Datenbank gibt Überblick zu mittelalterlichen Pilgerzeichen

Auf der Suche nach Pilgerspuren

Die Jakobsmuschel ist das bekannteste Pilgerzeichen der Welt. Aber es gibt noch viel mehr von ihnen. Zu identifizieren sind sie in einer jetzt neu aufgestellten Datenbank.

Autor/in:
Christiane Laudage
Im Mittelalter gab es hunderte Pilgerzeichen / © Gena Melendrez (shutterstock)
Im Mittelalter gab es hunderte Pilgerzeichen / © Gena Melendrez ( shutterstock )

Die Pilger im Mittelalter trugen sie stolz an ihrer Kleidung - die Pilgerzeichen, kleine Abzeichen aus einer Metalllegierung, die mit Ösen befestigt wurden. Als erstes europäisches Pilgerzeichen im eigentlichen Sinn

Die Jakobsmuschel als Zeichen für den Pilgerweg - hier in der Karlstalschlucht im Pfälzer Wald / © Pilgerin (shutterstock)
Die Jakobsmuschel als Zeichen für den Pilgerweg - hier in der Karlstalschlucht im Pfälzer Wald / © Pilgerin ( shutterstock )

kam ab dem elften Jahrhundert die Jakobsmuschel auf, die den Pilger als Wallfahrer nach Santiago de Compostela auswies. Die Pilgerzeichen waren das erste bildliche Massenmedium im abendländischen Europa, heißt es auf der Internetseite der Pilgerzeichen-Datenbank.

In der neu aufgestellten Datenbank pilgerzeichen.de können Wissenschaftler, aber auch Hobby-Historiker oder Wallfahrts-Interessierte diesem Phänomen nachgehen. Für die Suche gibt es verschiedene Einstiegsmöglichkeiten, so zum Beispiel über die Wallfahrtsorte oder die Fundorte der Pilgerzeichen. Unter dem Begriff Testimonien findet man dann weitere Quellen, Auszüge aus Chroniken oder Rechnungsbüchern.

Hunderte Wallfahrtsorte

Schätzungsweise 500 europäische Wallfahrtsorte, von denen heute nur noch ein Teil bekannt ist, gaben diese Pilgerzeichen aus. Auf ihnen wurden der oder die Heilige des Pilgerortes abgebildet. Ihre Funktion war mehr symbolischer Art, denn sie dienten in erster Linie dazu, den Pilger als solchen kenntlich zu machen, heißt es auf der Website der Datenbank. Ein Pilger stand unter dem Schutz der Kirche. Abgesehen davon, konnte ein Pilgerzeichen dem Wallfahrer auch Vorteile wie eine kostenlose Unterkunft oder Verpflegung einbringen.

Vom Zettelkasten zur Datenbank - so ungefähr lässt sich der lange und vor allem schwierige Weg beschreiben, wie Hartmut Kühne, freiberuflicher Kirchenhistoriker aus Berlin und einer der Großmeister der heutigen Pilgerzeichen-Forschung, erzählt.

Kurt Köster (1912-1986), der spätere Generaldirektor der Deutschen Bibliothek in Frankfurt am Main, hatte 40 Jahre lang Nachweise europäischer Pilgerzeichen gesammelt und so die Grundlage für eine systematische Beschäftigung mit diesen Wallfahrtszeugnissen geschaffen. Nach seinem Tod war seine Kartei mit etwa 6.000 Nachweisen im Archivkeller des Germanischen Nationalmuseums in Nürnberg verschwunden, gut verwahrt und schon nach wenigen Jahren vergessen, erinnert sich Hartmut Kühne.

Datenbank 2002 begonnen

Jakobsweg

Der Jakobsweg ist ein europaweites Netz von Straßen und Wegen. Seit dem neunten Jahrhundert führt er Pilger vom Baltikum über Polen, Deutschland, die Schweiz und schließlich Frankreich zum angeblichen Grab des Apostels Jakobus ins spanische Santiago de Compostela. Im Mittelalter erstreckten sich die Tagesetappen meist von einem "heiligen Ort", an dem Reliquien verehrt wurden, zum nächsten.

 © Sonja Geus (DR)
© Sonja Geus ( DR )

2002 startete der Versuch, Kösters wissenschaftliches Erbe durch eine Pilgerzeichen-Datenbank im Internet zugänglich zu machen. Die zunächst an der Berliner Humboldt-Universität angesiedelte Datenbank fand schließlich 2021 bei der Verbundzentrale des Gemeinsamen Bibliotheksverbundes (VZG) in Göttingen ihre Heimat. Die Agentur für Informationsästhetik "Justorange" in Jena entwickelte dafür eine neue Benutzeroberfläche. Jetzt steht die Datenbank nach ihrem Relaunch wieder voll umfänglich zur Verfügung.

Die bedeutenden Wallfahrtsorte zwischen Rhein und Maas, wie Aachen, Maastricht oder Köln, waren die Wiege der Pilgerzeichenproduktion in Deutschland. Spätestens seit der Mitte des 13. Jahrhunderts wurden dort Pilgerzeichen hergestellt, die sich an den verschiedensten Orten Europas nachweisen lassen - von Norwegen über Estland bis hin zur westlichen Ukraine, Siebenbürgen oder Slowenien. Die weite Verbreitung zeigt, wie populär damals diese Wallfahrtsorte an Rhein und Maas waren.

Herstellung und Verkauf der Pilgerzeichen regelten jeweils die Kirchen vor Ort, daraus entwickelte sich ein florierendes Geschäftsmodell. 1466 sollen knapp 130.000 Pilgerzeichen zu einem Preis von 2 Pfennig während der zweiwöchigen Feier der Engelweihe im Kloster Einsiedeln ausgegeben worden sein, aber das gilt als Ausreißer nach oben. Nur bei den Aachener Heiligtumsfahrten wurden wahrscheinlich ähnlich hohe Zahlen erreicht. Bei der Wallfahrt zur schönen Maria in Regensburg nahmen im Jahr 1520 die Pilger circa 10.000 dieser Souvenirs mit.

Pilgerzeichen dienten ab dem 14. Jahrhundert auch als Schmuck auf Glocken. Bevor die Glocken gegossen wurden, drückte man die Pilgerzeichen in die Lehmform ein, so dass ein identischer Abdruck in der Bronze zurückblieb.

Insgesamt wurden im späten Mittelalter viele Millionen Pilgerzeichen ausgegeben, gefunden sind bis heute um 20.000. Die Pilgerzeichen fanden ihr Ende mit der Reformation. Als das Wallfahrtswesen dann wieder aufblühte, gab man statt Pilgerzeichen Wallfahrtspfennige aus.

Quelle:
KNA