Wegen Corona keine Friedhofspartys auf den Philippinen

Da kommt Trauer auf

Auf den riesigen Friedhöfen von Manila gedenken normalerweise Hunderttausende Menschen zu Allerheiligen und Allerseelen ihrer Verstorbenen - in Partystimmung. Doch in diesem Jahr bleiben die Friedhöfe geschlossen.

Autor/in:
Michael Lenz
Ein Friedhof auf den Philippinen / © junpinzon (shutterstock)
Ein Friedhof auf den Philippinen / © junpinzon ( shutterstock )

"Undas", so nennen die Philippiner Allerheiligen und Allerseelen. Diese Trauertage sind in Manila und überall im Land große Festtage; man feiert zusammen mit den toten Angehörigen das Leben - normalerweise.

"Ich bin traurig, dass ich nicht Aldrins Grab besuchen kann", sagt Nanette Castillo aus Manila der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA). So wie ihr geht es vielen Hinterbliebenen der rund 30.000 Menschen, die im Drogenkrieg von Präsident Rodrigo Duterte erschossen wurden. Niemals wird Castillo jenen 2. Oktober 2017 vergessen, an dem sieben Männer auf Motorrädern im Armenviertel Tondo ihren Sohn Aldrin erschossen.

Eine radikale Wende in ihrem Leben, wie sie zuletzt in ihrer Rede vor der UN-Menschenrechtskommission in Genf betonte: "Durch den Tod meines Sohnes bin ich zur Menschenrechtsaktivistin geworden."

Picknicks, Glücksspiel, Alkohol

Jährlich strömen zu Undas in Manila mehr als 800.000 Menschen auf die Friedhöfe. Allein 300.000 Besucher kamen 2019 zum Nordfriedhof, wo Aldrin Castillo begraben liegt. Familien veranstalten an Gräbern, Mausoleen und Kolumbarien trotz Ermahnungen der Kirche große Picknicks, frönen dem Glücksspiel, feiern mit Alkohol. Kinder spielen auf den meist freistehenden Sarkophagen.

In Absprache mit den Bistümern der Metropolregion Manila haben die Bürgermeister in diesem Jahr die Schließung sämtlicher Friedhöfe zu Allerheiligen und Allerseelen verfügt. Zu groß ist die Gefahr, dass Abstände zum Schutz vor Corona nicht eingehalten würden.

Der Weg zum Nordfriedhof führt über eine große Straße, die zu normalen Undas-Zeiten für den Verkehr gesperrt ist. In der Mitte und an den Rändern bieten dann Hunderte Händler Kerzen und Blumen, Obst und Gemüse, Halloween-Masken und glitzernden Weihnachtsschmuck feil. Über allem liegt dann der Duft von gegrilltem Spanferkel und anderen Leckereien philippinischer Garküchen.

Mausolen größer als die Hütten in den Slums

Auf dem Friedhof geht es zu wie auf dem Jahrmarkt. Entlang der Hauptwege werden Erfrischungsgetränke, Pizza, Sim-Karten, bunte Ballons und Entspannungsmassagen angeboten. Wer es sich leisten oder das Geld zusammenpumpen kann, baut seinen Verstorbenen ein Mausoleum, von denen die meisten größer sind als die Hütten in den vielen Slums von Manila.

"Wir sind schon seit sechs Uhr heute Morgen hier", sagte Nene Vitan 2018 der KNA. Zusammen mit ihrer Tochter, zwei Enkelkindern und ihrer Schwester hat sie es sich im umgerechnet rund 5.000 Euro teuren Mausoleum ihres 2012 verstorbenen Mannes gemütlich gemacht. "Wir wollten vor der Hitze hier sein", so die Witwe lachend. Und man werde auch erst gegen 19.00 Uhr, also nach der Tageshitze, wieder nach Hause gehen.

So ganz ohne Friedhofsbesuche und Totengedenken wird es aber wohl auch zum Corona-Undas nicht abgehen. Wenn man nicht an den Tagen selbst zum Friedhof darf, geht man eben in den Tagen zuvor hin. 12.000 Polizisten sind deshalb auf den Friedhöfen in Manila und anderen Teilen des Inselstaates zur Corona-Kontrolle im Einsatz.

Gebet im Internet und digitale Kerzen

Die Kirche setzt derweil auf das Internet. Auf der Webseite "Undas" können die Gläubigen für ihre Toten beten und im Livestream an Trauergottesdiensten teilnehmen. Mit einem Klick lässt sich eine digitale Kerze entzünden.

Von den Mördern im Drogenkrieg - von denen viele Polizisten sind - wurde bislang fast keiner zur Verantwortung gezogen. "Die Philippinen sind kein Rechtsstaat. Jeder, der die Regierung kritisiert, gilt als Staatsfeind", sagt die Menschenrechtlerin Castillo. Als Mutter besucht sie jeden Monat das Grab ihres Sohnes Aldrin. Zuletzt vergangene Woche. Aber nicht zu Allerheiligen. Nicht dieses Jahr.


Quelle:
KNA