Wer war die neue Selige Pauline-Marie Jaricot

"Die Mutter aller Missionen"

Pauline-Marie Jaricot war eine Visionärin und Unternehmerin. Obwohl sie als Vorreiterin der Päpstlichen Missionswerke gilt, ist sie heute fast unbekannt. Das kann sich am 22. Mai, dem Tag ihrer Seligsprechung, ändern.

Autor/in:
Beate Laurenti
Pauline-Marie Jaricot (missio)
Pauline-Marie Jaricot / ( missio )

Lyon Ende des 18. Jahrhunderts: Die Seidenindustrie hat die Stadt reich gemacht. Durch die Unruhen und Kämpfe in der Französischen Revolution gerät die Produktion der edlen Stoffe ins Stocken. Die Arbeiter in den Fabriken wehren sich immer heftiger gegen lange Arbeitszeiten und niedrige Löhne. In diese Welt wird Marine-Pauline Jaricot 1799 hineingeboren.

Seligsprechung von Pauline-Marie Jaricot

Pauline-Marie Jaricot (1799-1862) wird am 22. Mai in Lyon seliggesprochen. Den Gottesdienst feiert der philippinische Kardinal Luis Antonio Tagle, der Präfekt der vatikanischen Kongregation für die Evangelisierung der Völker. Die Seligsprechungsurkunde wurde im vergangenen Jahr von Papst Franziskus unterzeichnet.

Papst Franziskus schwenkt das Weihrauchfass vor einem Bild von Pauline Marie Jaricot am 1. Oktober 2019 im Vatikan. / © Vatican Media/Romano Siciliani (KNA)
Papst Franziskus schwenkt das Weihrauchfass vor einem Bild von Pauline Marie Jaricot am 1. Oktober 2019 im Vatikan. / © Vatican Media/Romano Siciliani ( KNA )

Das Mädchen wächst als eines von sieben Kindern in einer wohlhabenden Familie auf. Vater Antoine Jaricot gehört eine Seidenfabrik. Die junge Pauline-Marie ist zunächst den schönen Dingen und der Mode zugetan und bewegt sich in der feinen Gesellschaft. Bis ein Gottesdienst zum Wendepunkt ihres Lebens wird. In der Lyoner Kirche Saint-Nizier lauscht Jaricot einer Predigt über die Gefahren und Illusionen von Stolz und Eitelkeit. Die Worte von der Kanzel sollen sie zutiefst erschüttert haben. Die Französin beschließt jedenfalls, ein Leben in Demut und Bescheidenheit zu führen.

Readikaler Lebenswandel

Gegen den Willen ihres Vaters verschenkt die junge Frau ihre wertvollen Kleider, ihren Schmuck und ihr Vermögen an Bedürftige und Kranke. Ihre teuren Schuhe tauscht sie gegen schlichte Ledersandalen, sie wendet sich von der Unterhaltungsmusik ab und verbrennt ihre Liebesromane. In der Weihnachtsnacht 1816 legt sie ein Keuschheitsgelübde ab.

Ein Jahr darauf bestimmen anhaltende politische Unruhen das Leben in Lyon. Jaricot verteilt Brotgutscheine an die Arbeiter und kümmert sich um unheilbar Kranke. Ihre neu erwachte Frömmigkeit bringt sie ihrem Bruder Phileas näher, der in Paris Theologie studiert, und der sich auf einen Aufenthalt in China vorbereitet. Durch seine Kontakte zu Auslandsmissionen weiß er um die Nöte der Menschen in Asien und bittet seine jüngere Schwester um Hilfe.

Die einfache Bevölkerung ist für die Missionsidee empfänglich. In kurzer Zeit findet Jaricot Gleichgesinnte. Mit nur 20 Jahren ruft sie 1819 die erste offizielle Laienbewegung für Missionsarbeit ins Leben. Der Anspruch ist vom ersten Moment an international, das Prinzip denkbar einfach: Zehn Personen werden beauftragt, wöchentlich einen kleinen Beitrag zu spenden. Diese Personen suchen jeweils zehn weitere Spenderinnen und Spender - stets verbunden mit dem täglichen Gebet. Ein frommes Schneeballsystem, das der Initiatorin den Ehrentitel "Mutter aller Missionen" einträgt.

Missionsbewegung für Frankreich

Noch im Gründungsjahr verbreitet sich Jaricots Missionsbewegung über die Grenzen Frankreichs hinaus. Noch bekannter wird sie durch die Gründung des offiziellen "Vereins für die Verbreitung des Glaubens" am 3. Mai 1822. Ihm sollen zu diesem Zeitpunkt etwa 1.000 Mitglieder angehört haben.

1833 zieht Jaricot mit einer Gemeinschaft religiöser junger Mädchen in das "Haus Lorette", um gemeinsames Leben, Beten und Arbeiten zu verbinden. Die Gruppe pflegt den "Lebendigen Rosenkranz". Unter diesem Namen wird eine weitere internationale Vereinigung bekannt. Besonders ins Gebet genommen werden die Anliegen des Papstes, die Evangelisierung der Völker, die Bekehrung der Sünder und die Wahrung des Glaubens. Das Gebet soll die Menschen auch dazu bewegen, für die junge Kirche "in der Mission" zu spenden.

Blutige Unruhen und der Wunsch zu helfen

Wegen der nach wie vor schlechten Bedingungen in den Fabriken kommt es zwischen 1831 und 1848 zu blutigen Aufständen der Seidenweber. Als Tochter eines Fabrikanten weiß Jaricot um die "neue Sklaverei": Zwischen 14 bis 16 Stunden arbeiten die Menschen täglich in den dunklen Werkstätten, wegen der geringen Löhne lassen sich immer mehr alleinstehende Frauen sexuell ausbeuten.

Jaricot will dem Elend ein Ende setzen und investiert 1845 ihr gesamtes Vermögen in eine Werkstätte. Ihr schwebt eine "christliche Fabrik" vor, die den Beschäftigten nicht nur Arbeit, sondern auch Eigentum und eine Versicherung bietet. Eine für die damalige Zeit revolutionäre Idee. Die Missionarin vertraut die Leitung des Werks jedoch zwielichtigen Geschäftsleuten an, die Fabrik geht bankrott. Jaricots spendenfinanzierter Traum platzt. Nach dem Zwangsverkauf kommt sie wegen hoher Schulden vor Gericht.

Mittelloses Ende

Jaricot muss von Stadt zu Stadt ziehen und betteln. Am Ende ihres Lebens ist die Französin mittellos, jedoch gelingt es ihr einen Großteil der Schulden zu begleichen, bevor sie am 9. Januar 1862 stirbt. Zu diesem Zeitpunkt folgen dem "Lebendigen Rosenkranz" bereits 2,5 Millionen Menschen.

100 Jahre nach seiner Gründung, 1922, erklärt Papst Pius XI. den "Verein zur Glaubensverbreitung" zu einem der vier Päpstlichen Werke, die dem Kirchenoberhaupt direkt unterstellt sind. Am 22. Mai wird Pauline-Marie Jaricot in Lyon seliggesprochen. 

Das Hilfswerk missio

Das Internationale Katholische Missionswerk missio mit Sitz in Aachen und München ist eines von weltweit mehr als 100 Päpstlichen Missionswerken. Missio München ist das Missionswerk der bayerischen, missio Aachen das der anderen deutschen Bistümer. Das Wort missio kommt aus dem Lateinischen und bedeutet Sendung.

 (KNA)
Quelle:
KNA