Warum "Gottes Mühlen langsam mahlen"

"Gott durchschaut mich bis in die letzte Falte meiner Seele"

Pfingstmontag ist deutscher Mühlentag. Nun hat das Mahlwerk auf den ersten Blick nicht viel mit Kirche und Religion zu tun. Und doch gibt es das Sprichwort "Gottes Mühlen mahlen langsam". Gelegenheit, dies einmal näher zu ergründen.

Was bedeutet die Redewendung "Gottes Mühlen mahlen langsam"? / © Sina Schuldt (dpa)
Was bedeutet die Redewendung "Gottes Mühlen mahlen langsam"? / © Sina Schuldt ( dpa )

DOMRADIO.DE: Wo liegt der Ursprung des Sprichworts?

Manfred Becker-Huberti / © Harald Oppitz (KNA)
Manfred Becker-Huberti / © Harald Oppitz ( KNA )

Dr. Manfred Becker-Huberti (Brauchtumsforscher): Das ist ein uraltes Sprichwort. Der älteste Verfasser eines solchen Gedankens ist Plutarch, ein Philosoph, der 45 nach Christus geboren ist. Von ihm hat es der Römer Sextus Empiricus übernommen und überliefert. Friedrich von Logau hat den Satz in Deutschland populär gemacht: "Gottes Mühlen mahlen langsam, mahlen aber trefflich klein. Ob aus Langmut er sich säumt, bringt mit Schärf' alles ein." Das hat der Volksmund verkürzt auf: "Gottes Mühlen mahlen langsam. Langsam, aber sicher." Das ist der Satz, den wir kennen.

DOMRADIO.DE: Was bedeutet das Sprichwort denn?

Becker-Huberti: Das Bild geht davon aus, dass es eine Gerechtigkeit gibt, die, wenn sie nicht in dieser Welt hergestellt wird, dann spätestens im Jenseits hergestellt wird. Dahinter steht das Bild eines Gottes, der final Gerechtigkeit herstellt. Der Gedanke ist, dass die gottgewollte Welt wieder präsent sein muss. Diese Welt wird sich im Reich Gottes verwirklichen, an dem wir alle arbeiten.

Friedrich von Logaus in seinem Epigramm "Strafe"

"Gottes Mühlen mahlen langsam, mahlen aber trefflich klein.

Ob aus Langmut er sich säumet, bringt mit Schärf’ er alles ein."

Das Ganze ist auch biblisch begründbar. Die Idee ist, dass es einen Richterstuhl Christi gibt, vor den jeder und jede nach dem Tod treten muss und sich verantworten muss. Dazu kommt die Frage, wie dieser Christus dann mit den Sündern umgeht. Denn keiner kann vor Christus bestehen. Keiner ist frei von Schuld. Insofern konkurrieren zwei Gottesbilder miteinander: der liebende Vater mit dem strafenden Gott.

Insofern ist die Überlegung, was es ist, was wir mit einbringen müssen? Das ist zum einen die Besinnung auf das, was wir hätten besser machen können. Zum anderen die Besinnung auf ein Reich, in dem das gilt, was Gott mal gewollt hat: Die Wiederherstellung der gottgewollten Welt, das Reich Gottes.

DOMRADIO.DE: Wofür steht denn die Mühle als Werkzeug in dem Sprichwort?

Deutscher Mühlentag wird in Schwerin eröffnet

Bundesweit rund 1.000 historische Mühlen öffnen am Pfingstmontag zum Deutschen Mühlentag wieder ihre Türen. Die Eröffnungsveranstaltung findet diesmal an und um die Schleifmühle in Schwerin statt, wie die Deutsche Gesellschaft für Mühlenkunde und Mühlenerhaltung (DGM) am Freitag im nordrhein-westfälischen Petershagen mitteilte. Die Schleifmühle in Schwerin stammt aus dem 18. Jahrhundert. Rund 200 Jahre lang wurden hier vorrangig dekorative Steinplatten, Sarkophage, Denkmalsockel und Kamineinfassungen aus tonnenschweren Granitfindlingen geschliffen. Heute beherbergt die Mühle ein Museum.

Windmühle "De Koe" am 20. April 2022 in Veere, Niederlande. / © Gottfried Bohl (KNA)
Windmühle "De Koe" am 20. April 2022 in Veere, Niederlande. / © Gottfried Bohl ( KNA )

Becker-Huberti: Die Mühle als Bild hat man gewählt, um zu zeigen, dass alles, was in diese Mühle hineingerät, gemahlen wird. Es geht kein Korn verloren. Dahinter steht die Vorstellung, dass man nichts in dieser Welt tun kann, das vor Gott nicht offenbar wird.

Das heißt, ich kann meine irdischen Richter täuschen. Wenn mir das gelingt, habe ich Glück. Aber bei Gott wird mir das nicht gelingen. Gott durchschaut mich, durchschaut mich bis in die letzte Falte meiner Seele. Das ist hier gemeint. Jeder wird sich vor diesem Gott verantworten müssen. Gott wird dir schon zeigen, was du nicht gut gemacht hast.

Nun gibt es zwei Auslegungen für diese Mühlen. Die eine sieht in Gott einen Richter, der mit gnadenloser Gerechtigkeit Ordnung schafft, der Richtergott.

Die andere Auslegung ist die des Vatergottes. Gott als Vater, der den verlorenen Sohn wieder annimmt. Der Sohn, der alles getan hat, um sich von diesem Vater zu lösen. Der Vater, der seinen Sohn trotzdem annimmt, wenn er seine Schuld bekennt.

DOMRADIO.DE: Die Bedeutung des Sprichwortes ist nicht mehr jedem klar. Der Kirche wird oft nachgesagt, ihre Mühlen mahlen langsam, im Sinne von "die brauchen ewig, um irgendwas zu ändern". Viele verstehen hinter dem Sprichwort eher sowas wie "Gut Ding will Weile haben", aber auf katholisch.

Becker-Huberti: (lacht) Das könnte man meinen, angesichts der Geschwindigkeit, mit der der Vatikan arbeitet. Das ist leider Gottes auch heute noch sehr aktuell, obwohl das nichts Neues ist. Dass die Verwaltung immer länger arbeitet, als es der Sache angemessen ist, hat es in der Antike genauso gegeben wie in der Gegenwart.

Ich glaube, man muss sein Augenmerk noch auf etwas anderes legen. Dieser Satz ist ein Drohwort, das man nie auf sich selbst bezieht, sondern immer gegen andere verwendet. Man möchte angesichts des Wissens um die eigene Schuld selbst gar nicht betroffen sein.

Den anderen sagt man dann noch: "Sie mahlen deine Sünden trefflich". Also, da kommst du nicht davon. Man selbst hält sich raus. Das ist schon eine Wendung innerhalb dieses Sprichwortes, die einen nachdenklich machen muss, ob man sich da nicht moralisch auf eine Ebene begibt, die einem eigentlich unangemessen ist.

Das Interview führte Michelle Olion.

Quelle:
DR