Söding setzt auf langfristigen Synodalen Weg

"Es wird keine Eintagsfliege sein"

Seit Jahren debattiert die katholische Kirche beim Synodalen Weg über ihre Zukunft. Nun endete die vierte von fünf Synodalversamlungen. Präsidiumsmitglied Thomas Söding setzt bereits jetzt auf weitere Diskussionsrunden.

Thomas Söding / © Max von Lachner (SW)
Thomas Söding / © Max von Lachner ( SW )

DOMRADIO.DE: Sprechen wir über die zurückliegende Synodalversammlung. So richtig zufrieden kann man ja eigentlich nicht sein, oder? Das war ja allerhöchstens ein Teilerfolg.

Thomas Söding / © Max von Lachner (SW)
Thomas Söding / © Max von Lachner ( SW )

Prof. Thomas Söding (Vizepräsident des Zentralkomitees der deutschen Katholiken / ZdK): Zufriedenheit ist für mich nicht die entscheidende Kategorie. Das Wichtigste ist, dass der Ernst der Lage, in der die katholische Kirche ist, erkannt worden ist.

Wir haben die Betroffenen gehört. Sie haben uns noch einmal vor Augen geführt, wie wichtig eine grundlegende Veränderung des Machtgefüges der katholischen Kirche, aber auch der Lehre, vor allem über dieses sensible Thema der Sexualität ist. Am Anfang schien es so, dass der Synodale Weg vor dem Scheitern stand, aber er hat die Kurve gekriegt, er hat Konsequenzen gesehen. Ich glaube, dass jetzt der Blick in die Zukunft besser ist.

DOMRADIO.DE: Haben Sie denn das Gefühl, dass der Ernst der Lage auch unter den Bischöfen angekommen ist?

Söding: Es hat Bewegungen, es hat Veränderungen, es hat Nachdenklichkeit gegeben. Tatsächlich war es ja so, dass auch der Text über die Grundlagen der christlichen Sexualethik von einer sehr großen Mehrheit, nicht nur der gesamten Synodalversammlung getragen worden ist, sondern auch von einer ganz klaren Mehrheit der Bischöfe. Es war aber keine Zweidrittelmehrheit. Drei Stimmen haben gefehlt.

Wir halten uns an die Satzung und damit hat dieser Grundtext nicht die erforderliche Mehrheit gefunden. Aber wir sind nicht sprachlos geblieben, sondern wir haben uns mit denjenigen, denen dieses Thema ganz besonders am Herzen liegt, verständigt und haben es dann doch geschafft, klare Signale zu setzen.

Wir haben ein klares Wort zur lehramtlichen Neubewertung von Homosexualität gemeinsam mit den Bischöfen formuliert. Und wir haben auch über die besondere Situation von homosexuellen Priestern gesprochen. Ja, wir haben sogar das Thema geschlechtliche Vielfalt zusammen mit den Bischöfen klarstellen können. Das war ein schwieriger Prozess, aber es war ein Prozess. Zu Synoden gehören Krisen dazu. Aber diese Krise haben wir gelöst.

Bischöfe haben sich auf der vierten Synodalversammlung beraten / © Max von Lachner (SW)
Bischöfe haben sich auf der vierten Synodalversammlung beraten / © Max von Lachner ( SW )

DOMRADIO.DE: Drei fehlende Stimmen von Bischöfen waren schuld an der Ablehnung der neuen Sexualethik. Was sagt das über die Kirche aus?

Söding: Das sagt über die Kirche aus, dass wir über die Einbindung, die Stellung von Bischöfen in einer synodalen Kirche neu nachdenken müssen. Es sagt auch etwas darüber aus, dass wir Modelle finden müssen, die Synodalität auf Dauer zu stellen. Auch dort haben wir ein ganz klares Signal gesetzt.

Der Synodale Weg wird keine Eintagsfliege sein. Es wird auf Dauer einen Synodalen Rat für die katholische Kirche geben. Wir arbeiten die Themen weiter auf, die auf der Tagesordnung stehen, weil der Problemstau so groß ist. Die Bischöfe werden ein wichtiger Teil dieses Weges sein. Ihre Führungskompetenz ist gefragt.

DOMRADIO.DE: Es gab einen Punkt am Freitagmorgen, da wurde ernsthaft und offen gefragt, ob das ZdK diesen Reformdialog weiter unterstützen kann. Es gab zwischen den Sitzungen mehrere Beratungen, auch hinter verschlossenen Türen. Wie nah sind Sie dabei einem Abbruch gekommen und was müsste passieren, dass Sie diesen Schritt noch gehen?

Vierte Synodalversammlung / © Max von Lachner (SW)
Vierte Synodalversammlung / © Max von Lachner ( SW )

Söding: Wir haben ganz klare Kriterien, die unser Engagement als ZdK auf dem Synodalen Weg ausmachen. Wir wollen, dass die Stimme der Betroffenen klar wird. Wir wollen, dass sich das Verhältnis von Macht und Gewaltenteilung klar in Richtung Partizipation verschiebt. Da haben wir bislang gute Entscheidungen getroffen.

Wir wollen, dass sich das Priesterbild ändert. Da werden wir bei der fünften Synodalversammlung noch nachlegen müssen. Wir wollen, dass der Zugang von Frauen zu Diensten und Ämtern in der Kirche geweitet wird, sich verändert. Das war der entscheidende Punkt eines Turnaround, dass die Bischöfe auch dieses Projekt unterstützen.

Und wir wollen an einer Veränderung all dessen, was mit Sexualität zu tun hat, im Rahmen der kirchlichen Ethik weiterarbeiten. Auch dort lassen wir uns von der einen Niederlage nicht in die Knie zwingen.

DOMRADIO.DE: Angenommen, bei der fünften Synodalversammlung kommt es nicht zu den von Ihnen angesprochenen Reformen, Ideen und Projekten. Wären Sie auch immer noch bereit, dann die Reißleine zu ziehen und auszusteigen?

Söding: Ich bin gar nicht an diesem Punkt, dass es um Exit-Strategien oder dergleichen geht. Wir müssen mit dem kirchenrechtlich schwachen Instrument des Synodalen Weges das Beste für die Gläubigen herausholen, insbesondere für die Betroffenen des Machtmissbrauchs in der katholischen Kirche. Wir werden als ZdK alle Chancen nutzen, die uns hier geboten sind.

Nicht nur eine Krise ist in der vierten synodalen Versammlung deutlich geworden, sondern es ist auch die Chance deutlich geworden, neues Vertrauen zur Zusammenarbeit mit den Bischöfen zu gewinnen.

Das ist nicht absolut gesichert, aber ich bin doch sehr optimistisch, dass der Lernerfolg aus dieser kritischen Synodalversammlung nachhaltig sein wird.

DOMRADIO.DE: "Es ist erst ein Anfang, aber ein guter" haben Sie bei der Abschlusspressekonferenz gesagt. Ist es für einen Anfang nicht schon viel zu spät? Der Prozess läuft seit zweieinhalb Jahren. Missbrauch ist seit 2010 ein Thema.

Söding: Ja, wir stehen immer am Anfang, denn wir haben immer mit diesen neuen Herausforderungen zu tun. "Es ist ein Anfang" heißt, wir haben jetzt in die Spur gefunden. "Es ist ein guter Anfang" heißt, wir müssen eine synodale Kirche neu denken und wir können das.

Das Interview führte Moritz Dege.

Was wurde bei der vierten Synodalversammlung beschlossen?

Insgesamt berieten die gut 200 Delegierten der vierten Synodalversammlung über 8 Papiere, ursprünglich waren 14 vorgesehen. Vier Texte wurden in Zweiter Lesung verabschiedet; einer scheiterte an einer Sperrminorität von Bischöfen. Drei Texte standen in Erster Lesung zur Debatte und sind deswegen noch nicht beschlossen, auch wenn die jeweiligen Abstimmungsergebnisse Rückschlüsse auf die grundsätzliche Akzeptanz der jeweiligen Anliegen erlauben.

Abstimmungsgerät bei der vierten Synodalversammlung / © Max von Lachner (SW)
Abstimmungsgerät bei der vierten Synodalversammlung / © Max von Lachner ( SW )
Quelle:
DR