Das Kloster Einsiedeln sucht einen neuen Chef. Deshalb wählen die Benediktiner im bedeutendsten Wallfahrtsort der Schweiz am letzten Samstag des August 2025 einen neuen Abt. 2013 wurde Pater Urban Federer zum 59. Vorsteher in der langen Geschichte des Klosters Einsiedeln gewählt, die bis ins neunte Jahrhundert zurückgeht. Nach zwölf Jahren endet seine Amtszeit nun, weshalb die Abtwahl ansteht. Doch in Einsiedeln gibt es eine Besonderheit im Vergleich mit vielen anderen Abteien und Stiften. Der neue Abt wird – wie schon seine Vorgänger – nicht nur das Kloster leiten, sondern auch der Schweizer Bischofskonferenz angehören.
Der Grund dafür ist im Kirchenrecht zu suchen, denn Kloster Einsiedeln ist eine Territorialabtei. Das bedeutet, sie übt eine bistumsähnliche Funktion aus und ist direkt dem Heiligen Stuhl unterstellt. Man nennt solche Gebietsabteien auch "exemte" Klöster, abgeleitet vom lateinischen Wort "eximere" mit der Bedeutung herausnehmen. Territorialabteien sind in der Tat aus der normalen kirchlichen Struktur herausgenommen. Da ihr Gebiet nicht zum Territorium einer Diözese gehört, sind diese Klöster als sogenannte Teilkirche strukturell eigenständig. Ihr Abt ist in der Regel ordentliches Mitglied der jeweiligen nationalen Bischofskonferenz, weil er die Jurisdiktionsgewalt eines Diözesanbischofs besitzt – also etwa Pfarrer versetzen oder Gesetze für sein Zuständigkeitsgebiet erlassen kann.
Auch Äbte nutzen Mitra, Stab und Ring
Der Abt einer Territorialpfarrei besitzt jedoch nicht die Weihegewalt eines Bischofs. Er darf zum Beispiel keine Diakone oder Priester weihen, denn er hat selbst nicht die Ordination zum Bischof empfangen. Wenn die Spendung des Weihesakraments für Kandidaten des Gebiets von Kloster Einsiedeln ansteht, kann der Abt die zukünftigen Kleriker zwar zur Weihe zulassen. Für den Vollzug der Ordination muss er jedoch einen geweihten Bischof auf das Territorium der Abtei einladen. Das mag von außen betrachtet verwirrend wirken, zumal ein Abt im Gottesdienst rein äußerlich wie ein Bischof auftritt, da der Vorsteher eines Klosters die bischöflichen Pontifikalien nutzen darf, also eine Mitra, einen Stab und einen Ring tragen.
Zudem empfangen sowohl ein Bischof als auch ein Abt oder eine Äbtissin eine Weihe. Dabei handelt es sich jedoch um unterschiedliche Handlungen. Während man Bischof durch die letzte Stufe des Ordinationssakraments wird, ist die Weihe einer Klostervorsteherin oder eines Klostervorstehers eine Benediktion – sie zählt also nicht zu den sieben Sakramenten. Beide Riten ähneln sich jedoch, weil sowohl Bischöfe als auch Äbtissinnen und Äbte die Oberhirten für ihren jeweiligen Bereich sind und Leitungsgewalt besitzen. Das war besonders in vergangenen Jahrhunderten bis ins Mittelalter hinein von Bedeutung, als die Leiter von Klöstern und Diözesen auch weltliche Macht besaßen.
Verflechtung von monastischen und diözesanen Strukturen auflösen
Um die eigene Macht und Stellung auszubauen, verfolgten damals Abteien und Klöster das Ziel, nicht mehr einem Landesherrn oder Diözesanbischof unterstellt zu sein, sondern die Exemtion zu erlangen. Wer unmittelbar dem Papst oder dem Kaiser unterstellt war, durfte über seine eigenen Belange weitgehend selbst bestimmen. Bekannte ehemalige Klöster in Deutschland, die exemt waren, sind die Fürstpropstei Berchtesgaden der Augustiner-Chorherren oder das Benediktinerkloster in Corvey.
Seit der Zeit des Zweiten Vatikanischen Konzils (1962-65) hat der Heilige Stuhl die Zahl der Territorialabteien reduziert. Das Ziel ist es, die historisch gewachsene Verflechtung von monastischen und diözesanen Strukturen aufzulösen, damit sich die Klöster auf ihren spirituellen Auftrag besinnen können. Derzeit gibt es noch elf Territorialabteinen weltweit: sechs in Italien, zu denen mit Montecassino das Stammkloster der Benediktiner gehört; die Zisterzienserabtei Wettingen-Mehrerau in Österreich; die Erzabtei Pannonhalma in Ungarn; in der Schweiz das Kloster Einsiedeln und die Abtei Saint-Maurice der Augustiner Chorherren; in Nordkorea existiert mit dem Benediktinerkloster Tokwon die einzige Gebietsabtei außerhalb Europas.
Papst muss Abtwahl bestätigen
Wer die Territorialabtei Kloster Einsiedeln künftig leiten wird, entscheidet sich sehr wahrscheinlich bei der Abtwahl am Samstag. Dem aktuellen Abt Urban Federer räumen Schweizer Medien gute Chancen ein, auch für die kommenden zwölf Jahre an die Spitze der Abtei gewählt zu werden. Federer sei beliebt und habe gute Arbeit geleistet, so der Tenor der Berichte. Wer zum Abt gewählt wurde, wird jedoch wahrscheinlich erst in einigen Tagen oder Wochen bekannt werde. Denn Papst Leo XIV. muss die Wahl der Benediktinermönche bestätigen. Erst danach kann der neue Abt in Amt und Würden gelangen.
Die Zustimmung des Kirchenoberhauptes ist jedoch weitaus mehr als nur einfaches Durchwinken. 2022 hatten die Mönche der Abtei Montecassino den Benediktiner Mauritius Wilde zu ihrem Vorsteher gewählt. Doch Papst Franziskus verhinderte die Wahl Wildes, berichteten damals verschiedene Medien. Ein wichtiger Grund soll dabei die Überlegung gespielt haben, dass mit Wilde als Territorialabt von Montecassino ein Deutscher der Italienischen Bischofskonferenz angehört hätte. Es habe konkordatsrechtliche Bedenken gegeben. Es bleibt den Einsiedler Mönchen zu wünschen, dass ihnen so etwas erspart bleibt.