Warum Franziskus trotz aller Gefahren Ägypten besucht

"Wir Christen stehen zusammen"

Papst Franziskus reist am Freitag nach Ägypten. Nach den Anschlägen an Palmsonntag nicht ganz ungefährlich. Doch davon lässt sich Franziskus nicht abahlten, meint der Sprecher der Deutschen Bischofskonferenz, Matthias Kopp.

Papst besucht Ägypten  / © Amr Nabil (dpa)
Papst besucht Ägypten / © Amr Nabil ( dpa )

domradio.de: Was wird Franziskus erwarten, wenn er am Freitag in Kairo landet?

Matthias Kopp (Sprecher der Deutschen Bischofskonferenz): Je mehr Blitz, desto mehr Intensität hat ein solcher Besuch. So würde ich es formulieren. Der Papst kommt in ein Land, das den arabischen Frühling längst zu den Akten gelegt hat. Aus dem arabischen Frühling 2011 ist ein arabischer Spätherbst geworden. Das politische Klima hat sich völlig verändert, zum Nachteil der Christen. Und genau darum geht es Papst Franziskus. Er will ein deutliches Zeichen der Solidarität mit allen Christen setzen, mit den koptisch-orthodoxen und den koptisch-katholischen, um den Menschen Mut zu machen und um ihnen zu zeigen: Wir als Christen stehen zusammen. Auch in einer politischen Situation, die durchaus für Repressalien in der Gesellschaft auf die Christen hin sorgt.

domradio.de: Die Sicherheit spielt eine große Rolle bei dem Treffen. Veranstaltungsorte wurden zum Teil verlegt. In die Schlagzeilen kommt auch, dass der Papst auf ein gepanzertes Auto bei seinem Besuch verzichtet. Können Sie diese Bedenken nachvollziehen?

Kopp: Gefahr ist immer im Verzug, besonders in solchen Ländern. Wir haben das durch die Anschläge an Palmsonntag auf tragische Weise erlebt, wie Menschen mit sinnloser Gewalt in den Tod gerissen werden. Einer solchen Gefahr ist natürlich auch der Papst ausgesetzt. Nur Franziskus macht deutlich, und das macht er in allen Krisenregionen der Welt deutlich, dass er ganz bewusst auf das gepanzerte Fahrzeug verzichtet. So war das 2014 in Israel, Jordanien, in Palästina. Ein Papst ohne Panzerglas, das ist bei ihm Prinzip. Nah bei den Menschen zu sein. Er sagt sich nicht nur: Ich muss mein Leben in Gottes Hand legen, sondern das aller Menschen, deshalb brauche ich keine Sonderbehandlung. Aber natürlich ist die Gefahr da und natürlich ist auch der Terror in Ägypten relevant. 

domradio.de: Der Papst besucht unter anderem die Kopten, eine christliche Konfession in Ägypten, die in den vergangenen Monaten unter mehreren Anschlägen leiden mussten, sich davon aber nicht unterkriegen lässt. Welche Rolle spielen die Kopten dort im Land?

Kopp: Die koptisch-orthodoxe Kirche macht ungefähr 9,5 bzw. 9,8 Prozent der Bevölkerung aus. Es ist also eine gesellschaftlich nicht vernachlässigbare Größe, sondern eine bedeutende Größe innerhalb der ägyptischen Gesellschaft. Von diesen 9,5/9,8 Prozent koptisch-orthodoxen Christen haben wir noch 270 000 Katholiken. Christen wollen an dem Aufbau dieser Zivilgesellschaft mitwirken. Sie erleben natürlich im Moment diese Debatten, unter der Regierung von al-Sisi, wie eine neue Verfassung aussehen kann. In der künftigen Verfassung soll ein stärkeres Bekenntnis zu Scharia aufgebaut werden. Es sollen auch die Möglichkeiten von Kirchenbauten eingeschränkt werden. Das sind schon Dinge, die es in dieser Schärfe vor zehn oder 15 Jahren nicht gab. Auch wenn Mubarak und vor ihm Sadat immer weiter versucht haben, dieses Land islamisch und auch islamistisch auszubauen.

Die Botschaft des Papstes wird sein, davon bin ich überzeugt und hoffe es auch, dass sich die Kirche nicht nur auf den privaten oder den Gottesdienstraum beschränken darf. Ich vermute, dass der Appell des Papstes sein wird, dass die Kirche bzw. die Kirchen und die Christen ihren Anteil an der Gesellschaft haben sollen, dass das Religiöse nicht in die Kirchenmauern verband werden darf. Der Traum vieler Christen ist, in Ägypten öffentliche Prozessionen ohne große Sicherheitsvorkehrungen durchführen zu können. 

domradio.de: Das heißt, der Papst wird sich nicht nur seelsorgerisch, sondern auch politisch äußern?

Kopp: Seelsorgerisch-solidarisch, politisch und natürlich auch interreligiös. Das sind die drei Komponenten, auf die es bei diesem Papstbesuch ankommt. Und deshalb ist auch die Begegnung mit Staatspräsident al-Sisi so wichtig. Dort erhoffen sich die Kopten von einem religiösen Führer, dem Papst, klare Worte an die Regierung in Ägypten zum gesellschaftlichen und politischen Zustand des Landes.

domradio.de: Werden die Worte Papstes langfristige oder mittelfristige Konsequenzen haben oder ist das ein Tropfen auf dem heißen Stein?

Kopp: Ich will das noch nicht bewerten oder beurteilen, aber der Papst ist sich darüber bewusst, dass jede seiner Handlung zumindest ein Tropfen auf dem heißen Stein ist. Und das ist schon besser als gar keiner. Und dieser heiße Tropfen kann ja auch den Stein höhlen. Steter Tropfen höhlt den Stein, daran wird der Papst festhalten. Das wird sich sicher auch in der Begegnung mit dem Islam zeigen.
Die Frage wird sein, wenn der Papst in der Al Azhar-Universität, der bedeutendsten Lehrautorität des sunnitischen Islams weltweit, mit den dortigen Großschaichs zusammentrifft, ob das, was dort an friedenstiftenden Elementen der Religion dargelegt wird, auch wirklich jeden in Ägypten erreicht. Und das ist natürlich einerseits ein wenig die Hoffnung der Christen, gleichzeitig aber auch die Sorge: Werden all die guten Worte, die in den nächsten 48 Stunden gesprochen werden, wirklich jeden Menschen im Land erreichen.

Das Interview führte Renardo Schlegelmilch


Matthias Kopp / © Harald Oppitz (KNA)
Matthias Kopp / © Harald Oppitz ( KNA )
Quelle:
DR