Weltkirchenrat gedenkt seines 60-jährigen Bestehens

"Nicht ständig unsere Geschichte feiern"

Wer zum Weltkirchenrat will, kann etwa die Buslinie 5 nehmen - Ausstieg zwischen dem Genfer Flughafen und dem "Platz der Nationen". Im Schatten des Völkerbund-Palastes liegt die Zentrale des Weltkirchenrates (ÖRK). Eine Steinskulptur mit dem Ökumene-Logo, dem Kreuz auf einem Schiff, weist den Weg. Der 60er-Jahre-Bau strahlt eher Arbeitsatmosphäre als Repräsentationsanspruch aus - im Gegensatz zu den UN-Bauten in der Nachbarschaft.

Autor/in:
Klaus Nelißen
 (DR)

Dabei stand der nach dem Ersten Weltkrieg ins Leben gerufene Völkerbund Modell für den ÖRK, der schließlich am 23. August 1948 in Amsterdam gegründet wurde. Schon 1920 hatte das Ökumenische Patriarchat von Konstantinopel alle christlichen Kirchen zur Schaffung einer «Liga der Kirchen» aufgerufen. Misstrauen und Verbitterung sollten abgelegt und gemeinsame Wege trotz der lehrmäßigen Unterschiede begangen werden, so der Appell.

Im 60. Jahr der Gründung spricht der Weltkirchenrat für rund 350 Mitgliedskirchen aus über 110 Ländern. Er repräsentiert nach eigenen Angaben mehr als 500 Millionen Christen. Die katholische Kirche ist kein Mitglied, steht aber seit der Einrichtung einer gemeinsamen Arbeitsgruppe 1965 in engem Kontakt zum ÖRK. Wichtigstes Datum seit der Gründung war der Beitritt der Russischen Orthodoxen Kirche im Jahr 1961. Damit wurde aus dem nordatlantischen Kirchenbund ein weltumspannendes Netzwerk.

Durch die Ost-West-Bindung kam dem ÖRK in der Zeit des Kalten Krieges eine international beachtete Vermittlerrolle zu. Auch der Kampf gegen die Apartheid in Südafrika zog Aufmerksamkeit auf sich.

Die etwa alle sieben Jahre stattfindenden Vollversammlungen wurden zu politischen Sprachrohren. Mit dem Fall der Mauer fielen diese politischen Themen weg. Es begann eine Phase der Neuorientierung im ÖRK. Nach wie vor äußert sich der Rat zu politischen Krisen wie derzeit etwa in Kenia oder im Irak.

«Wir müssen keine kleine UNO sein», mahnt das deutsche Mitglied im Zentralausschuss des ÖRK, Martin Hein, mit Blick auf das vielfältige Engagement. Der Bischof der Evangelischen Kirche von Kurhessen-Waldeck begreift neben dem politischen Einsatz die Zusammenarbeit im Rat als wichtige Aufgabe.

Zwischen der orthodoxen und den protestantischen Kirchen kam es in den 1990er Jahren zu Spannungen: Die Orthodoxen fühlten sich mit dem damaligen Mehrheitswahlsystem bei vielen Entscheidungen benachteiligt, da mehrheitlich protestantische Kirchen vertreten waren. Seit 2006 herrscht das Konsenssystem, das diesen Streitpunkt ausräumte. Weiter bestehende Konfliktfelder sieht Hein in der Sexualethik, dem Amtsverständnis und beim Thema Frauenordination.

Als weitere große Herausforderung begreift er die Auseinandersetzung mit den Pfingstkirchen und charismatischen Bewegungen, die weltweit wüchsen. Sie in den ÖRK einzubinden, schätzt das Zentralausschussmitglied als ebenso unrealistisch ein wie einen baldigen Beitritt der Katholiken.

Doch gerade mit der katholischen Kirche sei 1982 durch die gemeinsame Erklärung von Lima bereits viel bewegt worden, meint Martin Robra, Direktor der Programmeinheit «ÖRK und ökumenische Bewegung im 21. Jahrhundert». «Wenn wir eine Krise haben, dann eine des Erfolgs». Die Kirchen setzten aber noch längst nicht alles um, was die ökumenischen Bewegung in den vergangenen 60 Jahren bewegt habe. Vielleicht wird auch deshalb das Jubiläum in diesem Jahr in einem kleinen Rahmen begangen. «Wir haben aktuell noch so viel zu tun und können ja nicht ständig unsere grandiose Geschichte feiern», meint Robra.