Reportage über eine Auszeit im Benediktinerinnenkloster

Endlich wieder Kloster

Besonders mit Blick auf das Osterfest nehmen spirituelle Menschen gerne eine Auszeit im Kloster. Ein Lob auf die benediktinische Gastfreundschaft der Schwestern in der Abtei Burg Dinklage.

Autor/in:
Rocco Thiedes
Benediktinerinnenabtei Burg Dinklage / © Rocco Thiede
Benediktinerinnenabtei Burg Dinklage / © Rocco Thiede

Wer sich im Jahresrhythmus für einige Tage eine bewusste Pause gönnen möchte, geht gern mit Blick auf Ostern als Gast in ein Kloster auf Zeit. Hier suchen Gäste Ruhe und Abstand vom Alltag. Die Abtei St. Scholastika der Benediktinerinnen auf der Klosterburg Dinklage in Niedersachsen, ist einer dieser Sehnsuchtsorte. Seit gut zweieinhalb Jahrzehnten bin ich dort Gast auf Zeit. Aber das letzte Mal war ich – wegen der Coronapandemie – vor vier Jahren dort. Schon vor der Abreise freute ich mich: Endlich wieder Kloster! Obwohl vieles wie immer war, bleibt trotzdem nicht alles gleich. Ein Lob auf die benediktinische Gastfreundschaft.

Suche nach Ruhe 

Benediktinerinnenabtei Burg Dinklage / © Rocco Thiedes
Benediktinerinnenabtei Burg Dinklage / © Rocco Thiedes

"Klöster faszinieren mich schon immer.", sagt Michael ein Gast vom Bodensee den ich beim Mittagessen hinter Klostermauern kennenlernte. Der Mittfünfziger hat sich in diesen Tagen ins Osnabrücker Münsterland in das Frauenkloster der Benediktinerinnen nach Dinklage aufgemacht. Wie eigentlich alle Gäste, die auf der mittelalterlichen Wasserburg der Grafen zu Galen oder im jenseits des Burggrabens befindlichen Gästehaus wohnen, sucht er im Kloster auf Zeit vor allem eines: Ruhe. Bei ihm spielt für seinen Aufenthalt noch ein beruflicher Aspekt eine Rolle, weil er als Gastdozent regelmäßig an die Uni nach Osnabrück fahren muss. "Das passt logistisch einfach hervorragend", sagt der ehemalige Manager und Berater.

Benediktinischen Gastfreundschaft

"Wir, die Benediktinerinnen der Abtei St. Scholastika, Burg Dinklage sind eine Gemeinschaft von Frauen, die ihr Leben als einen Weg der Nachfolge Jesu Christi in Kirche und Welt gehen wollen. Die Regel des Hl. Benedikt ist uns Richtschnur und Wegweisung in unserem Bemühen, dieses Leben aus der Heiligen Schrift im Hier und Heute zu gestalten", dieses Statement ist auf den Internetseiten der Nonnen lesen. Die sprichwörtliche benediktinische Gastfreundschaft kann man hier uneingeschränkt erfahren. Aber seit Corona hat sich auch einiges verändert.

Nachwuchsmangel

Die Stundengebete von 5.45 Uhr am Morgen bis 20.30 Uhr am Abend finden wie eh und je statt. Nur eine tägliche Heilige Messe, gibt es nicht mehr. Zwei Mal in der Woche: sonntags und am Donnerstagabend wird Eucharistie gefeiert. "Wie überall in Deutschland fehlen auch bei uns die Priester. Es mangelt an Nachwuchs", stellt Schwester Carola nüchtern fest. Da hätten es ihre Schwestern im brandenburgischen Alexanderdorf, dem Mutterkloster von Dinklage, schon besser, weil sich dort vor einiger Zeit ein Pfarrer im Ruhestand als Hausgeistlicher niedergelassen hat, so dass die Nonnen, wie seit Jahrzehnten gewohnt einmal am Tag eine Heilige Messen mit der Austeilung des Leibes und Blutes Christi feiern können.

Schweigeexerzitien

Nicht wenige Gäste kommen in der Fastenzeit für Schweigeexerzitien nach Dinklage. Selbst beim gemeinsamen Essen wird nicht gesprochen. Ein Austausch – oft mit einer Nonne – findet nur während einer bestimmten Zeit am Tag statt. Diese Gäste nach ihrer Motivation für ihren Aufenthalt zu befragen, ist während des Klosterbesuches nicht möglich, da sie in einem eigenen Raum ihre Speisen in Stille einnehmen.

Das kulinarische Angebot in Kloster Dinklage wurde von Jahr zu Jahr immer ausgewogener und gesünder. Obst, Gemüse und saisonale Bioprodukte gehören zum Standard. Brot wird teilweise selbst gebacken. In der Küche kümmert sich ein Koch auch um vegetarische oder vegane Wünsche der Gäste. Hungern muss hier niemand. Dennoch achtet man sehr genau darauf, dass keine Lebensmittel vernichtet werden müssen. Und wenn doch einmal etwas übrigbleibt, kann es bei zukünftigen Aufläufen oder Suppen wieder verwendet werden.

"Ora et Labora"

Das Motto der Benediktiner – ob Mönche oder Nonnen – ist seit dem 6. Jahrhundert, als der Heilige Benedikt die bis heute gültige Klosterregel aufstellte, unverändert: "Ora et Labora", also bete und arbeite. Die Gäste dürfen die gesungenen Stundengebete gern aktiv mit ihrer Stimme begleiten. Auch bei der Arbeit ist die Unterstützung von einigen Gästen willkommen: etwa beim Reinigen und Putzen der Zimmer, im Garten oder bei kleineren handwerklichen Arbeiten. Aber das Gros geht ins Kloster, um sich eine Auszeit zu nehmen, leise für sich zu beten und die besondere Atmosphäre hinter Klostermauern zu genießen.

"Dank des klaren Ablaufs und den festen Gebets- und Essenszeiten hat für mich jeder Tag eine Struktur und ich kann hier sehr konzentriert arbeiten. Außerdem muss ich mich nicht um tägliche Dinge, wie den Haushalt oder Einkauf kümmern und finde neben der Ruhe auch reichlich Inspiration für meine wissenschaftliche Arbeit an der Uni", bilanziert Michael seinen Klosteraufenthalt. Zudem helfen ihm die gelegentlichen Gespräche mit den Ordensfrauen später im Alltag und das nicht nur zu Ostern.

Wasserburg dient als Kloster

Benediktinerinnenabtei Burg Dinklage / © Rocco Thiede
Benediktinerinnenabtei Burg Dinklage / © Rocco Thiede

Kloster Burg Dinklage liegt in einem moorastigen, feuchten Waldgebiet, nicht untypisch für diese norddeutsche Region des Osnabrücker Landes. Wie der Name schon verrät, ist Kloster Burg Dinklage kein Kloster im ursprünglichen Sinne, sondern ein Kloster auf einer mittelalterlichen Wasserburg. Die so genannte "Urburg" wird 980 erstmals erwähnt als "Ferdinands Burg" und Wohnsitz des Gaugrafen Bernhard. Heinrich von Galen, Droste des Amtes zu Vechta, pachtet 1641 das Dinklager Anwesen. Nach diversen Erbrechtsstreitereien übernimmt Clemens August Freiherr von Galen, der 1803 in den Grafenstand erhoben wird, die gesamte "reichsfreie Herrlichkeit Dinklage".

Die kompakte, sehr wehrhaft wirkende Anlage umzieht von außen ein Wassergraben. Der Zugang zur Burg ist nur über eine Brücke möglich, die man sich in Zeiten von Krieg und Landfehden auch gut als Zugbrücke vorstellen kann. Vor ungebetenen Gästen, war so ein effektiver Schutz möglich. Die äußere Wehrhaftigkeit und Abschirmung steht heute etwas im Gegensatz zur Offenheit und herzlichen Gastfreundschaft der Benediktinerinnen. Ein Messingschild auf einem der Brückenpfeiler weist Wanderern und Spaziergängern auf die heutige Nutzung der Burg hin. Gäste werden ausdrücklich zur Feier der Gottesdienste sowie der Stundengebete eingeladen. Eine Besichtigung der Burg selbst sei aber "leider nicht möglich".

Kardinal für Menschenrechte

Am 16. März 1878 wird hier auf der Burg Clemens August Graf von Galen als elftes Kind der Eheleute Ferdinand Graf von Galen und Elisabeth geborene Reichsgräfin von Spee geboren. Von Galen wird 1933 zum Bischof von Münster geweiht.  Als der "Löwe von Münster" geht von Galen wegen seiner Predigten gegen die Beseitigung des so genannten "lebensunwerten Lebens" und anderen Menschenrechtsverletzungen des NS-Regimes in die Geschichte des 20. Jahrhunderts ein. Kurz nach seiner Ernennung zum Kardinal stirbt er am 22. März 1946. Viele Tagesgäste kommen auch, "weil sie den Geburtsort des Seligen Kardinal von Galen einmal besuchen wollen", erklärt Schwester Johanna.

Nahbare Nonnen 

"Nonnen sind eigentlich auch Menschen, wie Du und Ich. Alle haben irgendwann mal einen Beruf gelernt und hatten ein Leben vor dem Kloster.", erklärte mir bei meinem letzten Besuch 2019 die evangelische Christin Brigitte Renken aus Oldenburg. Hier hinter dem großen blau-grauen Klostertor sei sie den Ordensfrauen auch menschlich nähergekommen. "Sie sind gar nicht so unnahbar, wie es im ersten Moment scheint."  Einige der Ordensschwestern hätten sogar Kinder und Enkelkinder, weil sie als Spätberufene ins Kloster eintraten, als ihre Töchter oder Söhne schon aus dem Haus waren oder der zu früh Ehemann verstarb.

Dreiklang von Besinnung

Viele Gäste nutzen den Dreiklang von Besinnung, der Natur und Abstinenz im Kloster, um ganz bewusst Abstand vom Alltag zu bekommen. Die meisten sind froh im Kloster "auch vom Digitalen wegzukommen – einmal ganz ohne Laptop und Handy zu leben", erzählte mir Susanne Bultera, eine Freundin von Frau Renken, mit der sie seit einigen Jahren immer nach Dinklage reist, bevorzugt in den Tagen vor Ostern. Das geht hier gut, denn die dicken Burgmauern lassen kaum Funkwellen durch. Auf W-Lan haben die Nonnen innerhalb ihrer Klostermauern in den Gästezimmern bisher bewusst verzichtet.

Wer einmal hier war, kommt gerne immer wieder. Als Frau Renken und Frau Bultera abreisten, stimmten sie ein regelrechtes Loblied an: "Gott sei Dank ist es hier nicht kommerziell. Wir brauchen keine Wellness-Programme oder eine Sauna. Deshalb lassen wir schon immer für das kommende Jahr Zimmer reservieren."

Das scheint ein kluger Entschluss zu sein, denn Gastschwester Lydia stellt beim Abschied klar, "dass ein Ausbau des Gästeangebots nicht geplant sei". Seit und nach der Coronapandemie, hat man bewusst auf eine Erweiterung des Gästetrakts verzichtet. Lieber lasse man mal ein Zimmer frei, denn Arbeit ist für die Nonnen auch nicht alles. "Das Gebet steht für uns an erster Stelle!"   

Quelle:
DR