DOMRADIO.DE: Wie erhielt der Wiener Kardinal Christoph Schönborn die Aufgabe, den Papst zu vertreten?
Ulrich Nersinger (Vatikanexperte und Autor): Er ist ein Sondergesandter oder auch, wie man früher im Lateinischen sagte, ein "Legatus a latere". Übersetzt ist das ein "Legat von der Seite", von der Seite des Papstes. Das ist jemand, der in besonderer Weise den Papst vertritt.
Denn die Päpste können nicht zu allen kirchlichen wie auch weltlichen Feierlichkeiten selber erscheinen. Wenn es eine Gelegenheit gibt, die ihnen besonders am Herzen liegt, bei der sie unbedingt präsent sein möchten, dann haben sie die Möglichkeit, einen solchen Sonderlegaten für diese eine Feier zu entsenden. Meistens ist das ein Kardinal.
DOMRADIO.DE: Das heißt, es gibt verschiedene Sonderlegaten mit unterschiedlichen Aufgaben?
Nersinger: Es gibt nur einen Sonderlegaten. Den erleben wir jetzt in Köln. Er ist mit einer beachtlichen Vollmacht ausgestattet und auch mit vielen Privilegien. Er vertritt den Papst in höchst eigener Person.
Es ist auch so, dass er nach dem internationalen Protokoll und Brauch wie ein Staatsoberhaupt empfangen und auch behandelt wurde. Das zeigte sich aber vor allem im kirchlichen Rahmen. Bis zur Reform des Römischen Hofes (1970) war es zum Beispiel sogar so, dass den Sondergesandten ein päpstlicher Zeremonienmeister, Prälaten, Kammerherren und auch ein Nobelgardist in voller Uniform begleiteten.
Auch heute hat er noch eine gewisse Begleitung, die zeigen soll, dass hier jemand kommt, der mit Autorität und Privilegien ausgestattet ist. Der Gesandte wird – das werden auch die Kölner erleben – den päpstlichen Segen zum Abschluss der Feierlichkeiten spenden.
DOMRADIO.DE: Seit wann gibt es solche Sondergesandte?
Nersinger: Legaten gibt es schon seit den Anfängen der Kirche. Die Päpste konnten zu den Konzilien im damaligen Römischen Reich nicht immer kommen und entsandten dann Legaten mit bestimmten Vollmachten.
In den ersten Jahrhunderten waren diese Legaten meistens nicht auf Dauer bestimmt, sondern für besondere Anlässe. Den Sonderlegaten, den Legatus a latere, entsandte man als jemanden, der wirklich den Papst in höchster Vollmacht vertrat.
DOMRADIO.DE: Haben Sie eine Geschichte rund um diese Gesandten aus der Vergangenheit?
Nersinger: Wie ernst die Päpste so etwas nehmen, haben wir unter dem Pontifikat vom Johannes Paul II. gesehen. Nach dem Attentat von 1981 war er lange Zeit krank. Einen von ihm sehr geliebten Marienwallfahrtsort konnte er anlässlich eines Eucharistischen Weltkongresses deswegen nicht besuchen und schickte einen solchen Legaten.
Als ganz besondere Auszeichnung gab er diesem Legaten seinen Kreuzstab mit, seinen Bischofsstab. Das zeigte deutlich, was der Papst ausdrücken wollte, dass er selber an diesem Wallfahrtsort präsent sein wollte.
Das Interview führte Carsten Döpp.