Neuartiges Projekt im Kölner Kunstmuseum Kolumba

Kunst begegnet Schülern, Schüler begegnen Kirche

Im Kunstmuseum des Erzbistums Köln Kolumba werden derzeit Werke von großen Künstlern, sowie von Schülern des Richard-Riemerschmid-Berufskollegs ausgestellt. Faule Lumpen oder kreative Geister? Auf jeden Fall originell.

Autor/in:
Clemens Sarholz
Ausstellung im Kunstmuseum Kolumba / © Clemens Sarholz (DR)
Ausstellung im Kunstmuseum Kolumba / © Clemens Sarholz ( DR )
Ausstellung im Kunstmuseum Kolumba / © Clemens Sarholz (DR)
Ausstellung im Kunstmuseum Kolumba / © Clemens Sarholz ( DR )

Im Eingangsbereich vom Kolumba steht eine Figur aus Tetrapacks und Kippenpäckchen, aus vermeintlichem Müll, eine Cornflakespackung (Froot Loops) ist der Kopf. Paracodin-Tropfen als Nase. Kinderschokoladedeckel als Mund, darin eine Zigarette. "Das haben fünf Schüler innerhalb von zwei Wochen verzehrt", sagt eine Frau, die sich die Skulptur anschaut. "Die haben alle in der letzten Reihe gesessen." Faule Lumpen? Oder kreative Geister? Oder beides? Auf jeden Fall originell.

Es waren Schüler des Richard-Riemerschmid-Berufskollegs, die diese Skulptur geschaffen haben. Nur fünf von insgesamt 400 Schülerinnen und Schülern, die sich für das Schulprojekt der Frage gewidmet haben: "Wie verhalten wir uns mit Orten?", erklärt Stefan Kraus, Kunsthistoriker und Museumpädagoge im Kolumba. Schon seit zehn Jahren lädt das Kolumba Schülerinnen und Schüler unterschiedlicher Schulen zur Projektreihe "Schulen zu Gast" ein. Sie reagieren dann mit eigenen Ideen und Exponaten auf die hauseigene Ausstellung. Die Ergebnisse werden im Kolumba gleichberechtigt neben den Kunstwerken berühmter Künstler ausgestellt.

Nachhaltige Kunst

Kolumba-Museumsdirektor Dr. Stefan Kraus / © Tomasetti (DR)
Kolumba-Museumsdirektor Dr. Stefan Kraus / © Tomasetti ( DR )

Kraus beschreibt das Konzept so: "Wir wollen teilhaben daran, dass Kunst nachhaltig ist." Daher hätten sie ein Format für den Dialog geschaffen. Gerade Themen wie Kunst und Kultur haben ja auch einen elitären Ruf, einen überhöhten und abgehobenen Ruf. So hole man nicht alle Menschen ab. Möglicherweise verschrecke man sie viel mehr dadurch. Und das sei nicht das Ansinnen von Kunst. "Wo fängt Kunst an? Wo hört sie auf und wem dient sie denn?", fragt Kraus. Fragen, die er auch mit den Schülern diskutiert.

Kunst sei ein Medium, das immer auf zwei verschiedene Arten wirkt. Zum einen dann, wenn der Künstler sein Werk erschafft, aber dann natürlich auch, wenn das Werk betrachtet wird. Wenn das Werk den Raum öffnet für eine Diskussion, für ein Gespräch. Wer verbindet was mit welchen Orten? Mit welchem Kunstwerk? Austausch und Begegnung schaffen, das ist das Ziel vom Kolumba. Menschen teilhaben lassen an der Kunst und Ängste abbauen.

Jeder hat einen Platz

Ausstellung im Kunstmuseum Kolumba / © Clemens Sarholz (DR)
Ausstellung im Kunstmuseum Kolumba / © Clemens Sarholz ( DR )

Ein Beispiel dafür findet man auch unter den Arbeiten der Schüler. Im Raum 21 stehen überall kleine Stühle aus Papier. So viele, dass man schon ein bisschen aufpassen muss, wo man hintritt. Die 20-jährige Chiara Marchi Nuno erklärt, was es damit auf sich hat: "Jeder hat hier einen Platz", sagt sie. Das war die Grundidee. In einer Ecke des Raumes liegt buntes Papier, damit jeder, der hereinkommt die Möglichkeit hat sich mit einem selbstgebastelten Stuhl daran zu beteiligen. Die Stühle stehen verteilt um die Pingsdorfer Madonna. Eine Skulptur von Mutter und Kind. Sie strahlt Schutz und Geborgenheit aus, so wie es auch der Grundgedanke tut, dass jeder seinen Platz habe.

Und dann kommt die Kirche ins Spiel. Ob es für die jungen Menschen ein Problem sei, so eng mit dieser Institution zusammenzuarbeiten? Wegen der Diskussionen um die Diskriminierung von Frauen in der Kirche, wegen der Diskussionen um den Umgang mit LGBTQ-Menschen? Das komme ganz drauf an, wen man fragt, sagt Nuno. Für viele spiele Religion keine große Rolle. Für sie sei das etwas anders, da sie familiär durch den Katholizismus geprägt sei. Sie hat italienische und südamerikanische Wurzeln.

Begegnung mit dem Konservativen

Ausstellung im Kunstmuseum Kolumba / © Clemens Sarholz (DR)
Ausstellung im Kunstmuseum Kolumba / © Clemens Sarholz ( DR )

Fragt man andere Schüler, die sich an der Ausstellung beteiligt haben: "Das war für uns niemals ein Thema", sagen zwei junge Frauen, die an einem Tisch sitzen und Bilder malen. Und nach ein bisschen überlegen: "Aber diese Begegnung zwischen dem Konservativen und der Vielfalt unserer Schule kann schon ein bisschen provozieren", sagt eine von ihnen und grinst. Neben ihr liegt ein Buch zum Reinmalen: "Kreative Gedanken auf dem Abort."

Der promovierte Kolumbaleiter Stefan Kraus gilt als einer der bedeutendsten Kunstvermittler unserer Zeit. "Das ist keine Arbeit hier die wir in die Fläche bringen können, aber in die Intensität", sagt er. Für ihn funktioniere die Kirche so, dass man Zeit mitbringe, gut zuhöre und teilhaben lasse. "Mit gemeinsamen Entscheidungen Verantwortung übernehmen." Daher haben die Kuratoren des Kolumba mit den Schülern gemeinsam die Ausstellung konzipiert und kuratiert. Wo stelle ich welches Kunstwerk hin? Wo provoziert man einen Widerspruch und Spannung?

Protest gegen iranische Regierung

Ausstellung im Kunstmuseum Kolumba / © Clemens Sarholz (DR)
Ausstellung im Kunstmuseum Kolumba / © Clemens Sarholz ( DR )

Da steht beispielsweise eine Schere. Sie ist groß und gebaut aus Alufolie und Bauschaum. Was nicht aus Alufolie gebastelt ist, ist grün, weiß und rot. In den Farben der iranischen Flagge. Auf der Schere steht geschrieben: "Women Life freedom". Sie steht neben dem riesigen Schriftzug in roter Farbe: "Liebe deine Stadt". Im Grundsatz ein schöner Gedanke, doch in den Emotionen regt sich hier der Widerspruch, da das Exponat auf die Proteste gegen das Mullah-Regime aufmerksam machen soll.

Es wurde von einer Schülerin gemacht, die ihren Namen nicht in der Öffentlichkeit lesen will, weil das gefährlich wäre. Sie kommt aus dem Iran und hat noch Freunde dort, wie sie erzählt. Sie müsse aufpassen mit dem, was sie öffentlich sagt und tut. Es fällt ihr schwer über die gesamte Situation zu sprechen, die Stimme wird brüchig beim Reden. Nur so viel: "Das Regime muss wechseln", sagt sie in gebrochenem Deutsch.

Große Vielfalt

Dr. Stefan Kraus, Leiter des Museums Kolumba, dem Kunstmuseum des Erzbistums Köln

"Zufrieden? Stolz bin ich."

Die Themenvielfalt ist groß, aber das ist ja auch kein Wunder. Schüler mit Fluchterfahrungen haben sich beteiligt, ebenso wie Schüler mit Blödsinn im Kopf. Intellektuelle Gestalter genauso wie die handfesten Macher. Goldschmiede, Grafikdesigner oder Maler und Lackierer, dieser Tage begegnen sich im Kolumba Kunst, Anliegen der Menschen und natürlich wunderschöne Architektur.

Es gibt viele Erinnerungen, von denen Kraus gerne berichtet. Eine davon: Ein paar Tage zuvor sei noch einer von den Maler- und Lackierern dagewesen. Bei der Verabschiedung fragte Kraus ob er zufrieden sei. "Zufrieden? Stolz bin ich." Sei die Antwort gewesen. Worauf er stolz ist, das kann man sich im Raum 21 vom Kolumba anschauen. Direkt unter dem großen Öl-Gemälde von Phil Sims. Noch bis zum 13. Februar läuft die diesjährige Ausstellung. Schüler bis 18 Jahre dürfen kostenlos die Ausstellung besuchen, Erwachsene zahlen 8 Euro, ermäßigt kostet es 5 Euro.

Kunstmuseum Kolumba

Kolumba ist das Kunstmuseum des Erzbistums Köln, das 1853 als Diözesanmuseum Köln gegründet wurde. Zweitausend Jahre abendländischer Kultur sind in einem Haus zu erleben. In der Kunst mit Werken der Spätantike bis zur Gegenwart.

Kolumba, Kunstmuseum des Erzbistums Köln / © Julia Steinbrecht (KNA)
Kolumba, Kunstmuseum des Erzbistums Köln / © Julia Steinbrecht ( KNA )
Quelle:
DR