Warum haben Äbte und Äbtissinnen begrenzte Amtszeiten?

"Darin können wir Vorbild sein"

Der Papst ist auf Lebenszeit gewählt, Bischöfe in der Regel bis sie 75 Jahre alt sind. Bei Benediktineräbten sieht das anders aus. Sie werden mit festen Amtszeiten gewählt. Wäre das auch ein Vorbild für andere Bereiche in der Kirche?

Ein Rosenkranz liegt auf dem Codex Iuris Canonici (CIC), Kodex des kanonischen Rechts, dem Gesetzbuch des katholischen Kirchenrechts / © Harald Oppitz (KNA)
Ein Rosenkranz liegt auf dem Codex Iuris Canonici (CIC), Kodex des kanonischen Rechts, dem Gesetzbuch des katholischen Kirchenrechts / © Harald Oppitz ( KNA )

DOMRADIO.DE: Früher wurden auch in den Klöstern die Äbte und Äbtissinnen auf Lebenszeit berufen. Warum macht man das heute in den meisten Fällen anders? 

Sr. Scholastika Häring OSB (privat)
Sr. Scholastika Häring OSB / ( privat )

Sr. Dr. Scholastika Häring OSB (Benediktinerin und Ordensrechtlerin): In der Regel des heiligen Benedikt heißt es, der Abt oder die Äbtissin wird auf Lebenszeit gewählt. Seit den 1960er oder 70er Jahren ist das nicht mehr die gängige Regel. Das hängt auch mit dem Zweiten Vatikanischen Konzil zusammen. Auch das allgemeine Kirchenrecht plädiert heute eher für eine beschränkte Amtszeit. 

DOMRADIO.DE: Ist das denn leicht umzusetzen, wenn die Regel vom Ordensgründer eigentlich eine Wahl auf Lebenszeit vorsieht? 

Häring: Wir haben eine gewisse Freiheit, unsere Konstitutionen aufzustellen. Wenn man entsprechende Regelungen festlegt, dann ist das möglich. 

DOMRADIO.DE: Im Moment liegen Amtszeitbegrenzung im Trend. Bei den Benediktinerinnen und Benediktinern kann jedes Kloster eigenständig darüber entscheiden. Welche Begründungen stehen denn dahinter? 

Häring: Zum einen steht dahinter sicherlich die Idee, dass man Äbte und Äbtissinnen aus gesundheitlichen Gründen und/oder Altersgründen von ihrem Amt befreien kann, wenn sie nur noch schwer in der Lage sind, ein Kloster gut zu leiten. Und man stellt sich die Frage, ob es wirklich sinnvoll ist über 25 oder 30 Jahre die gleiche Leitung zu haben.

Sr. Dr. Scholastika Häring OSB (Benediktinerin und Ordensrechtlerin)

"Man stellt sich die Frage, ob es wirklich sinnvoll ist über 25 oder 30 Jahre die gleiche Leitung zu haben."

Auf der anderen Seite geht es ja nicht nur um die Organisation eines Klosters, sondern auch um eine geistliche Leitung der Gemeinschaft. Dafür braucht es eine Vertrauensbasis, die vielleicht in drei, vier Jahren noch gar nicht so richtig wachsen kann und deshalb auch ihre Zeit bekommen sollte. Mit einem Wechsel könnten aber auch neue Impulse gesetzt werden. 

DOMRADIO.DE: Sie sind Kirchenrechtlerin, die sich speziell mit Orden auskennt. Welche Entscheidungen sind dem einzelnen Kloster überlassen? Welche sind den Kongregationen überlassen? Es wird ja sowohl die Amtszeit begrenzt, wie auch das Alter, in dem die Oberen ihren Posten spätestens niederlegen müssen.

Häring: Die benediktinischen Männerklöster zum Beispiel sind für sich alle selbstständig, sind aber wiederum in Kongregationen zusammengeschlossen. Meistens werden auf Kongregationsebene die entsprechenden Konstitutionen aufgestellt, an die sich dann das einzelne Kloster zu halten hat. Da ist eine große Bandbreite möglich. Es gibt Konstitutionen, die festlegen, dass der Abt auf acht oder zwölf Jahre gewählt wird.

Es gibt aber parallel auch Konstitutionen, die erlauben, dass die Gemeinschaft, bevor die eigentliche Wahl im Kloster stattfindet, entscheidet, ob sie denn den Abt auf Zeit oder auf unbegrenzte Zeit wählen will. Wenn heute eine Gemeinschaft auf unbestimmte Zeit wählt, ist meines Wissens meistens eine Altersgrenze in den Konstitutionen vorgesehen. 

DOMRADIO.DE: Bei den Frauen sieht es anders aus?

Häring: Bei den benediktinischen Frauen gibt es mehr Verbände als die Kongregationen, da hat es in den letzten Jahren auch viele Änderungen gegeben. Aber im Grunde ist es auch bei den Frauen so, dass man sich nach den Konstitutionen richtet. Die Verbände, die Föderation oder auch die Kongregation haben eine Regelung, nach der die Klöster, die in dem Verband zusammengeschlossen sind, handeln müssen.

DOMRADIO.DE: Ein Argument, warum ein Bischof sein Amt nicht abgeben kann, ist der neue Status, den er durch die Weihe bekommen hat und nicht mehr ablegen kann. Ein Abt wird auch geweiht, allerdings ist das anders als bei einem Bischof, sondern eher vergleichbar mit einem Segen. Heißt das in der Konsequenz, dass ein Abt, der sein Amt niederlegt, nicht mehr unter dem Segen der Weihe steht?

Häring: Das wird in den einzelnen Gemeinschaften unterschiedlich gehandhabt. Die Weihe von Äbten und Äbtissinnen ist eine Segnung. Es gibt Klöster, in denen der Abt, der aus dem Amt geschieden ist, als "Abt emeritus" noch an zweiter Stelle sitzt und in gewisser Weise noch Vorrechte hat. Es gibt aber auch Klöster, wo er wieder als Bruder in die Reihe der Brüder eingereiht wird.

Sr. Dr. Scholastika Häring OSB (Benediktinerin und Ordensrechtlerin)

"Ich kann mir schon vorstellen, dass man sich vielleicht die Sichtweise abschaut, dass Änderungen möglich sind."

DOMRADIO.DE: Führt es nicht auch zu Konflikten, wenn der ehemalige Chef wieder als normales Mitglied in der Gemeinschaft lebt? 

Häring: Ich denke, Leben in Gemeinschaft hat immer Herausforderungen und das gehört dann auch dazu.

DOMRADIO.DE: Können Sie sich vorstellen, dass die Amtszeit-Regelungen in den Ordensgemeinschaften auch Vorbild sein können, um Amtszeiten von Bischöfen zu begrenzen? 

Häring: Ich kann mir schon vorstellen, dass man sich vielleicht die Sichtweise abschaut, dass Änderungen möglich sind. In der Regel des heiligen Benedikt ist es gut begründet, warum ein Abt auf Lebenszeit gewählt werden sollte. Aber dennoch haben wir uns die Frage gestellt, ob diese Regel auch noch im 20. und 21. Jahrhundert sinnvoll ist. Darin können wir Vorbild sein, ich würde das nicht nur auf die Amtszeitregelung begrenzen.

Das Interview führte Renardo Schlegelmilch.

Quelle:
DR