Warum eine Bischofssynode zum Thema Missbrauch sinnvoll wäre

"Wenn wir das nicht anpacken, können wir einpacken"

Wie soll man als katholische Kirche bloß den Missbrauchsfällen begegnen? Nun ist gar eine Bischofssynode der Weltkirche im Gespräch. Daran führe kein Weg vorbei, meint Kirchenrechtler Thomas Schüller. Denn sonst "könne man einpacken".

Kommen die Bischöfe der Welt bald wieder zusammen? / © Cristian Gennari/Siciliani (KNA)
Kommen die Bischöfe der Welt bald wieder zusammen? / © Cristian Gennari/Siciliani ( KNA )

DOMRADIO.DE: "Eine moralische Katastrophe" nennt der Vorsitzende des US-Episkopats Kardinal Di Nardo den aktuellen Missbrauchsskandal der katholischen Kirche. Bis November kündigte er einen tiefgreifenden Reformplan an. Der Bischof von Portsmouth in Großbritannien, Philip Egan, forderte dazu unterdessen eine Bischofssynode der Weltkirche. Das schrieb er in einem Brief an Papst Franziskus. Wer kann so eine weltweite Synode einberufen und was würde das in diesem Fall bedeuten?

Prof. Dr. Thomas Schüller (Direktor beim Institut für Kanonisches Recht an der katholisch theologischen Fakultät der Universität Münster): Die Bischofssynode in ihrer jetzigen Form gibt es seit dem Zweiten Vatikanum. Es ist allein das Recht des jeweiligen Papstes, zu solchen Synoden einzuladen. Die gibt es in ordentlicher Form, das heißt mit gewisser Regelmäßigkeit und außerordentlich bei Dringlichkeit, die ja jetzt gegeben ist.

Der Papst legt die Themen und Beratungsgegenstände fest. Die Synode besteht aus Bischöfen aus allen Teilen der Weltkirche, aus allen Bischofskonferenzen, das sind im Schnitt 200 oder 300 Bischöfe. Hinzu kommen meistens noch Berater oder Vertreter anderer Kirchen und kirchlicher Gemeinschaften. Am Ende der Synode geben die Bischöfe dem Papst einen Rat. Damit kann er umgehen, wie er denkt. Dann gibt es das nachsynodale Schreiben, in dem er die Ergebnisse zusammenfasst.

DOMRADIO.DE: Das Treffen solle sich mit dem Selbstverständnis von Priestern und Bischöfen befassen. Macht die Forderung des Bischofs von Portsmouth in Ihren Augen Sinn?

Schüller: Ja. Die macht wirklich Sinn, denn das Thema Vertuschung von Missbrauch durch Bischöfe in der Kirche ist das große Problem und das bedarf einer weltweiten Beratung. Wenn man Pater Zollner aus Rom an der Gregoriana hört, der ja für den Papst die Präventions- und Ausbildungsarbeit leistet und der Kinderschutzkommission vorsteht, dann beschreibt er sehr eindrücklich, dass mittlerweile in Europa und in den USA ein gewisses Bewusstsein bei Bischöfen eingesetzt hat, während es bei Bischöfen in Afrika, Asien und Lateinamerika überhaupt noch kein Problembewusstsein gibt.

Insofern finde ich den Vorschlag gut, dass der Papst jetzt mit den Bischöfen aus der gesamten Kirche das Problem anspricht und überlegt, dass man nicht nur erschütternde Briefe schreibt und um Verzeihung bittet, sondern wie man von vornherein in der Ausbildung der Priester aber auch durch Präventionsmaßnahmen die systemischen Ursachen, die den Missbrauch und das Vertuschen des Missbrauchs begünstigt haben, in Zukunft vermeidet. Denn die moralische Katastrophe ist so groß, dass die Kirche im Moment jegliche Glaubwürdigkeit in diesem Punkt verloren hat.

DOMRADIO.DE: Aber jedes Land hat ja seine eigene Gesetzgebung. Warum ist ein Austausch trotzdem sinnvoll?

Schüller: Man muss zwischen der staatlichen Rechtsprechung und dem kirchlichen Recht unterscheiden. Letzteres hat ja mittlerweile präzise strafrechtliche Normen für Täter erlassen. Gott sei Dank! Die Vorgängerpäpste Benedikt XVI. und Johannes Paul II. waren da ja sehr aktiv. Natürlich muss auf so einer außerordentlichen Synode der "common sense" sein, dass man sofort die staatlichen Institutionen informiert, sobald auch nur der begründete Anfangsverdacht eines Missbrauchs vorliegt, damit die staatliche Strafverfolgung einsetzen kann.

Zeitgleich muss auch nach den kirchenrechtlichen Normen das entsprechende Prozedere losgehen. Und: Das hat Papst Franziskus vor zwei Jahren schon festgelegt, dass die Bischöfe, die den Missbrauch bewusst und willentlich vertuschen, nicht mehr im Amt bleiben können. All diese Dinge werden angesprochen werden müssen, das ist eine Herkulesaufgabe und die kann man nur weltkirchlich lösen.

DOMRADIO.DE: Bis es dann tatsächlich zu einer Synode zum Missbrauchsskandal käme, ist wahrscheinlich ein langer Weg, oder?

Schüller: Es gibt ein funktionierendes Büro in Rom, mit einem Bischof, der mit einem Stab von Mitarbeitern diese ordentlichen Bischofssynoden sowieso vorbereitet. Das Equipment, die Logistik sind also da. Ich denke, innerhalb eines guten halben Jahres könnte man so eine außerordentliche Bischofssynode sicherlich durchführen.

DOMRADIO.DE: Bischof Philip Egan aus Portsmouth regte außerdem eine Supervision für Geistliche an und sagte, diözesane Verhaltensstandards sollten kirchenrechtlich vorgeschrieben werden. Wie könnten diese aussehen?

Schüller: Das könnte so aussehen, dass in allen Priesterseminaren vor der Aufnahme ein entsprechendes Screening vorgenommen wird, wie es schon in den USA passiert. Ein weiterer Punkt ist, dass man in der Ausbildung endlich tabufrei die Themen Sexualität, sexuelle Identität, Umgang mit Nähe und Distanz anspricht.

Da ist auch in Deutschland noch einiges im Argen, obwohl wir exzellente Programme haben und es ein großes Bemühen gibt, überhaupt das Thema Sexualität in einer offenen und ehrlichen Weise anzusprechen. Denn der Hauptgrund ist ja nicht Pädophilie – auch die gibt es – sondern eine Unreife in der Sexualität. Es ist auch nicht der Zölibat, sondern einfach eine Unreife im Umgang mit der eigenen Sexualität. Und solange das tabuisiert wird und nicht zur Sprache kommt, werden wir weiter Missbrauch in der Kirche haben.

DOMRADIO.DE: Was glauben Sie, was kann so eine Synode bewirken?

Schüller: Zumindest, dass die Bischofskonferenzen, die aus der Not heraus schon am Thema dran sind – USA, Kanada, Irland, Deutschland – im Austausch mit ihren Mitbrüdern aus Lateinamerika, Afrika und Asien deren Bischöfen klarmachen: "Ihr könnt das nicht einfach ignorieren und verdrängen und verschweigen!"

Denn wie der Papst es in seinem Schreiben deutlich gemacht hat: "Wenn an einer Ecke des Leibes der Kirche ein Skandal ausbricht, betrifft das alle. Ihr müsst Euch alle diesen Themen stellen!" Und wenn man Pater Zollner hört, dann weiß man – und er ist nun wirklich ein loyaler Kirchenmann und Experte – welche Herkulesaufgabe da besteht. Aber ich glaube, dass man sich in die Hand verspricht: Das ist keine Nebensache, keine Marginalie, sondern hier geht es um die Existenzfrage der römisch-katholischen Kirche. Wenn wir das nicht anpacken, können wir einpacken.

Das Interview führte Dagmar Peters.

 

Kirchenrechtler Thomas Schüller  / © Wwu Münster (dpa)
Kirchenrechtler Thomas Schüller / © Wwu Münster ( dpa )
Quelle:
DR
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