Weckt Corona auch unter Kirchenleuten Aberglauben?

Wenn die Rationalität ausgeblendet wird

Der Theologe Gunter Prüller-Jagenteufel zeigt sich besorgt über eine durch die Corona-Krise befeuerte Tendenz, wissenschaftlich Fragwürdiges für bare Münze zu nehmen. Auch unter manchen Kirchenleuten halte eine Form von Aberglauben Einzug.

Weckt Corona auch unter Kirchenleuten Aberglauben? / © VGstockstudio (shutterstock)
Weckt Corona auch unter Kirchenleuten Aberglauben? / © VGstockstudio ( shutterstock )

Dieser lasse "jeden halbwegs gebildeten Theologen sprachlos zurück", schreibt der Wiener Professor in einem Beitrag für den "Corona-Blog" der Katholisch-Theologischen Fakultät der Uni Wien.

Als Beispiel nennt Prüller-Jagenteufel den Churer Weihbischof Marian Eleganti. Der hatte im März die Anordnung der Schweizer Bischofskonferenz kritisiert, zur Eindämmung des Virus die Weihwasserbecken zu leeren und auf die Mundkommunion zu verzichten.

"Kinderglaube jenseits aller Rationalität"

"Wie kann ich von der Kommunion Unheil und Ansteckung erwarten?", fragte Eleganti damals in einem Video-Blog. Jeder Gläubige müsse selbst entscheiden dürfen, wie er den Leib Christi empfange. "Ja, ich erwarte Wunder und rechne mit der Kraft und dem Schutz Gottes", so der Weihbischof.

Nach massiver Kritik an dieser Wortmeldung darf sich der 65-Jährige inzwischen nur noch nach Rücksprache mit seinem Vorgesetzten öffentlich äußern.

Für Prüller-Jagenteufel spricht aus diesen Äußerungen ein "Kinderglaube jenseits aller Rationalität", wonach Gott "nach Belieben Naturgesetze ein- und aussetzt". Dies sei aber "theologischer Unsinn" und habe mehr mit Magie und Esoterik als mit rational verantwortbarer Religion zu tun. Während einer Pandemie sei dies "im wahrsten Sinn des Wortes gemeingefährlich", erklärte der Wissenschaftler.

"Verzweiflungsschritt"

Mit dem evangelischen Theologen Dietrich Bonhoeffer (1906-1945) könne man einen solchen theologischen Rückgriff nur als "Verzweiflungsschritt" verstehen, der "mit dem Opfer der intellektuellen Redlichkeit" erkauft werde, so Prüller-Jagenteufel.

Bonhoeffer habe auch festgehalten, dass es einem intellektuell redlich verantworteten Glauben nicht darum gehen könne, "die Hände in den Schoß zu legen" und sich auf einen Gott zu verlassen, der in den Lauf der Geschichte eingreift und Naturgesetze aufhebt. "Als 'Glaubende' müssen wir um Gottes Willen selbst verantwortlich handeln", zitiert Prüller-Jagenteufel den evangelischen NS-Gegner.


Quelle:
KNA