DOMRADIO.DE: Wie groß ist dieses Problem bei uns im Land aktuell?
Daniel Zander (Journalist bei der Katholischen Nachrichten-Agentur KNA): Leider immer noch sehr groß. Das Deutsche Institut für Menschenrechte in Berlin will diese Woche eine große Analyse vorstellen. Darin heißt es: 827 Frauen und Mädchen in Deutschland wurden im letzten Jahr Opfer eines versuchten oder vollzogenen Femizids. Ein Femizid ist dabei eine Tötung von Frauen, weil sie Frauen sind – also geschlechtsbezogen. Das Institut warnt aber auch, dass Femizide derzeit nur annähernd in Zahlen erfasst werden können. Die Dunkelziffer ist größer.
DOMRADIO.DE: Kann man genauere Gründe nennen, warum Femizide begangen werden?
Zander: Eine Studie von Tübinger Wissenschaftlern hat kürzlich die Motive untersucht. Die meisten Femizide passieren aus Eifersucht und Besitzdenken. Anlass für diese Taten ist demnach oft, wenn die Frau sich trennen will oder das bereits getan hat. Man könne von einem "systematischen Gewalt- und Kontrollverhalten der Täter" sprechen, heißt es in dem Bericht. Wenn Männern klar werde, dass sie ihre vermeintlichen Machtansprüche verlieren, folge oft Gewalt.
Dabei muss man auch sagen, dass die Taten in allen Gesellschaftsschichten vorkommen. Es sind nicht nur Männer mit niedrigem Bildungsniveau oder finanziellem Druck. Unter den Tätern der Fälle, die die Tübinger Studie untersucht hat, waren auch Erzieher und Unternehmensberater.
DOMRADIO.DE: Die Bundesregierung hat nun eine Änderung des Gewaltschutzgesetzes auf den Weg gebracht. Was sieht sie vor und kann das etwas bringen?
Zander: Familiengerichte sollen künftig Fußfesseln für Täter, die bei häuslicher Gewalt auffällig geworden sind, anordnen können. Die Fußfesseln überwachen den Aufenthaltsort des Trägers. Es soll dann auch möglich sein, dass die Opfer einen Sender bekommen, der sich meldet, sollte der Täter sich ihnen nähern. Die Gerichte sollen auch Anti-Gewalt-Kurse anordnen können.
Das ist definitiv ein Schritt in die richtige Richtung und kann bei der Prävention helfen. Aber angesichts der hohen Zahlen von Gewalt gegen Frauen und der Femizide ist das noch nicht ausreichend. Das sagen auch katholische Frauenverbände. Sie fordern ein größeres, öffentliches Problembewusstsein. Es sei wichtig, Gewalt an Frauen nicht zu verharmlosen – Femizide seien keine "Beziehungsdramen", sondern eben Femizide. Auch seien die Morde keine Folge von Provokationen der Frauen, eine Täter-Opfer-Umkehr sei mehr als unangebracht. Konkret wollen die Verbände einen größeren Ausbau von Frauenhäusern. Dort könnten Frauen eine Zuflucht finden. Derzeit gibt es bundesweit etwa 8.500 Plätze, es brauche aber laut den Verbänden etwa 21.500.
DOMRADIO.DE: Wenn ich mitbekomme, dass eine Frau von Häuslicher Gewalt betroffen ist – was kann ich tun, um zu helfen?
Zander: Man muss in so einer Situation sehr feinfühlig sein. Die betroffenen Frauen haben oft Angst und wollen nicht, dass andere von der Gewalt erfahren, und reagieren dann abweisend. Aber eine soziale Isolation begünstigt diese Gewalt, sagt der Verein Frauenhauskoordinierung. Er nennt Wege, wie Freunde, Familie und die Nachbarschaft helfen können.
So sollte man die betroffene Frau in einem ruhigen Moment ansprechen und Hilfe anbieten. Auch, wenn das zuerst abgelehnt wird, komme die Frau eventuell später darauf zurück. Wichtig sei dabei, dass man der Aussage der Frau glaubt und sie das wissen lässt. Zudem kann man an Beratungsstellen und Frauenhäuser verweisen. Wenn man unsicher ist, ob ein lauter Streit in Gewalt mündet, rät der Verein: Klingeln und nach etwas belanglosem fragen, wie einem Stück Butter. So wird der Streit unterbrochen. Bei akuter Gewalt sollte aber immer die Polizei gerufen werden.
DOMRADIO.DE: Welche Aktionen sind zum morgigen Tag gegen Gewalt an Frauen geplant?
Zander: In vielen Städten wird auf das Thema aufmerksam gemacht – in Köln etwa fährt ab Dienstag eine entsprechend gestaltete Stadtbahn der Kölner Verkehrsbetriebe für ein halbes Jahr durch die Stadt. In Hannover findet der "Orange-Day-Lauf" statt, der unter dem Motto "Stopp Gewalt gegen Frauen" etwa fünf Kilometer durch die Innenstadt führt. Und in Berlin gibt es am Abend einen ökumenischen Frauengottesdienst des Erzbistums Berlin und der Evangelischen Kirche.
Das Interview führte Carsten Döpp.