Was die Kirchen auf der Berlinale zu suchen haben

"Filme, die existenzielle Fragen stellen"

Auch die beiden großen Kirchen sind auf der Berlinale vertreten, die seit Donnerstag läuft. Was der Glaube mit Filmen zu tun hat und was die Kirchen bei dem Filmfestival machen, erklärt Christian Engels von der Evangelischen Kirche.

Der Berlinale Palast in Berlin / © 360b (shutterstock)

DOMRADIO.DE: Es dürfte manchen vielleicht überraschen, dass auch die beiden großen Kirchen auf der Berlinale vertreten sind. Was machen Sie da?

Christian Engels (Leiter der filmkulturellen Arbeit der Evangelischen Kirche in Deutschland): Wir sind bei ganz vielen Festivals in Europa. Wir haben eine Jury, die am Ende auch einen Preis verleiht. Und wir haben einen Empfang, bei dem sehr viele Menschen am Sonntag am Gendarmenmarkt in Berlin Mitte zusammenkommen werden.

73. Berlinale im Zeichen des Ukraine-Kriegs eröffnet

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Absperrgitter vorm Berlinale-Palast / © Annette Riedl (dpa)
Absperrgitter vorm Berlinale-Palast / © Annette Riedl ( dpa )

DOMRADIO.DE: Welche Filme erzählen denn von Gott und Glauben?

Engels: Sie können es in ganz vielen Klassikern finden. "Indiana Jones" erzählt ganz viel von Religion und Glaube. "Pulp Fiction" sogar auch tatsächlich mit dem Wunder, dass die beiden Profikiller überleben. Sie haben das aber auch in Filmen wie "Das Leben des Brian" natürlich. Und Sie haben es in dem Klassiker "The Shawshank Redemption" (dt. "Die Verurteilten", Anm. d. Red.) mit Tim Robbins und Morgan Freeman. Diese Filme erzählen alle von Glaube und Religion und auch von Gott.

DOMRADIO.DE: Seit 1992 prämiert eine eigens eingerichtete ökumenische Jury Filme von der Berlinale. Unter welchen Gesichtspunkten und Kriterien? Muss es sich immer explizit um Gott und das Evangelium sich oder kann es auch die größeren Themen gehen, die alle Menschen beschäftigen?

Engels: Es geht selten direkt um Gott und Glaube, weil diese Themen, bei den Filmen der Berlinale selten direkt angesprochen werden. Und selbst dann geht es uns in der Jury um etwas anderes. Es geht darum, herausragende Filme, die vielleicht zu wenig Beachtung finden, nochmal besonders hervorzuheben. Es geht um tolle Filme, die existenzielle Fragen stellen.

Christian Engels (Leiter der filmkulturellen Arbeit der Evangelischen Kirche in Deutschland)

"Es geht darum, herausragende Filme, die vielleicht zu wenig Beachtung finden, nochmal besonders hervorzuheben."

DOMRADIO.DE: Inwieweit ist denn Ihre Arbeit auf Filmfestivals oder generell Ihre Medienarbeit auch eine Art Korrektiv zu einer immer stärker kommerziell ausgerichteten Branche?

Engels: Wir verstehen die Arbeit genau so, wie Sie sagen. Natürlich arbeiten wir auch mit vielen Partnerinnen und Partnern der Filmbranche zusammen. Wir sind jetzt nicht der Underground oder so etwas, aber es gibt einfach neben Marvel Superhelden und -heldinnen auch ganz viel anderes, was zu wenig Aufmerksamkeit bekommt. Wir haben einen Film des Monats zum Beispiel, katholisch und evangelisch, in dem wir auch darauf hinweisen, dass es auch tolle Filme gibt, die sonst nicht so viel Beachtung haben. Das ist eine Ergänzung, würde ich sagen, vielleicht kein Korrektiv.

DOMRADIO.DE: Was passiert denn da auf diesem Empfang, den Sie organisieren?

Engels: Wir haben immer einen Ehrengast. Dieses Mal ist das die Produzentin Regina Ziegler. Das ist für mich schön, weil ich mal für sie gearbeitet habe, vor vielen Jahren. Sie hat jetzt bald 50-jähriges Firmenjubiläum und wird einfach von ihrer Arbeit erzählen, von Rainer Werner Fassbinder bis Amazon Prime, wofür sie jetzt auch eine Serie gemacht hat, sie hat einen Sebastian-Fitzek-Thriller verfilmt. Das heißt, sie hat echt ein breites Spektrum und erzählt davon.

Ansonsten ist es ein Treffpunkt von Leuten aus Kirche, Kino, Presse, zum Teil auch Politik. Und es ist wie das bei diesen Empfängen ist, immer eben auch ein Punkt fürs Netzwerken, für Begegnungen, für überraschende Konstellationen. Ich glaube, es wird ein schöner Abend. Es wird vor allem ein sehr voller Abend, weil wir doch nach Corona merken, dass solche Gelegenheiten der Begegnung auch wieder voll genutzt werden.

DOMRADIO.DE: Corona hat ja den Filmschaffenden zugesetzt. Und jetzt, nach der Pandemie, klagen die Kinos immer noch über halbleere Säle, weil die Menschen es sich offenbar zu Hause sich bequem gemacht haben auf dem Sofa bei Streamingdiensten. Wie blicken Sie auf die Zukunft des Kinos?

Engels: Es ist tatsächlich genau so, wie Sie sagen. Das große Kinosterben ist immerhin ausgeblieben, das wir am Anfang befürchtet haben. Aber es ist eine Krise. Es war schon vorher so, dass Deutschland keine große Kinonation ist. Wir gehen nicht viel ins Kino, das heißt, da hat eh schon ein Bewusstsein dafür gefehlt, wie toll das Kino sein kann.

Aber ich glaube, dass Corona vielleicht sogar eine Chance sein kann, weil wir doch auch merken, wie toll es ist, wenn so ein Vorhang aufgeht und dann fängt der Film an und man sitzt da mit 50 oder 800 anderen Menschen und erlebt etwas gemeinsam. Ich glaube, das Kino wird nie ganz verschwinden. Aber es ist ein Schaden da und wie groß der ist, wird sich noch zeigen. Trotzdem bin ich für die Zukunft optimistisch.

Das Interview führte Tobias Fricke.

Quelle:
DR