Neues Strafrecht der Kirche tritt in Kraft

Warum Strafen auch mit Seelsorge zu tun hat

Anfang Juni wurde das neue Strafrecht der katholischen Kirche vorgestellt. An diesem Mittwoch tritt es in Kraft. Es ist Kirchenoberen dann nicht mehr freigestellt, ob sie bei erwiesener Schuld bestrafen. Sie müssen es.

Autor/in:
Roland Juchem
Codex Iuris Canonici / © Harald Oppitz (KNA)
Codex Iuris Canonici / © Harald Oppitz ( KNA )

Kirchliche Strafdisziplin ist untrennbar mit der Seelsorge verbunden: Von Franziskus, dem "Papst der Barmherzigkeit", hätte man eine solche Aussage nicht gerade erwartet. Aber so sagt er es in seiner Konstitution "Pascite gregem dei" (Weidet Gottes Herde), mit der er Anfang Juni das allgemeine kirchliche Strafrecht reformierte. Am Mittwoch (8. Dezember) tritt die Reform in Kraft.

Nach einer langen Zeit strafender Bevormundung war in der jüngeren Kirchengeschichte das Pendel kirchlicher Aufsicht und Rechtsprechung oft zu weit in Richtung Barmherzigkeit, ja Nachlässigkeit und Wegschauen ausgeschlagen. Schmerzlich bewusst machte das der Missbrauchsskandal.

Die neue Milde hatte sich auch im neuen Kirchengesetzbuch niedergeschlagen, dem 1983 veröffentlichten Codex Iuris Canonici (CIC). Schnell aber zeigte sich: Die Strafdisziplin entsprach nicht den Erwartungen. Die Texte seien vielfach zu unbestimmt gewesen, räumte Juan Arrieta, Sekretär im Päpstlichen Rat für Gesetzestexte, Anfang Juni bei der Vorstellung der Reform des VI. Buches im CIC ein.

Sanktionen sind detaillierter formuliert

Künftig werden vor allem Missbrauch, Verletzung der Aufsichtspflicht und finanzielle Vergehen stärker bestraft. Sanktionen sind detaillierter formuliert. Kirchenoberen ist nicht mehr freigestellt, ob sie bei erwiesener Schuld bestrafen oder nicht. Unverständnis für den Zusammenhang zwischen Liebe und Strafdisziplin in der Kirche habe "in der Vergangenheit viel Schaden verursacht", schrieb der Papst Anfang Juni.

Seither hatten Bischöfe, Ordensobere, Bischofskonferenzen und Experten Zeit, sich mit den Neuerungen vertraut zu machen. Bereits 2009 hatte Benedikt XVI. die Reform in Auftrag gegeben. Entstanden war der Reformdruck vor allem durch den Missbrauchsskandal.

Mit der Rubrizierung von sexuellem Missbrauch als "Straftat gegen Leben, Würde und Freiheit des Menschen" - ähnlich wie Mord oder Vergewaltigung - will der Gesetzgeber die Schwere des Vergehens angemessener benennen. Konkret genannt werden zudem Besitz und Verbreitung von Pornografie von Minderjährigen sowie der Missbrauch von Amtsautorität bei sexuellen Vergehen auch gegen volljährige Untergebene. Ausdrücklich gilt das nun auch für Laien im Kirchendienst.

Doch die besten Gesetze nützen nichts, wenn sie nicht angewandt werden, betont der Psychologe und Safeguarding-Experte Hans Zollner immer wieder. Der erneuerte Kodex bestimmt daher: "Wer Urteile oder Strafdekrete nicht ausführt oder Strafanzeigen nicht wie vorgesehen weitergibt", muss bestraft werden.

Reaktionen "durchwgehend sehr positiv"

Bisherige Reaktionen auf die Reform seien "durchgehend sehr positiv", sagt Markus Graulich. Als Untersekretär des Päpstlichen Rates für Gesetzestexte war er an der Reform maßgeblich beteiligt. Mit dem Würzburger Kirchenrechtler Heribert Hallermann veröffentlichte Graulich zudem unlängst den ersten Kommentar zur Strafrechtsreform.

Nun komme es vor allem darauf an, "sich die Reform anzueignen". "Die größte Schwierigkeit ist vermutlich der dafür nötige Mentalitätswandel", so der Kirchenjurist. Man müsse verstehen lernen, dass das Strafrecht, wie Franziskus schrieb, "eben auch ein Mittel der Pastoral ist".

Die von vielen kritisierte weitere Verwendung des Begriffs "Delikte gegen das sechste Gebot" verteidigt Graulich. Der jahrhundertelang verwendete Begriff sei gut definiert: "So klar, dass man ihn anwenden kann, und gleichzeitig so unbestimmt, dass man sich nicht fragen muss: Fällt etwas nun darunter oder nicht?" Die Alternative "sexuelle Handlungen" etwa umfasse weder den Bereich der Pädopornografie noch des "groomings" oder anderes sexuell konnotiertes Verhalten.

Eine stärkere strafrechtliche Berücksichtigung von geistlichem Missbrauch sieht Graulich erst in zwei, drei Jahren praktikabel. Zum einen seien Experten noch uneinig, was genau darunter zu verstehen ist; zum anderen fehle es an ausreichend Erfahrungen, da das Problem erst seit kurzem ausgiebiger diskutiert werde.

Im Übrigen müssten schon vorhandene Maßgaben besser beachtet werden, etwa die Trennung zwischen "forum internum" und "forum externum":

"Was ich in der Beichte oder einem geistlichen Gespräch erfahre, darf ich nicht verwenden, wenn es um Fragen der Leitung geht", so Graulich. Sein Kollege Hallermann ermutigte die Katholiken zudem in einem Interview dazu, "vermutete Rechtsverstöße in der Kirche anzuzeigen". Solches Rechtsbewusstsein fehle zu oft, was wiederum Seelsorgern und Oberen Willkür oft ermögliche.

Vermögensdelikte im Fokus

Die stärksten Änderungen im reformierten Strafrecht betreffen indes Vermögensdelikte; eine Folge auch von Finanzskandalen im Vatikan, wie es heißt. Grobe Fahrlässigkeit bei der Verwaltung von Kirchengütern wird nun ebenso bestraft wie die Veräußerung von Kirchenvermögen ohne vorgeschriebene Beratung oder Erlaubnis. Außer Bestechung wird künftig auch die Forderung nach unrechtmäßiger Vorteilsgabe bestraft.

Schon bald nach der Vorstellung der Strafrechtsreform im Juni wurden Forderungen nach einer Überarbeitung des kirchlichen Prozessrechts sowie nach mehr Transparenz bei Verfahren laut. Grundsätzliches Gerechtigkeitsempfinden verlange, ähnliche Vergehen ähnlich zu bestrafen. Um dies sicherzustellen, so Hallermann, brauche es "eine Veröffentlichung von Urteilen und ihren Begründungen".

Mehr Transparenz, verbunden mit notwendigem Opferschutz, bezeichnet auch Graulich als wünschenswert. Etwas zurückhaltender ist er bei der Reform des Prozessrechts: "Wenn man jetzt schon etwas macht, ohne Erfahrungen zu sammeln, könnte das schwierig werden. Da sollte man lieber ein, zwei Jahre abwarten und dann an diese Fragen herangehen."


Quelle:
KNA
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