Widerstand gegen Corona-Spaziergänge in Recklinghausen

"Wir wollen klare Kante zeigen"

Jede Woche gehen tausende Menschen vermeintlich spazieren. Tatsächlich sind das aber Anti-Corona-Maßnahmen-Demos, die auch von Rechtsextremen für ihre Zwecke genutzt werden. Auch in katholischen Gemeinden rührt sich dagegen Widerstand.

Zwei Teilnehmer einer Demonstration gegen die Corona-Einschränkungen / © Fabian Sommer (dpa)
Zwei Teilnehmer einer Demonstration gegen die Corona-Einschränkungen / © Fabian Sommer ( dpa )

DOMRADIO.DE: Gegen diese "Spaziergänge" gibt es auch im Kreis Recklinghausen Widerstand. Die katholischen Kirchen dort im Stadtdekanat zeigen mit einem gelben Straßenschild im Stil eines Ortseingangsschilds Haltung: "Spazieren Sie bitte vorsichtig", steht auf dem Schild. Wie ist die Idee zu diesem Schild entstanden?

Matthias Gramann, Leiter des jugendpastoralen Zentrums Areopag in Recklinghausen / © Michaela Kiepe, Bischöfliches Generalvikariat (Bistum Münster)
Matthias Gramann, Leiter des jugendpastoralen Zentrums Areopag in Recklinghausen / © Michaela Kiepe, Bischöfliches Generalvikariat ( Bistum Münster )

Matthias Gramann (Leiter des jugendpastoralen Zentrums Areopag in Recklinghausen): Wir saßen im Vorstand des Stadtkomitees zusammen, das ist die Vertretung der Christinnen und Christen in Recklinghausen auf Stadtebene. Ich bin Mitglied in diesem Vorstand, in dem wir die Aufgabe haben, Veranstaltungen zu organisieren, aber auch zu gucken, ob es aktuelle Themen gibt, zu denen wir hier Stellung beziehen wollen als Kirche von Recklinghausen. Das ist bei diesen Spaziergängen der Fall.

Diese Spaziergänge sehen wir im Areopag vom Fenster aus; und so kam die Idee auf, dass wir klare Kante zeigen wollen und deutlich machen, dass wir nicht mit denen sympathisieren. Aber wir wollen eben auch nicht sagen, sie dürfen ihr Recht auf Meinungsäußerung nicht wahrnehmen oder dass sie Idioten seien.

DOMRADIO.DE: Diese Spaziergänge machen sich mutmaßlich ja auch immer mehr Bürgerinnen und Bürger zu eigen, die am rechten Rand stehen. Wie sehen Sie diese Entwicklung?

Gramann: Bauernfänger und Rattenfänger sind nichts Neues. Das lässt sich schon von Beginn der Maßnahmen an mit den Querdenker-Demos beobachten, dass Rechte diese Veranstaltung nutzen, um ihr Gedankengut da zu platzieren. In Recklinghausen gibt es diese Problematik auch, worüber die Recklinghäuser Zeitung auch immer wieder berichtet hat. Das ist sehr bedenklich. Dennoch nehmen wir ernst, dass es Menschen gibt, die ihre Sorgen zum Ausdruck bringen wollen. Nur mit Rechten sollte man nicht spazieren gehen. 

DOMRADIO.DE: Auf dem Schild steht in großen Buchstaben der Satz "Spazieren Sie bitte vorsichtig". Das könnten manche aber auch als Aufruf verstehen, dass man mit spazieren gehen soll. Wie kontern Sie diesen Vorwurf, der da plötzlich im Raum steht?

Schild "Vorsichtig Spazieren!" von Sankt Antonius in Herten / © Sankt Antonius
Schild "Vorsichtig Spazieren!" von Sankt Antonius in Herten / © Sankt Antonius

Gramann: Ich sehe es nicht als Aufruf, sondern wir reagieren auf diese Spaziergänge. Bei uns hängt das Schild oder Plakat im Areopag an den Fensterscheiben, wo wir abends die Leute mit ihren Kerzen in der Hand vorbeilaufen sehen. Diesen Menschen wollen wir etwas zurufen und mit ihnen ins Gespräch kommen. Es wird gesagt, dass die gesellschaftliche Spaltung größer werde und man nicht mehr miteinander spreche. Wir versuchen zwar, unsere Position deutlich, aber gleichzeitig ein Gesprächsangebot zu machen. Ich verstehe das nicht als Aufruf, sondern als Hinweis: Wenn Sie schon spazieren, dann tun Sie das doch bitte nach allen Regeln, nämlich mit Abstand und Maske. Und gehen Sie bitte nicht mit den Rechten mit.

DOMRADIO.DE: Wie ist die Resonanz auf diese Aktion?

Gramann: Die Resonanz ist sehr gut. Wir haben im Internet viele Rückmeldungen bekommen. Da sind auch Aussagen darunter wie: Die Kirche soll sich doch lieber um ihre eigenen Probleme kümmern. Aber wir haben auch viel Zuspruch bekommen. Interessant ist, dass wir aus verschiedenen Richtungen Anfragen bekommen, zum Beispiel von Jugendlichen aus Bocholt, Lüdinghausen und sogar aus Hannover, die dieses Plakat oder diesen Poster in den sozialen Medien für ihre eigenen Städten verwenden wollen. Die Anfragen kamen zum Teil über die Bistumspresseabteilung. Wir haben die Nutzung gerne zugesagt, weil es uns ja um die Sache geht.

Das Interview führte Oliver Kelch.

Karlsruhe lässt kommunales Verbot von Corona-"Spaziergängen" in Kraft

Das Bundesverfassungsgericht hat es abgelehnt, ein kommunales Verbot unangemeldeter Corona-"Spaziergänge" mit sofortiger Wirkung außer Kraft zu setzen. Die Karlsruher Richterinnen und Richter wiesen am 31. Januar den Eilantrag eines Mannes ab, der die Allgemeinverfügung der Stadt Freiburg zu Fall bringen wollte. Sie ließen aber die Frage offen, ob ein vorsorgliches Versammlungsverbot mit der Bedeutung und Tragweite der grundgesetzlich geschützten Versammlungsfreiheit vereinbar sein kann.

Proteste gegen die Corona-Maßnahmen / © Malte Krudewig (dpa)
Proteste gegen die Corona-Maßnahmen / © Malte Krudewig ( dpa )
Quelle:
DR