Weihbischof Schepers beklagt Spaltung der Bischofskonferenz

"Darüber muss gesprochen werden"

Nachdem ein Grundlagenpapier zur Sexualmoral beim Synodalen Weg durchgefallen ist, wird ein offener Konflikt in den Reihen der Bischöfe deutlich. Der Essener Weihbischof Ludger Schepers plädiert für eine offene Aussprache.

Bischöfe haben sich auf der vierten Synodalversammlung beraten / © Max von Lachner (SW)
Bischöfe haben sich auf der vierten Synodalversammlung beraten / © Max von Lachner ( SW )

DOMRADIO.DE: Wie war das für Sie, als das Papier zur Sexualmoral nicht die Zweidrittelmehrheit der Bischöfe bekommen hat bei der vierten Synodalversammlung? Wie haben Sie da persönlich reagiert?

Weihbischof Ludger Schepers / © Harald Oppitz (KNA)
Weihbischof Ludger Schepers / © Harald Oppitz ( KNA )

Ludger Schepers (Weihbischof im Bistum Essen): Ich war völlig fertig, weil ich mir das nicht habe vorstellen können aufgrund der vorhergehenden Diskussion und Debatte. Das waren sehr persönliche Zeugnisse, die da gefallen sind, und es gab eine lange Diskussion darüber, was das für die Menschen bedeutet. Es ging für mich nicht um Buchstaben einer Lehre, sondern es geht um Menschen, die als queere Menschen leben und Diskriminierung erfahren.

DOMRADIO.DE: Wie erklären Sie sich denn, dass eine Zahl von Bischöfen dieses Papier abgelehnt haben?

Schepers: Vielleicht deswegen, weil sie sich mit der Lebenswelt dieser Menschen nicht befasst haben. Die Herausgeber des Buches "Katholisch und Queer", Mirjam Gräve, Hendrik Johannemann und Mara Klein haben das Buch, wie ich gehört habe, allen Bischöfen geschenkt. Ich habe mich dafür bedankt und bekam die Rückmeldung: Da sind Sie aber der Erste.

DOMRADIO.DE: Haben sich die anderen nicht bedankt oder es vielleicht auch gar nicht gelesen oder was meinen Sie?

Ludger Schepers (r.), Weihbischof in Essen im Gespräch mit Reinhard Kardinal Marx während der vierten Synodalversammlung / © Julia Steinbrecht (KNA)
Ludger Schepers (r.), Weihbischof in Essen im Gespräch mit Reinhard Kardinal Marx während der vierten Synodalversammlung / © Julia Steinbrecht ( KNA )

Schepers: Das weiß ich nicht, vielleicht haben sie sich später noch bedankt, aber das war kurz vor der Versammlung, dass ich das gemacht habe.

DOMRADIO.DE: Einige der Bischöfe, die das Papier jetzt abgelehnt haben, sagen, dass sie ja nicht gegen die Lehrmeinung der römisch-katholischen Kirche stimmen können. Immerhin steht ja im Katechismus geschrieben, dass Sexualität außerhalb der Ehe mit Mann und Frau Sünde sei, also auch gelebte Homosexualität. Was sagen Sie diesen Bischöfen?

Schepers: Dann muss man ja sagen: Wer den Sex nur auf die Ehe beschränkt und dann auf die Zeugung von Kindern, der sieht nicht die Lebenswelt der Menschen, auch nicht der Eheleute. Das ist seit Jahrzehnten so. Ich bin sicherlich auch noch in der Lehre groß geworden. Zumindest hat mein Pfarrer mir damals erzählt, dass ein Junge, der masturbiert, Leben vernichte.

Das ist jetzt schon über 60 Jahre bald her. Wenn sich das immer noch so durchzieht, dass Sexualität eben nur auf eine gewisse Zeit und auf einen gewissen Ort beschränkt werden kann, dann ist das nicht die Lebenswirklichkeit, weil sie uns zutiefst prägt.

Ludger Schepers (Weihbischof im Bistum Essen)

"Sie müssen mir dann das katholische Menschenbild erklären. Ich habe auch ein katholisches Menschenbild, das davon ausgeht, dass es zwar Mann und Frau gibt und dass es eine Bipolarität gibt, dass es aber auch das dazwischen gibt."

DOMRADIO.DE: Einige Bischöfe haben auch schon vor dieser Abstimmung vor einem Bruch mit dem katholischen Menschenbild gewarnt. War es dann nicht schon vorhersehbar, dass dieses Reformpapier dann am Ende durchfallen wird?

Schepers: Sie müssen mir dann das katholische Menschenbild erklären. Ich habe auch ein katholisches Menschenbild, das davon ausgeht, dass es zwar Mann und Frau gibt und dass es eine Bipolarität gibt, dass es aber auch etwas dazwischen gibt. Das würde ich nicht immer unbedingt ein neues Geschlecht nennen. Aber es gibt mehr als Mann und Frau in der Eindeutigkeit, wie manche das so annehmen.

DOMRADIO.DE: Nachdem das Papier zur Sexualmoral nicht durchgekommen ist, sind viele Menschen davon enttäuscht. Was sagen Sie jetzt denen, die nun die Nase voll haben und vom Kirchenaustritt sprechen?

Schepers: Neben natürlich auch sehr unfeinen und Hassmeldungen bekomme ich in der Mehrzahl die Rückmeldung, dass mir gesagt wird: Gut, dass Sie als Bischof das gesagt haben, das ist für mich ein Grund, in der Kirche zu bleiben.

DOMRADIO.DE: Die katholische Kirche scheint tief gespalten zu sein. Auf der einen Seite sind die Konservativen, die sich mit Rom verbunden fühlen und alles boykottieren, was die liberale Mehrheit der Bischöfe vorschlägt. Wie ist diese Spaltung aufzulösen?

Schepers: Ich denke, das geht nur im gegenseitigen Miteinander und im offenen Sprechen darüber – auch, denke ich, bei den Bischöfen über die eigene Sexualität. Wenn das nicht in den persönlichen Fragen und Bahnen bleibt, sondern wenn wir nur über etwas reden, dann wird das nicht gelingen.

DOMRADIO.DE: Müssen also die Bischöfe mit ihren Ansichten und Haltungen auch zum Synodalen Weg untereinander auch erst mal mehr Einigkeit finden? Sehen Sie dafür Chancen bei der anstehenden Vollversammlung der Bischofskonferenz?

Bischof Rudolf Voderholzer während der vierten Synodalversammlung / © Julia Steinbrecht (KNA)
Bischof Rudolf Voderholzer während der vierten Synodalversammlung / © Julia Steinbrecht ( KNA )

Schepers: Ich hoffe zutiefst, dass über diesen Bruch gesprochen werden kann, der da deutlich geworden ist und von dem Bischof Voderholzer auch noch mal deutlich gesprochen hat in seinem Statement. Darüber muss in aller Offenheit und aller Freundlichkeit gesprochen werden und es muss wirklich zugehört werden mit dem Herzen und nicht nur mit dem Verstand.

DOMRADIO.DE: Ist das bisher unter den Bischöfen gelungen?

Schepers: Nein, bisher ist das noch nicht gelungen.

Das Interview führte Florian Helbig.

Was wurde bei der vierten Synodalversammlung beschlossen?

Insgesamt berieten die gut 200 Delegierten der vierten Synodalversammlung über 8 Papiere, ursprünglich waren 14 vorgesehen. Vier Texte wurden in Zweiter Lesung verabschiedet; einer scheiterte an einer Sperrminorität von Bischöfen. Drei Texte standen in Erster Lesung zur Debatte und sind deswegen noch nicht beschlossen, auch wenn die jeweiligen Abstimmungsergebnisse Rückschlüsse auf die grundsätzliche Akzeptanz der jeweiligen Anliegen erlauben.

Abstimmungsgerät bei der vierten Synodalversammlung / © Max von Lachner (SW)
Abstimmungsgerät bei der vierten Synodalversammlung / © Max von Lachner ( SW )
Quelle:
DR