerade ein Raum für persönliche Gespräche. Die habe es bisher noch nicht gegeben, erzählen die beiden Schwestern. Aber sie hoffen, dass sich das ändert, wenn sie die Schülerinnen und an den anderen Schulen auch die Schüler besser kennengelernt und eine Beziehung zu ihnen aufgebaut haben.

Noch sieht der Gesprächsraum eher trist aus - Sr. Kathrin und Sr. Jeanette haben sich aber schon Gedanken gemacht, wie er einmal aussehen soll / © Hannah Krewer (DR)
Noch sieht der Gesprächsraum eher trist aus - Sr. Kathrin und Sr. Jeanette haben sich aber schon Gedanken gemacht, wie er einmal aussehen soll / © Hannah Krewer ( DR )

Wichtig ist ihnen deswegen auch die Zusammenarbeit mit den Lehrern an den Schulen. Die kennen die Jugendlichen besser und länger. Und von jeder Schule sind Ansprechpartner unter den Lehrern, mit denen die Schwestern eng zusammenarbeiten. Bisher sind sie damit sehr zufrieden.

Aber darüber hinaus wollen Sr. Kathrin und Sr. Jeanette auch auf die Jugendlichen zugehen. "Wir schauen, wo die jungen Menschen sind, was sie gerade umtreibt oder ob es Sachen gibt, wo wir sie ein Stück mit unterstützen können", erklärt Sr. Kathrin. Und Sr. Jeanette hat die Erfahrung gemacht: "Wenn man die Hand reicht, dann wird Hilfe auch gerne angenommen."

Gut zwei Stunden pro Woche sind die Schwestern als Ansprechpartnerinnen an den Schulen. Das ist wenig, findet Sr. Kathrin. Sie würde sich mehr Zeit wünschen – "um diese Beziehung ein bisschen mehr aufbauen zu können."

Sr. Kathrin (links) und Sr. Jeanette im zukünftigen Gesprächsraum des Gymnasiums Marienberg / © Hannah Krewer (DR)
Sr. Kathrin (links) und Sr. Jeanette im zukünftigen Gesprächsraum des Gymnasiums Marienberg / © Hannah Krewer ( DR )

Welche Themen beschäftigen Jugendliche?

Zukunftsplanung, Studien- oder Berufswahl – das sind Themen, die nach den Erfahrungen der Schwestern viele Jugendliche beschäftigen. "Ein Thema für die jungen Leute ist einfach dieser Pluralismus in der Gesellschaft", meint Sr. Jeanette. "Heute gibt es so viele Optionen, für die ich mich entscheiden kann. Es ist ja nicht nur der Beruf, sondern auch Fragen wie 'Wozu stehe ich?' und 'Wer bin ich überhaupt?' Da haben wir als Kirche zumindest einen Vorschlag und eine Orientierungshilfe."

Aber den Schwestern ist ebenso wichtig zu betonen, dass ihr Angebot auch unabhängig von Religion oder Weltanschauung der Jugendlichen ist. "Da sind wir offen für jeden, denn das war ja Jesus auch", sagt Sr. Kathrin. "Er war offen für jede Person, egal welchen Glaubens oder ohne Glauben."

An Sr. Kathrins Tür hängt schon ein Schild, das zum Gespräch einlädt / © Hannah Krewer (DR)
An Sr. Kathrins Tür hängt schon ein Schild, das zum Gespräch einlädt / © Hannah Krewer ( DR )

Aber auch aktuelle gesellschaftliche Themen beschäftigen Jugendliche. Diese Erfahrung haben die beiden Schwestern in ihrer Arbeit schon öfter gemacht – zum Beispiel an ihrem vorherigen Einsatzort, der Jugendkirche crux in Köln. "Da haben wir immer wieder gemerkt, dass es junge Menschen sehr beschäftigt, was da in der Ukraine passiert und dass auch Corona große Auswirkungen hatte. Dafür braucht es immer wieder auch Ansprechpartner", erzählt Sr. Kathrin.

"Das hält mich jung"

Jugendliche ein Stück auf ihrem Weg zu begleiten, ist für Sr. Kathrin und Sr. Jeanette aber nicht einfach nur ein Beruf, sondern macht ihnen persönlich auch viel Freude. "Mich erstaunt immer wieder ihre Kreativität, Dinge noch mal ganz anders zu denken", meint Sr. Kathrin.

"Da muss ich schon sagen, das hält mich auch jung, mich darauf einzulassen. Es macht mir unglaublich viel Freude, das mit denen zu erleben und zu entdecken." Und Sr. Jeanette ergänzt: "Für mich persönlich ist es einfach auch wichtig, die jungen Menschen in ihrem Suchen, in ihren Fragen, in ihrer Sinnsuche, in ihren Herausforderungen zu begleiten."

Wünsche für die Zukunft

Für ihre weitere Arbeit an den Schulen wünschen sie sich aber auch das Engagement der Schülerinnen und Schüler: "Zum Beispiel konkret auch mal ein Projekt zu machen", schlägt Sr. Kathrin vor. "Wenn Schülerinnen oder Schüler sagen 'Wir wollen da Obdachlose unterstützen oder wir finden das und das hier gut – Was können wir da tun?' Das finde ich total schön. Oder wenn sie Ideen für neue Gottesdienstformate haben. Da bin ich sehr offen für."

Information der Redaktion: Der Artikel wurde am 14. Februar 2023 aktualisiert.

Quelle:
DR