Den Ausstiegs-Beschluss fasste der Rat der EKD auf seiner Tagung vorletzte Woche in Berlin. Die bundesweite Aktionswoche gibt es bereits seit 1991. Sie wurde ursprünglich vom Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK) und der katholischen Deutschen Bischofskonferenz gegründet. 1994 kam dann die EKD dazu.
Inhaltlich beschäftigt sich die Woche mit dem Schutz des menschlichen Lebens in seiner Gesamtheit: Zu den Themen gehörten etwa der assistierte Suizid, Spätabtreibungen oder das Leben mit Behinderungen. In diesem Jahr stand die Veranstaltungsreihe unter dem Motto "Generation Z: Pandemie, Klima, Krieg - Wie leben in Erwartung weiterer Krisen?"
Immer weniger Schnittmengen
Doch zwischen der EKD und der katholischen Kirche gab es in ethischen Themen zuletzt immer weniger Schnittmengen. Denn in vielen Fragen nehmen die Protestanten deutlich liberalere Positionen ein. Und zuweilen gelingt es ihnen auch schlicht nicht, eine einheitliche evangelische Position hervorzubringen.
Ein Beispiel: Sämtliche katholische Stimmen zum assistierten Suizid - von der Deutschen Bischofskonferenz über die Caritas bis hin zum ZdK - sprachen sich in den vergangenen Tagen für den vom SPD-Bundestagsabgeordneten Lars Castelucci vorgelegten Gesetzesentwurf aus. Aus katholischer Sicht wirkt dieser am ehesten der Tendenz entgegen, "dass sich der assistierte Suizid als selbstverständliche Form der Lebensbeendigung durchsetzt".
Der Rat der EKD dagegen erklärte in der vergangenen Woche, dass es für Grenzsituationen des Lebens keine Regelungen geben könne, "die sie einfach und nach allen Seiten befriedigend auflösen". Weiter heißt es in einer Stellungnahme: "Freiheit im christlichen Verständnis ist immer relationale Freiheit, gebunden an die Verantwortung vor dem eigenen Gewissen, vor den Mitmenschen und vor Gott."
Diakonie spricht sich für gesetzliche Regelung aus
Ganz anders äußerte sich allerdings Diakonie-Präsident Ulrich Lilie, der es durchaus für möglich hält, zu einer gesetzlichen Regelung zu kommen. "Bei einer gesetzlichen Regelung des assistierten Suizids müssen Selbstbestimmung und Lebensschutz gut ausbalanciert werden, sagte er
Menschen mit Suizidwünschen seien ernstzunehmen und anzunehmen: "Eine gesetzliche Regelung darf aber nicht zu einer Normalisierung des assistierten Suizids führen." Eine klare Empfehlung für einen der beiden Gesetzesentwürfe gab freilich auch Lilie nicht ab.
Bischöfe: "Können Ausstieg nicht nachvollziehen"
Die ethischen Differenzen sind aus katholischer Sicht indes kein Grund, das gemeinsame Projekt aufzugeben. "Die Deutsche Bischofskonferenz bedauert, dass der Rat der EKD den Ausstieg aus der ökumenischen Woche für das Leben beschlossen hat", sagte der Sprecher der Deutschen Bischofskonferenz, Matthias Kopp.
Und weiter: "Wir sind traurig, dass eine der ältesten ökumenischen Initiativen in Deutschland, die sich seit fast 30 Jahren als wichtiger Beitrag zur Bewusstseinsbildung für den Wert und die Würde des menschlichen Lebens einsetzt, für die EKD keine Relevanz mehr hat." Und weiter: "Wir können nicht nachvollziehen, dass die EKD dieses gemeinsame Projekt, bei dem wir als Kirchen mit einer Stimme in der Öffentlichkeit aufgetreten sind, verlässt."
Die ethischen Probleme werfen indes die Frage auf, ob es auch andernorts ökumenische Absetzbewegungen gibt. Deutlich wurde so etwas in letzter Zeit etwa bei der Veröffentlichung der Kirchenmitgliederstatistik. Seit 2022 geben die beiden großen Kirchen die Zahlen nicht mehr zum selben Stichtag heraus - die Protestanten veröffentlichen ihre im Frühjahr, die Katholiken im Sommer.
Gute Zusammenarbeit in Flüchtlingsfragen und vor Ort
Man wolle sich weniger stark in den Strudel der katholischen Missbrauchsfälle hineinziehen lassen, hieß es hinter den Kulissen der EKD. Doch tatsächlich gibt man den Medien nun gleich zweimal im Jahr Gelegenheit, über das Schrumpfen der Kirchen zu berichten.
Trotz Unterschieden auch bei den Themen der Frauenordination, der Trauung für gleichgeschlechtliche Paare oder des Zölibats scheint dagegen die ökumenische Zusammenarbeit an anderer Stelle weiter gut zu funktionieren - und das nicht nur in vielen Gemeinden vor Ort: So besuchten in der vergangenen Woche die Flüchtlingsbeauftragten beider Konfessionen, der evangelische Berliner Bischof Christian Stäblein und der katholische Hamburger Erzbischof Stefan Heße, gemeinsam Flüchtlingsprojekte in Mecklenburg-Vorpommern.
Und in dieser Woche wollen beide großen Kirchen den dritten Ökumenischen Bericht zur Religionsfreiheit vorstellen. In beiden Fällen handelt es sich allerdings um keine kontroversen Themen. Sie sind sozusagen der "kleinste gemeinsame Nenner der Ökumene".